· Fachbeitrag · Rechtsmittel
Bestellung eines Verfahrensbeistands durch den Rechtspfleger: Wie Sie richtig dagegen vorgehen
von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch
| Bestellt in einer Kindschaftssache ein Rechtspfleger einen Verfahrensbeistand, findet gegen diese Entscheidung die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statt. Dies hat der BGH aktuell entschieden. |
Sachverhalt
Der Antragsteller (Vater V) wendet sich gegen die Bestellung eines Verfahrensbeistands in einer Kindschaftssache durch den Rechtspfleger. Die Antragsgegnerin (M) ist die Mutter des 2003 geborenen Sohnes (S). Der V hat Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des gemeinsamen Kindes beantragt. Mit Beschluss hat die Rechtspflegerin für das Kind eine Anwältin zum berufsmäßigen Verfahrensbeistand bestellt und ihr die weitere Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie an einer einvernehmlichen Regelung des Verfahrensgegenstands mitzuwirken. Dagegen hat der V fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit Beschluss hat der Richter die Erinnerung mit der Begründung zurückgewiesen, der Beschluss sei gem. § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG nicht selbstständig anfechtbar. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde war dagegen erfolgreich (BGH 22.3.17, XII ZB 391/16, Abruf-Nr. 193412).
Entscheidungsgründe
Statthaft ist die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, weil der Rechtspfleger über die Bestellung des Verfahrensbeistands entschieden hat. Die Erinnerung ist statthaft, wenn gegen Entscheidungen des Rechtspflegers kein Rechtsmittel nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften gegeben ist. Die Rechtspfleger-Erinnerung ist immer eröffnet, wenn die Entscheidung, hätte sie ein Richter erlassen, im konkreten Fall unanfechtbar wäre, etwa weil von vornherein kein statthaftes Rechtsmittel gegeben ist oder ein statthaftes Rechtsmittel aus anderen Gründen unzulässig ist.
Ausnahme: Dies gilt nicht für gerichtliche Verfügungen des Rechtspflegers, die nach den dafür geltenden Bestimmungen wirksam geworden sind und nicht mehr abgeändert werden können. Deren Unanfechtbarkeit beruht darauf, dass Dritte auf den Bestand der Verfügung vertrauen und sie deshalb nicht mehr abgeändert werden kann.
Die Voraussetzungen der Statthaftigkeit nach § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG sind erfüllt. Nach § 158 Abs. 2 S. 4 FamFG ist in einer Kindschaftssache die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme nicht selbstständig anfechtbar. Das bedeutet, dass ein Rechtsmittel gegen die Bestellung nicht statthaft wäre, wenn ein Richter sie angeordnet hätte.
Die Ausschlussregelung des § 11 Abs. 3 RPflG greift nicht, weil die Bestellung des Verfahrensbeistands gem. § 158 Abs. 5 FamFG jederzeit aufgehoben werden kann, wenn die Interessen des Kindes von einem Anwalt oder einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden.
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG. Nach Art. 19 Abs. 4 GG muss ein möglichst lückenloser Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt gegeben sein. Dazu gehört auch, dass eine Entscheidung des Rechtspflegers rechtlich und tatsächlich der richterlichen Prüfung unterstellt werden muss.
Folgende Ansicht ist abzulehnen: Die Bestellung eines Verfahrensbeistands greife nicht in die Rechte der Eltern ein und eine Beeinträchtigung ergebe sich nur im Hinblick auf das wirtschaftliche Risiko, ggf. an den Kosten der Verfahrensbeistandschaft beteiligt zu werden.
Grund: Im Hinblick auf die Aufgabenwahrnehmung des Verfahrensbeistands wird durchaus in die elterliche Sorge nach § 1626 BGB eingegriffen. Denn der Verfahrensbeistand hat die Aufgabe, das subjektive und objektive Interesse des Kindes zu ermitteln und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Die umfassende Wahrnehmung sämtlicher Belange und Interessen des Kindes ist im Grunde Bestandteil der elterlichen Sorge, sodass in dieses Elternrecht eingegriffen wird. Außerdem verstärkt sich der Eingriff in das Elternrecht auch dadurch, dass dem Verfahrensbeistand ‒ wie hier ‒ zusätzliche Aufgaben übertragen werden, nämlich Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung mitzuwirken.
Die Entscheidung ist dennoch nicht selbstständig anfechtbar. Denn der Verfahrensbeistand ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes, sodass letztlich der Eingriff in das Elternrecht möglichst gering gehalten wird. Dies führt im Ergebnis dazu, dass das Elternrecht durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt beeinträchtigt wird, sodass die betroffenen Eltern die Entscheidung des Rechtspflegers gerichtlich überprüfen lassen können.
Relevanz für die Praxis
Mit gleichen Erwägungen dürfte auch eine Rechtspfleger-Entscheidung im vereinfachten Unterhaltsverfahren zu beurteilen sein. Gem. § 256 FamFG kann die Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss nicht auf Einwendungen gestützt werden, die nach § 252 Abs. 2 FamFG nicht erhoben worden waren, bevor der Festsetzungsbeschluss verfügt war. Das bedeutet, dass die Beschwerde insoweit unzulässig ist. Auch in diesem Fall müsste eine Rechtspfleger-Erinnerung nach § 11 RPflG gegeben sein.
Weiterführender Hinweis
- FK 17, 92 auch zu dieser Entscheidung