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  • · Fachbeitrag · Zugewinnausgleich

    So ist der Unternehmerlohn bei der Ermittlung des Ertragswerts zu berücksichtigen

    von VRiOLG a.D. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hat sich mit der Frage befasst, aus welchen Kriterien sich der Unternehmerlohn zusammensetzt, der bei der Ermittlung des Ertragswerts des Unternehmens zu berücksichtigen ist und wie sich die Darlegungslast für diese Kriterien gestaltet. |

    Sachverhalt

    Die Parteien sind rechtskräftig geschieden. Die F hat den M auf ZGA in Anspruch genommen. Der M hat widerklagend ebenfalls ZGA begehrt. Der M und drei weitere gleichberechtigte Gesellschafter gründeten eine GbR. Diese ging im Wege der Anwachsung auf die von den vier Gesellschaftern gegründete GmbH über. Die GmbH wurde rückwirkend auf die zugleich von den vier GbR-Gesellschaftern gegründete, nicht börsennotierte AG, an der die vier Gesellschafter jeweils 25 Prozent der Aktien übernahmen, verschmolzen. Gegenstand des Geschäftsbetriebs ist u. a. die Entwicklung und der Vertrieb von Spracherkennungs- und Sprachlernsoftware. Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen ‒ wie die Widerklage ‒ abgewiesen. Die Berufung des Beklagten blieb ebenso erfolglos wie die Revision.

     

    • a) Zur Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich.
    • b) Bei der Bemessung des im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode von den Erträgen abzusetzenden Unternehmerlohns ist auch eine nicht unternehmensleitende Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Unternehmer für das Unternehmen erbringt.
    • c) Zur sekundären Darlegungslast des Ausgleichsschuldners für die in die Wertermittlung einzubeziehenden Umstände, wenn der Ausgleichsgläubiger außerhalb des insoweit maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann.
     

    Entscheidungsgründe

    Der Wert der in das Endvermögen (EV) des M fallenden 25-prozentigen Beteiligung an der AG kann nach der Ertragswertmethode ermittelt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist im Regelfall diese Methode geeignet, um zur Bemessungsgrundlage für den Wert einer Unternehmensbeteiligung zu gelangen.

     

    Ertragswertmethode

    Bei der Ertragswertmethode wird die Summe aller künftigen Erträge des fortgeführten Unternehmens ermittelt (Zukunftserfolgswert) und zwar durch eine Rückschau auf die Erträge des Unternehmens in den letzten Jahren. Auf dieser Grundlage wird eine Prognose zur Ertragslage der nächsten Jahre erstellt. Damit wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit bewertet. Der Wert der einzelnen Gegenstände ist insoweit unbedeutend. Der Ertragswert ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen allein aus seiner Eigenschaft abzuleiten, nachhaltig ausschüttbare Überschüsse zu produzieren. Diese werden sodann kapitalisiert und auf den Bewertungsstichtag bezogen.

     

    Zeitraum für die Unternehmensbewertung

    Es gibt keine verbindlichen Regelungen darüber, welcher Zeitraum bei der Unternehmensbewertung zugrunde zu legen ist. Angemessen ist, den Durchschnittsertrag auf der Basis der letzten drei bis fünf Jahre zu ermitteln, wobei die jüngeren Erträge stärker gewichtet werden als die älteren.

     

    Freiberufliche Praxen und inhabergeführte Unternehmen

    Bei freiberuflichen Praxen bzw. inhabergeführten Unternehmen reicht aber die Ertragswertmethode nicht aus, weil sich die Ertragsprognose kaum von der Person des Inhabers trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unternehmerische Entscheidungen beeinflusst werden kann. Die Erwartung künftigen Einkommens, die der individuellen Arbeitskraft des Inhabers zuzurechnen ist, kann nicht maßgeblich sein, weil es beim ZGA nur auf das am Stichtag vorhandene Vermögen ankommt. Daher ist in solchen Fällen eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt, die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert und davon einen Unternehmerlohn des Inhabers absetzt.

     

    Bestimmung des Unternehmerlohns

    Der Unternehmerlohn muss sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientieren, weil nur so der auf den derzeitigen Inhaber bezogene Wert ausgeschieden werden kann, der auf dessen persönlichem Einsatz beruht und nicht auf den potenziellen Erwerber übertragbar ist.

