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  • · Fachbeitrag · Elternzeit

    Zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

    von Rechtsanwältin Andrea Worch, Bonn

    Der Arbeitnehmer hat während der Gesamtdauer der Elternzeit Anspruch auf zweimalige Verringerung seiner Arbeitszeit. Die durch eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeigeführten Elternzeitregelungen sind nicht auf diesen Anspruch anzurechnen (BAG 19.2.13, 9 AZR 461/11, MDR 13, 1048, Abruf-Nr. 130654).

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit während der Elternzeit. Die Klägerin war bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt. Nach der Geburt ihres Kindes am 5.6.08 beanspruchte sie bis zum 4.6.10 Elternzeit. Auf ihren schriftlichen Antrag hin vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin für den Zeitraum vom 1.1.09 bis zum 31.5.09 auf 15 Stunden pro Woche und für den Zeitraum vom 1.6.09 bis zum 4.6.10 auf wöchentlich 20 Stunden. Mit weiterem Schreiben nahm die Klägerin bis zum 4.6.11 erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte die Beibehaltung der wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und deren Verteilung auf bestimmte Zeiträume. Die Beklagte lehnte dies ab. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin dagegen war erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Einvernehmliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 5 BEEG) sind nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 6 BEEG anzurechnen. Der Anspruch der Klägerin auf Verringerung und die von ihr gewünschte Verteilung der Arbeitszeit folgt aus § 15 Abs. 6 i.V. mit Abs. 7 BEEG. Das Konsensverfahren gemäß § 15 Abs. 5 BEEG und das Anspruchsverfahren nach § 15 Abs. 6 i.V.m. Abs. 7 BEEG sind streng voneinander zu unterscheiden. Dies geht bereits aus den unterschiedlichen Wortlauten hervor: Nach § 15 Abs. 5 BEEG kann der Arbeitnehmer die Verringerung der Arbeitszeit beantragen, während er nach § 15 Abs. 6 i.V. mit Abs. 7 BEEG die Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen kann.

     

    Hier führt der Umstand, dass die Parteien für die Zeiträume vom 1.1.09 bis zum 31.5.09 und vom 1.6.09 bis 4.6.10 die Verringerung der Arbeitszeit und deren Ausgestaltung im Konsensverfahren gemäß § 15 Abs. 5 BEEG vereinbarten, nicht zur Erfüllung des Anspruchs auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Gesamtdauer der Elternzeit. Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 15 BEEG. Der Anspruch auf Teilerwerbstätigkeit während der Elternzeit beruht auf folgendem Bestreben: Den Eltern soll der notwendige und grundgesetzlich geschützte Freiraum eingeräumt werden, um ihr Kind zu betreuen und zu erziehen (Art. 6 Abs. 2 GG), ohne den Anschluss an den Beruf zu verlieren. Zu Beginn der Elternzeit sind für Eltern der jeweilige Betreuungsbedarf und die Möglichkeit etwaiger Fremdbetreuung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nur begrenzt vorhersehbar und planbar. Eltern sollte deshalb eine familiengerechte flexible Handhabung der Verringerung der Arbeitszeit ermöglicht werden (vgl. BAG NJW 06, 3595). Diesem gesetzgeberischen Ziel widerspräche es, den gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzbaren Rechtsanspruch aus § 15 Abs. 6 BEEG dadurch einzuschränken, dass auch eine freiwillige Einigung im Konsensverfahren über die Verringerung der Arbeitszeit angerechnet wird.

     

    Praxishinweis

    Während diese Entscheidung die Arbeitnehmer erfreuen dürfte, stellt sich das Urteil für die Arbeitgeber als neue Stolperfalle dar. Einigen sie sich über die Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit und wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Teilzeitarbeit dadurch nicht verbraucht, zieht dies für den Arbeitgeber weitreichende Konsequenzen nach sich. Der sich einigende Arbeitgeber stellt sich damit selbst schlechter als im Fall der Nichteinigung. Hinzu kommt ein voraussichtlich erheblicher Mehraufwand die Personalplanung betreffend, insbesondere in Bezug auf den Vertretungsbedarf durch den die Elternzeit nehmenden Arbeitnehmer.

     

    Arbeitgeber sollten genau darauf achten, ob der Arbeitnehmer mit seinem Vorbringen einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit stellt oder aber, ob er den Anspruch geltend macht. Diese Unterscheidung dürfte m.E. das größte Problem darstellen. Das BAG hat ausgeführt: „Die Geltendmachung eines Verringerungsanspruchs nach § 15 Abs. 6 BEEG setzt zudem nicht voraus, dass der Arbeitnehmer gemäß § 15 Abs. 7 S. 5 BEEG Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen erhoben hat und der Arbeitgeber zur Annahme des Verringerungsangebots des Arbeitnehmers verurteilt worden ist. Einigen sich die Arbeitsvertragsparteien nicht im Konsensverfahren, sondern erst nach der Geltendmachung des Verringerungsanspruchs gemäß § 15 Abs. 6 BEEG, ist diese im Anspruchsverfahren erzielte Einigung über die Arbeitszeitverringerung auf den Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen.“ Danach bleibt offen, ab wann das Konsensverfahren gescheitert ist und ab wann der Verringerungsanspruch nach § 15 Abs. 6 BEEG greifen soll. Ob z.B. die Anrechnungsfähigkeit letztlich vom Ablauf der Vier-Wochen-Grenze des § 15 Abs. 5 S. 2 BEEG abhängig gemacht werden könnte, ist fraglich, da es sich um eine „Soll“-Bestimmung handelt.

     

    Arbeitgebern, die nicht bereit sind, eine mehr als zweimalige Verringerung der Arbeitszeit von Elternzeit beanspruchenden Arbeitnehmern in Kauf zu nehmen, kann derzeit nur geraten werden, Teilzeitanträge entweder gänzlich abzulehnen oder diesen ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt nachzukommen, dass damit der gesetzliche Anspruch erfüllt werde und keine Einigung gemäß § 15 Abs. 5 BEEG erfolge.

     

    Weiterführende Hinweise

    • AA 11, 74, zu Regeln bei Mutterschutz und Elternzeit
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 188 | ID 42297183