Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Zulassung des Rechtsmittels

    Nichterreichen der Beschwer

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Hat das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil es von einer über 600 EUR liegenden Beschwer ausgegangen ist, und hat das Berufungsgericht diese Entscheidung nachgeholt, weil es von einer geringeren Beschwer ausgegangen ist (vgl. Senatsbeschlüsse FamRZ 10, 964 und 11, 882), kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO zutreffend beurteilt hat und eine Zulassung der Berufung geboten gewesen wäre (BGH 26.10.11, XII ZB 561/10, MDR 11, 1494, Abruf-Nr. 114001).

    Sachverhalt

    Die Klägerin ist auf die Widerklage des Beklagten durch Teilurteil des AG zur Auskunftserteilung verurteilt worden. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das OLG hat den Wert des Streitgegenstands für die Berufungsinstanz auf bis zu 600 EUR festgesetzt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die erfolglose Rechtsbeschwerde der Klägerin.

     

    Entscheidungsgründe

    Für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung ist das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Es ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den das OLG zutreffend mit bis zu 600 EUR festgesetzt hat.

     

    Das OLG muss vor Verwerfung der Beschwerde mangels ausreichender Beschwer eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung zuzulassen, weil es eine höhere Beschwer der unterlegenen Partei angenommen hat. Hier hat das OLG die nachträgliche Zulassung abgelehnt. Das Rechtsbeschwerdegericht kann gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO nicht überprüfen, ob die Zulassung der Berufung geboten gewesen wäre.

     

    Praxishinweis

    Es darf nicht geprüft werden, ob die Zulassung der Berufung geboten war. Fraglich ist, warum die Nachholung der Entscheidung des AG durch das Berufungsgericht zulässig ist. Das OLG wäre daher gem. § 511 Abs. 4 ZPO ebenso an die Zulassung der Berufung durch das AG gebunden. Wenn damit das AG eine nichtüberprüfbare Entscheidung treffen muss, erscheint es bedenklich, dass das Beschwerde- bzw. Rechtsbeschwerdegericht eine Entscheidung nachholen darf, an die es gebunden wäre, wenn das an sich zuständige Gericht diese getroffen hätte. Dies ist unserem Rechtssystem fremd. Daher dürfte hier nur in Betracht kommen, die Sache an das AG zurückzugeben, um die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde bzw. Berufung nachzuholen. Statt § 511 Abs. 4 ZPO gilt in Ehe- und Familienstreitsachen allerdings der gleichlautende § 61 Abs. 3 FamFG.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2012 | Seite 30 | ID 31091480