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  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    das OLG Karlsruhe (30.4.24, 5 WF 31/24) hat sich mit der Reform des Vormundschaftsrechts beschäftigt und die Ziele des Gesetzgebers umgesetzt, wonach dem Willen der Betroffenen ein hoher Stellenwert einzuräumen ist.

     

    Gegenstand des Verfahrens war die Ersetzung einer Vormundschaft für zwei 14 und 15 Jahre alte Jugendliche, die vier zwischenzeitlich volljährige Geschwister hatten. Der Vater war vorverstorben. Die Mutter (M) stand unter Betreuung. Die Kinder lebten im Haushalt der M und besuchten die Förderschule. Ein Kind sollte im folgenden Sommer seinen Schulabschluss machen, musste sich jedoch wegen Ladendiebstahl verantworten. Für das andere Kind bestand seinerzeit ein Schulausschluss. Nach dem Entzug der elterlichen Sorge der M für die Minderjährigen wurden zwei der volljährigen Geschwister zu gemeinschaftlichen Vormündern für diese bestellt. Aufgrund der Gesetzesänderung zum 1.1.23 konnten sie die Vormundschaft aber nicht mehr gemeinschaftlich führen. Das Jugendamt (JA) regte an, für beide Kinder einen Berufsvormund zu bestellen. Es sah die bisherigen Vormünder als nicht geeignet an. Dem schloss sich das AG Freiburg (27.2.24, 701 F 848/18) im Ergebnis an. Dies, obgleich die Kindesanhörung ergeben hatte, dass sie ihre Geschwister weiterhin als Vormund bestellt haben wollten. Die Bestellung eines Berufsvormunds lehnten sie ab.

     

    Auf die Beschwerden der Vormünder entschied das OLG, dass sie, wenn auch nur eingeschränkt, geeignet seien, die Vormundschaft weiter auszuüben. Die Abwägung ergäbe, dass die Zeitdauer von circa 10 Jahren der gelebten Vormundschaft dagegenspreche, ihnen eine grundsätzliche Geeignetheit abzusprechen. Die Schwere der Vorfälle sei nicht dazu geeignet, sie von ihrer Tätigkeit zu entbinden. Daran ändere auch eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Sexualstraftat gegenüber erwachsenen Opfern des einen Vormunds ebenso wenig wie mangelnde Kooperationsbereitschaft mit dem Hort oder dem JA. Ausschlaggebend dürfte die Einschätzung des neuen Berufsvormunds gewesen sein. Er hatte im Anhörungstermin dargelegt, dass ihn die gesamte Familie uneingeschränkt ablehne. Eine Zusammenarbeit sei unmöglich.

     

    Das Gericht bestätigte unter Abwägung im Lichte des durch Art. 6 GG gewährleisteten Schutzes der Familie und des § 1779 BGB n. F. im Hinblick auf das enge und vertrauensvolle Verhältnis zwischen den Geschwistern die Bestellung der bisherigen Vormünder. Allerdings hat das OLG jeweils Einzelvormundschaften angeordnet. Es bedürfe zwar besonderer Gründe, um unterschiedliche Personen für Geschwister zu bestellen. Diese ergäben sich etwa aus deren unterschiedlichen Interessen. Auch der Wille und die persönlichen Bindungen eines Minderjährigen stellten besondere Gründe i. d. S. dar. Mangels akuter Kindeswohlgefährdung wurde der bisherige Status quo aufrechterhalten, aber unter Hilfestellung mittels einer Erziehungsbeistandschaft.

     

    Nicht nur hier gilt: Vertrauen ist offensichtlich doch besser als Kontrolle …

     

    Ihre Judith Krämer

    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 2 | ID 49792707