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  • · Fachbeitrag · Abstammungsrecht

    Gleichgeschlechtliche Mit-Mutter ist kein Vater

    von RA Dr. Marko Oldenburger, FA Familienrecht und FA Medizinrecht, Hamburg und Hannover

    | Das OLG Celle hält § 1592 BGB für verfassungswidrig, da nach dessen Wortlaut nur Männer Väter sein können. |

     

    Sachverhalt

    Ein gleichgeschlechtliches Ehepaar erfüllte sich den Kinderwunsch mittels Embryonenspende. Sie beantragten erfolglos beim Familiengericht, die Ehefrau der Mutter als Mit-Mutter dergestalt festzustellen, dass zwischen ihr und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehe. Das OLG sieht keine Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung von § 1592 Nr. 1 BGB und legt dem BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 ff. BVerfGG die Frage vor, ob die fehlenden abstammungsrechtlichen Regelungen für eine zweite Elternstelle bei gleichgeschlechtlichen Ehen oder Partnerschaften Grundrechte verletzen.

     

    • 1. § 1592 BGB ermöglicht nicht die abstammungsrechtliche Zuordnung eines zweiten Elternteils, wenn ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen geboren wird, und ist aus diesem Grund mit Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
    • 2. Zugleich ist das Grundrecht des betroffenen Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt.
    • 3. Eine (verfassungskonforme) Auslegung oder analoge Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB zur Begründung einer Mit-Mutterschaft ist nicht möglich, da der aus der abstammungsrechtlichen Systematik erkennbare gesetzliche Wertungsplan, der für die Vaterschaft als zweiter Elternstelle eine genetische Abstammung zugrunde liegt, auf eine gleichgeschlechtliche Ehe oder Partnerschaft nicht übertragbar ist (im Anschluss an BGH FamRZ 18, 1919 = NJW 19, 153).
    • 4. Vom personellen Schutzbereich des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist nach Auffassung des Senats auch die Ehefrau der Mutter des Kindes erfasst, weil sich die zentralen Begründungselemente der (verfassungsrechtlichen) Elternschaft bei natürlicher Zeugung auf gleichgeschlechtliche Ehegatten oder Partner übertragen lassen. Denn sie schenken durch ihre Erklärungen im Rahmen der Reproduktionsbehandlung dem daraus hervorgegangenen Kind das Leben und dokumentieren zugleich und dass sie für dieses dauerhaft und verlässlich Verantwortung tragen wollen.

    (Abruf-Nr. 221958)

     

    Entscheidungsgründe

    Vater eines Kindes ist nach § 1592 Nr. 1 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Mutter ist stets die Frau, die es geboren hat, § 1591 BGB. Kommt ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe zur Welt, schließt diese Norm eine „Vaterschaft“ der Ehefrau nach dessen Wortlaut aus. Umstritten ist, ob insoweit eine direkte oder analoge Anwendung in Betracht kommt (Binder/Kiehnle, NZFam 17, 742; Engelhardt, NZFam 17, 1042).

     

    MERKE | Die Abstammungsregeln lassen eine Eltern-Kind-Zuordnung nur dergestalt zu, als zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts als Eltern rechtlich anzuerkennen sind (BGH FamRZ 18, 290; BVerfG FamRZ 03, 816). Obschon die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich anerkannt ist, ist damit nicht auch eine homogene Sicherung des Abstammungsrechts verbunden. Es kommt weder eine direkte noch eine analoge Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB auf eine zweite Elternstelle (z. B. Mit-Mutter) in Betracht. Der BGH argumentiert wie folgt (BGH RNotZ 19, 89):

     

    Das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, wenn der Mit-Mutter der rechtliche Elternstatus trotz rechtskräftiger Ehe mit der Kindesmutter versagt wird (BGH RNotZ 19, 89). Der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht berührt. Auch ist das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht verletzt. Denn die Ehefrau ist nicht Elternteil des Kindes. Vielmehr will sie diesen Status erst erlangen. Darüber hinaus ist auch aus dem Persönlichkeitsrecht des Kindes eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, ihm durch das Abstammungsrecht eine leiblich nicht verwandte Person als Elternteil zuzuordnen, nicht ableitbar. Dies gilt auch, wenn diese Person bereit und in der Lage ist, Elternverantwortung zu übernehmen. Schließlich ist auch keine Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG vorhanden, da es einen sachlichen Grund für die Unterscheidung von Ehe und Ehewirkungen auf der einen und Abstammung auf der anderen Seite gibt.

     

    Das OLG Celle sieht dagegen die Grundrechte des Kindes und der Ehefrau der Mutter aus Art. 3 Abs. 1 GG als verletzt an (so auch KG 24.3.21, 3 UF 1122/20). Eine Elternstellung könne nicht allein auf genetisch biologischen Vorgaben beruhen. Das BVerfG habe verdeutlicht, dass es ein Elternrecht ohne Pflichtentragung gegenüber dem Kind aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht geben könne (BVerfG NJW 03, 2151, 2153). Zwar könne durch den für die Entstehung des Kindes maßgeblichen gemeinsamen Beitrag der Eltern hinsichtlich des Schutzbereichs von Art. 6 GG nicht auf das Entstehen einer Beziehung zwischen Ehefrau und Kind abgestellt werden. Dies sei aber anders zu beurteilen, wenn die Erklärungen der Wunscheltern Grundlage und notwendige Voraussetzung für die Entstehung des Kindes seien (OLG Celle NZFam 21, 352, 363). Die durch Abstammung begründete verfassungsrechtliche Elternschaft könne auch durch ein (gleichwertiges) voluntatives Element, also einen Willen zur Elternschaft und Übernahme von Verantwortung, begründet werden: Der Zeugung des Kindes komme eine existenzielle Bedeutung zu, die verfassungsrechtlich relevant sei (Oldenburger, NZFam 20, 985).

     

    Das OLG sieht daher, wie das KG, eine verfassungsrechtlich begründete Handlungspflicht des Gesetzgebers, eine gesetzliche Ausgestaltung hinsichtlich der Begründung und des Inhalts der Elternstellung Gleichgeschlechtlicher zu schaffen. Das Grundrecht des Kindes und der Ehefrau aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG seien verletzt. Nach Einführung der Eheschließung Gleichgeschlechtlicher und der Homogenisierung mit der heterosexuellen Ehe seien die Vergleichsgruppen neu zu bilden. Spezifische Zuordnungskriterien der jeweiligen Elternschaft, wenn gegenübergestellt, rechtfertigten keine Ungleichbehandlung der zweiten Elternstelle mehr.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die überzeugenden Ausführungen des OLG Celle werden das BVerfG voraussichtlich auch zu einer Positionierung im Hinblick auf die seit vielen Jahren diskutierte Reform des Abstammungsrechts veranlassen.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 120 | ID 47364617