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  • · Fachbeitrag · Familienverfahrensrecht

    Fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung schützt Anwalt nicht vor seiner Wissenspflicht

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    • 1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung setzt die Kausalität zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung voraus. Diese kann bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten entfallen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von den bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfahrensrechts und des Rechtsmittelsystems - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (Fortführung von BGH 23.6.10, XII ZB 82/10, FamRZ 10, 1425).
    • 2. Urteilsersetzende Beschlüsse in Ehe- und Familienstreitsachen sind gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG in Verbindung mit § 311 Abs. 2 ZPO durch das Verlesen der Beschlussformel oder durch die Bezugnahme auf diese zu verkünden. Der Nachweis für die erfolgte Verkündung kann in diesen Fällen nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG in Verbindung mit § 165 S. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO nur durch das Protokoll geführt werden.

    (BGH 13.6.12, XII ZB 592/11, FamRZ 12, 1287, Abruf-Nr. 122177)

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um die Zahlung von Kindesunterhalt. Am 31.5.11 hat vor dem AG die letzte mündliche Verhandlung stattgefunden. Das Sitzungsprotokoll schließt mit der Ankündigung, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergehen soll. Abgeheftet in der Gerichtsakte befindet sich ein vom Familienrichter unterschriebener Beschluss, durch den der Antragsgegner V verpflichtet wurde, rückständigen und laufenden Kindesunterhalt an den Antragsteller K zu zahlen. Der Entscheidung, die ausweislich eines auf der Urschrift befindlichen, nicht unterschriebenen Geschäftsstellenvermerks am 31.5.11 durch Verlesen der Beschlussformel erlassen worden sein soll, enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung. Hiernach können die Beteiligten durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle persönlich Beschwerde einlegen, auch wenn das Beschwerdeverfahren im Übrigen dem Anwaltszwang unterliegt.

     

    Der Beschluss wurde dem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des V am 15.7.11 zugestellt. Am 28.7.11 ging beim AG eine privatschriftliche Beschwerdeschrift des V ein, mit der er sich auf seine Leistungsunfähigkeit beruft. Das OLG wies durch Verfügung vom 9.9.11 darauf hin, dass die Einlegung der Beschwerde in selbstständigen Familienstreitsachen nicht vom Anwaltszwang ausgenommen und die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei. Es legte V nahe, sein unzulässiges Rechtsmittel zur Vermeidung einer Verwerfung binnen zwei Wochen zurückzunehmen. Mit Beschluss vom 17.11.11 verwarf das OLG die Beschwerde als unzulässig, weil die Beschwerde nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist.