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  • · Fachbeitrag · Beschwerdeverfahren

    Haftungsfalle Fristverlängerung

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    Es gehört zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH 20.8.14, XII ZB 155/13, n.v., Abruf-Nr. 142910).

     

    Sachverhalt

    Mit Beschluss, der dem Antragsgegner (Vater) am 21.11.12 zugestellt worden ist, hat das Familiengericht (FamG) ihn verpflichtet, Kindesunterhalt zu zahlen. Hiergegen hat er rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Mit einem am 15.1.13. nach Dienstschluss beim FamG eingegangenen Telefax hat er beantragt, dass die Frist zur Beschwerdebegründung verlängert wird. Die Akte lag zu der Zeit dem Rechtspfleger vor. Am 18.1.13 hat die Abteilungsrichterin des FamG verfügt, die Frist bis zum 8.2.13 zu verlängern. Am 21.1.13 hat die Kanzleiangestellte der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters beim FamG die Auskunft eingeholt, dass die Fristverlängerung gewährt sei. Am selben Tag hat das FamG verfügt, die Akte an das Beschwerdegericht weiterzuleiten, wo sie am 23.1.13 eingegangen ist. Mit Verfügung des Beschwerdesenats ist dem Vater mitgeteilt worden, dass seinem Antrag auf Fristverlängerung nicht stattgegeben werden könne, weil der Antrag erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Am 8.2.13. hat der Vater Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerdebegründung nachgeholt. Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde blieb erfolglos.

     

     

     

    Entscheidungsgründe

    Die gem. § 117 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 FamFG, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 4, § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

     

    Der Vater ist nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (BGH FamRZ 08, 1605).

     

    Frist zur Beschwerdebegründung ist nicht gewahrt

    Der Vater hat die Frist zur Beschwerdebegründung nicht gewahrt. Denn bis zu deren Ablauf am 21.1.13 war weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlängerungsantrag beim Beschwerdegericht eingegangen.

     

    Keine wirksame Fristverlängerung durch Richter des Familiengerichts

    Die Abteilungsrichterin des FamG hat die Frist nicht wirksam verlängert, da über die Verlängerung der Begründungsfrist der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet, § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V. mit § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO.

     

    Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich

    Ebenso zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist nicht schuldlos versäumt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH - auch des Senats - gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH FamFR 11, 370; 13, 17). In einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen, § 117 Abs. 1 S. 2 FamFG. Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Frist, über die der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet. Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Vater nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

     

    An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Anwalt sind hinsichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (BGH FamRZ 11, 100). Er muss klären, welches Gericht zuständig ist. Daher muss er die Rechtsmittelschrift und insbesondere die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten auf ihre Richtigkeit überprüfen (BGH FamFR 13, 17; NJW 11, 683; NJW-RR 10, 1096). Dieselben Maßstäbe gelten für die Rechtsmittelbegründung und den darauf bezogenen Fristverlängerungsantrag. Bei der Unterzeichnung eines solchen Antrags muss der Anwalt den von der Kanzleiangestellten vorbereiteten Entwurf auf seine Richtigkeit, insbesondere auf korrekte Adressierung hin überprüfen.

     

    Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten entfällt nicht dadurch, dass die Richterin des FamG eine Fristverlängerung bewilligt hat und dies der Kanzleiangestellten der Bevollmächtigten auf deren telefonische Nachfrage mitgeteilt worden ist. Der daraus bei der Kanzleiangestellten entstandene Irrtum, der sie letztlich zur Streichung der Frist im Fristenkalender veranlasst hat, lässt die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen. Denn er ist eine schlichte Folgewirkung der von der Verfahrensbevollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung. Auch wenn die Verfahrensbevollmächtigte vor Fristablauf von der Fristverlängerung durch das FamG erfahren hätte, hätte sie auf deren Wirksamkeit nicht vertrauen dürfen.

     

    Kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens

    Die Entscheidung des Beschwerdegerichts verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Ein Rechtsuchender darf darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (BGH FamRZ 12, 1205; 11, 1389). Das ist hier geschehen. Der am 15.1.13. nach Dienstschluss eingegangene Verlängerungsantrag hat der Geschäftsstelle am 16.1.13 vorgelegen. Dies bewegt sich im ordentlichen Geschäftsgang (BGH FamRZ 13, 1384).

     

    Dass die Abteilungsrichterin irrtümlich verfügt hat, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8.2.13 gewährt werde, hat den sonst ordentlichen Geschäftsgang nur um einen Tag verzögert. Ohne diese Verzögerung wäre die Aktenübersendung am Montag, den 21.1.13., von der Geschäftsstelle veranlasst worden. Auch in diesem Fall wäre sie nicht mehr rechtzeitig am selben Tag, an dem auch die Frist ablief, beim OLG eingegangen.

    Praxishinweis

    Die Entscheidung des BGH ist zutreffend. Hier konnte nur der Vorsitzende des Beschwerdegerichts die Frist verlängern, § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V. mit § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO. Insoweit liegt der Fall anders als bei der Fristverlängerung durch den Vorsitzenden eines nicht berufenen Spruchkörpers (BGH NJW 62, 1396, offen gelassen in einem wiederum anders gelagerten Fall BGH NJW 09, 1149). Danach ist die Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung auch rechtsbeständig, wenn sie irrtümlich vom Vorsitzenden eines nach der Geschäftsverteilung nicht berufenen Senats des OLG verfügt wird.

     

    Merke |Selbst wenn sich die Akten mit der Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 117 Abs. 1 FamFG) beim Beschwerdegericht einzureichen. Der Beschwerdeführer muss die notwendigen Formalien der Zulässigkeit der Beschwerde prüfen. Dabei kann er sich nicht mit einer falschen Geschäftsstellenauskunft entlasten, wenn sein Verfahrensbevollmächtigter die Auskunft pflichtwidrig nicht geprüft hat (BGH FamRZ 11, 1389).

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH VersR 98, 1046, zur Versagung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bei nur Mitursächlichkeit von Anwaltsverschulden
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 182 | ID 42973954