     

    Hier ist keine Inhaberbezogenheit des Unternehmens gegeben, die der Anwendung der reinen Ertragswertmethode entgegenstehen würde. Die AG ist aber aus der inhabergeführten GbR hervorgegangen und hat deren Geschäftsbetrieb fortgeführt. Daher müssen in die Wertermittlung auch die letzten drei GbR-Geschäftsjahre einbezogen werden, um einen belastbaren Ausgangswert für den durchschnittlichen zukunftserwartenden Reinertrag zu erhalten. Im Hinblick auf die Einbeziehung der GbR ist es aber erforderlich, den Wert der von den vier Gesellschaftern als den Inhabern für die GbR erbrachten Leistungen auszuscheiden, um zu Vergangenheitserträgen zu gelangen, die die Basis für die Zukunftsprognose der AG bilden können. Um eine Vergleichbarkeit der von der GbR erzielten Betriebsergebnisse mit denen der AG herzustellen, sind die Ergebnisse der GbR daher um diejenigen Beträge zu bereinigen, die die AG aufwenden muss, um die von den Gesellschaftern ohne Vergütung erbrachten Leistungen am Markt einzukaufen, die diese also als das Betriebsergebnis reduzierende Vergütungen für Beschäftigte erbringen muss.

     

    Bemessung des Unternehmerlohns

    Beim Unternehmerlohn ist vom kalkulatorischen Wert der unternehmensleitenden Tätigkeit auszugehen. Hinzuzurechnen ist noch der Unternehmerlohn für andere als die leitenden Tätigkeiten. Grund: Wenn der Gesellschafter ohne Vergütung Tätigkeiten jedweder Art für das Unternehmen erbringt und dadurch Personalkosten erspart, ist hierfür ein kalkulatorischer Unternehmerlohn anzusetzen, weil dem potenziellen Unternehmenserwerber diese kostenlose Arbeitskraft des Unternehmers nicht mehr zur Verfügung stünde. Daher ist zu beanstanden, dass das OLG nur die Vergütung angesetzt hat, die eine Fremdgeschäftsführung erhalten würde. Damit sind zu Unrecht die Arbeitsleistungen der vier Gesellschafter ausgenommen, für die die AG eine Vergütung entrichten müsste, wenn das Unternehmen fortgeführt würde.

     

    Der vom OLG gewählte jährliche Ansatz für den Unternehmerlohn ist zu billigen. Denn den Unternehmer trifft eine sekundäre Darlegungslast für solche Umstände, die nach seiner Ansicht in die Wertermittlung noch einzubeziehen sind, wenn der Ausgleichsgläubiger außerhalb des insoweit maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann. Zwar ist der Ausgleichsgläubiger für den Auskunftsanspruch darlegungs- und beweisbelastet. Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich aber nicht auf Gegenstand und Umfang der in den Jahresabschlüssen des Unternehmens nicht abgebildeten Unternehmertätigkeit. Insoweit hat der Ausgleichsgläubiger allenfalls einen Anspruch auf Wertfestsetzung durch einen Sachverständigen entsprechend § 1377 Abs. 2 S. 3 BGB, der auf Duldung der Ermittlungen durch den Sachverständigen gerichtet ist. Wenn der Ausgleichsschuldner geltend macht, die sachverständige Wertermittlung sei unzutreffend, weil sie Gegebenheiten unberücksichtigt lasse, trifft ihn dafür die sekundäre Darlegungslast.

     

    Hier betrifft die sekundäre Darlegungslast die 1997 bis 1999 ausgeübten Tätigkeiten der vier Gesellschafter, auf deren kalkulatorischen Wert es für die Bestimmung des Unternehmerlohns und damit für den in das EV des M einzustellenden Wert seines Unternehmensanteils ankommt. Der M hätte erläutern müssen, welche Tätigkeiten er und seine drei Mitgesellschafter neben ihrer unternehmensleitenden Tätigkeit entfaltet haben und in welchem zeitlichen Umfang sie tätig geworden sind. Die Ermittlung des kalkulatorischen Unternehmerlohns ist keiner Schätzung zugänglich. Die getätigten Entnahmen sind keine Grundlage für die Bemessung des individuellen Unternehmerlohns. Sie werden auch von den Mitarbeitern erwirtschaftet. Dabei kann es sich auch um Überentnahmen handeln, die mit dem Unternehmenswert nichts zu tun haben.

