· Fachbeitrag · Kindschaftssachen
Sorge- und Umgangsrecht: So bemisst sich die Einigungsgebühr beim einheitlichen Vergleich
von RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Mediatorin, CP-Anwältin, Neumann & Neumann, Konstanz
| Bei einem Vergleich zum Sorge- und Umgangsrecht fällt nur eine Einigungsgebühr an, wenn dieser in einem gemeinsamen Erörterungstermin zustande kommt und einheitlich protokolliert wird. Das hat das OLG Celle entschieden. Der Beitrag erläutert, wie Anwälte ihr Gebührenaufkommen gleichwohl optimieren können. |
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten waren Verfahren wegen Umgangs- und Sorgerecht rechtshängig. Ihnen wurde VKH in beiden Verfahren bewilligt. Das Familiengericht verhandelte beide Verfahren zusammen und erstreckte in dem protokollierten Beschluss die bewilligte VKH auf die in diesem Termin getroffene einheitliche Vereinbarung zum Sorge- und Umgangsrecht, setzte den Verfahrenswert je Verfahren auf 4.000 EUR fest und bestimmte, dass je Verfahren eine Einigungsgebühr anfallen soll, so wie dies bei einer getrennten Verhandlung der Fall sei. Die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters (VB) beantragte in beiden Verfahren jeweils, ihre Vergütung als beigeordnete Anwältin festzusetzen, wobei sie pro Verfahren eine Einigungsgebühr beantragte. Es wurde nur für das Sorgerechtsverfahren eine Einigungsgebühr festgesetzt. Die dagegen eingelegte Erinnerung sowie die spätere sofortige Beschwerde blieben erfolglos (OLG Celle 10.7.23, 21 WF 78/23, Abruf-Nr. 238768).
Entscheidungsgründe
Der Begriff des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit in § 2 Abs. 1 RVG ist vom gebührenrechtlichen Begriff der Angelegenheit gem. §§ 16 ff. RVG zu unterscheiden. Unterschiedliche Gerichtsverfahren stellen zwar gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten dar, sodass für jedes Verfahren die Anwaltsgebühren gesondert anfallen, da gem. § 22 Abs. 1 RVG nur in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet werden. Etwas anderes gilt aber für die Einigungsgebühr, wenn ein einheitlicher Vertrag vorliegt, Nr. 1000 VV RVG. Gem. § 779 Abs. 1 BGB ist auch ein Vergleich ein Vertrag. Ein Gesamtvergleich ist daher auch ein einheitlicher Vertrag. Es handelt sich dabei nicht um zwei selbstständige Verträge. Es kommt hierbei entscheidend auf die einheitliche Form, den engen objektiven sachlichen Zusammenhang sowie die gemeinsame Erörterung an. Bei einer einheitlichen Regelung zum Sorge- und Umgangsrecht liegen diese Voraussetzungen i. d. R. vor, da die eine Vereinbarung nicht ohne die andere zustande gekommen wäre. In diesem Fall entsteht gem. § 22 Abs. 1 RVG die Einigungsgebühr aus einem Wert von 8.000 EUR und nicht zwei Einigungsgebühren aus einem Wert von je 4.000 EUR.
Daran ändert sich auch nichts, wenn die Verfahrensbevollmächtigten im Termin keinen einheitlichen Vergleich wünschen, da dies ausschließlich in ihrem Interesse liegt. Dies verstößt gegen die Pflicht, sparsam Verfahren zu führen. Auch das Gericht kann im Protokoll nicht über gesetzliche Gebühren disponieren, sodass auch ein entsprechender Zusatz im Beschluss nicht dazu führt, dass zwei Einigungsgebühren entstünden.
Ein einheitlicher Vergleich liegt auch vor, wenn der Form nach zwei Vergleiche protokolliert oder durch Beschluss festgestellt worden sind. Das Gericht kann lediglich gem. § 45 Abs. 3 FamGKG im Rahmen seines Ermessens nach den besonderen Umständen des Einzelfalls den Verfahrenswert für die Verfahrens- und Terminsgebühr hinaufsetzen. Die besonderen Umstände des Einzelfalls können der Umfang der Angelegenheiten sowie die Schwierigkeit der Angelegenheiten sein. Diese wiederum könnten resultieren aus
- einer schwierigen Sachverhaltsaufklärung,
- einem umfangreichen Sachverständigengutachten,
- der Zahl und der Dauer der Anhörungstermine sowie
- dem Konfliktpotenzial der Beteiligten.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Celle lässt dem Anwalt keine Möglichkeit, bei einem Vergleich zum Sorge- und Umgangsrecht jeweils eine Einigungsgebühr zu bekommen, wenn dieser in einem gemeinsamen Erörterungstermin zustande kommt und einheitlich protokolliert wird. Der Anwalt kann lediglich das Gericht bitten, höhere Verfahrenswerte für die Verfahrens- und Terminsgebühr festzusetzen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Auch das OLG Koblenz hat einen Gesamtvergleich bei einem Vergleich angenommen, der im Hauptsacheverfahren und im einstweiligen Anordnungsverfahren über Unterhalt geschlossen wurde (FamRZ 08, 1969). Es handle sich zwar um verschiedene Angelegenheiten, sodass die Anwaltsgebühren gesondert anfielen und keine Zusammenrechnung nach § 22 Abs. 1 RVG stattfinde. Dies gelte aber nicht für einen gemeinsamen Vergleich in beiden Verfahren. Die Einigungsgebühr falle nur einmal aus den addierten Werten an.
Anders hat dies das OLG Düsseldorf in dem Fall gesehen, in dem kein Gesamtvergleich, sondern zu jedem einzelnen Verfahren ein gesonderter Vergleich geschlossen wurde (OLG Düsseldorf FamRZ 21, 1311). Es bestehe keine normative Grundlage dafür, den in einem einzelnen Verfahren geschlossenen Vergleich unter Verweis auf einen Zusammenhang mit anderen Verfahren nicht nach Maßgabe des Gegenstandswerts dieses Verfahrens zu vergüten. Allein das Kriterium der Verhandlung an einem Terminstag ‒ „zeitlicher Zusammenhang“ ‒ sei ungeeignet, weil die Beteiligten keinen Einfluss auf die Terminierung des Gerichts hätten. Auch verstoße das Kriterium des „sachlichen Zusammenhangs“ gegen die Systematik des Familienrechts, wonach klar zwischen beiden Verfahren differenziert werden müsse.
PRAXISTIPP | Da die Chance besteht, dass das Gericht, bei dem man VKH abrechnet, dem OLG Düsseldorf folgt, empfiehlt sich, in jedem Verfahren jeweils einen Vergleich protokollieren zu lassen. Beide Vergleiche sollten inhaltlich unterschiedlich sein. Es sollte daher in jedem Verfahren gesondert geregelt werden, was die Eltern z. B. beim Umgang oder beim Sorgerecht beachten müssen. Auf jeden Fall sollte man aber, wenn die Voraussetzungen vorliegen, das Gericht bitten, die Verfahrenswerte in Umgangs- und Sorgerechtsverfahren höher festzusetzen. |