     

    Stichtagsprinzip

    Ob für die Bewertung das gesamte Geschäftsjahr zu beachten ist, in dem der Scheidungsantrag zugestellt worden ist, oder aber eine Zwischenbilanz bezogen auf den Stichtag erstellt werden muss, kann offenbleiben. Grundsätzlich ist die nach dem Stichtag eingetretene Entwicklung nur zu berücksichtigen, wenn sie am Stichtag schon angelegt war. Dazu hätte der M vortragen müssen, dass durch die Einbeziehung des gesamten Wirtschaftsjahres eine Unternehmensbewertung erfolgt ist, die zum Stichtag so nicht abgebildet war.

     

    Latente Steuerlast

    Bezüglich der latenten Steuerlast bestehen keine Bedenken.

    Relevanz für die Praxis

    Wenn ein Inhaber das Unternehmen selbst führt, wird der Ertragswert auch durch dessen Arbeitsleistung bestimmt, die aber bei Fortführung des Unternehmens durch einen potenziellen Erwerber wegfallen würde. Man muss davon ausgehen, dass ein potenzieller Erwerber eine Fremdperson einsetzen muss, um die Arbeitsleistung zu erbringen, die der Inhaber des Unternehmens selbst erbracht hat. Daher sind die dafür anzusetzenden Kosten bei der Unternehmensbewertung abzusetzen.

     

    Grundlage für die Bewertung des Unternehmerlohns ist ein kalkulatorischer Unternehmerlohn, d. h., der Lohn, der der Höhe nach dem Entgelt entspricht, das ein nicht am Unternehmen Beteiligter für die Geschäftsführung erhalten würde, z. B. bei einer Arztpraxis das durchschnittliche Gehalt eines angestellten Arztes. Dieser Unternehmerlohn ist aber zu bereinigen um subjektbezogene Umstände des Einzelfalls. Dazu gehört ein Mehrwert der Arbeitsleistung, der nur von dieser Unternehmerpersönlichkeit dank ihrer besonderen Fähigkeiten und nicht übertragbaren persönlichen Beziehungen realisiert werden kann. Dazu gehören auch ein hoher zeitlicher Arbeitseinsatz, Spezialkenntnisse, lange Berufserfahrung, vielfältige persönliche Beziehungen sowie ein Aufschlag für das unternehmerische Risiko. Diese individuellen Umstände können auch zu einem Abschlag führen, wenn der zeitliche Aufwand geringer ist als die normalen Arbeitszeiten.

     

    Da für einen Angestellten auch Sozialabgaben zu zahlen sind, ist ein Zuschlag für den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung hinzuzurechnen. Dabei geht der BGH sogar davon aus, dass ein 4-prozentiger Zuschlag im Rahmen der angemessenen Altersversorgung ebenfalls zu berücksichtigen ist.

     

    Der sich aus diesem individuellen Umständen und dem kalkulatorischen Unternehmerlohn ergebende individuelle Unternehmerlohn ist sodann von dem Betriebsergebnis abzuziehen.

     

    Die errechneten Beträge sind zu kapitalisieren, um die Zukunftserträge zu ermitteln. Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich zusammen aus dem Basiszinssatz, einem Zuschlag für das allgemeine und ggf. spezielle Unternehmerrisiko und einem Abschlag für die Geldentwertung. Der Basiszinssatz wird i. d. R. auf der Grundlage des landesüblichen Kapitalmarktzinses ermittelt.

     

    Sodann ist die latente Steuerlast zu ermitteln, die sich bei der Veräußerung des Unternehmens ergeben würde, da davon auszugehen ist, dass das Unternehmen veräußert wird.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH 22.11.17, XII ZB 230/17 zu der Frage, ob dann, wenn der Stichtag in einem Wirtschaftsjahr liegt, eine Zwischenbilanz erstellt werden muss oder das gesamte Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden darf
    Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 148 | ID 45110238