· Fachbeitrag · Gesetzesänderung
Umgangsrecht leiblicher, nicht rechtlicher Väter
von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
| Am 13.7.13 ist das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, in Kraft getreten (BGBl. I, 2176). Ziel des Gesetzes ist die Erweiterung der bisher stark eingeschränkten Möglichkeit eines sogenannten biologischen Vaters, der am Umgang mit seinem Kind oder zumindest an einer Auskunft über dessen persönliche Verhältnisse interessiert ist. Maßstab ist stets das Kindeswohl. Daher ist es wichtig zu wissen, wie sich dieses bestimmt. Der folgende Beitrag gibt Aufschluss. |
1. Bisherige Rechtslage
Seit der Entscheidung des BVerfG vom 9.4.13 (FamRZ 03, 816) stand einem leiblichen (biologischen) Vater, der nicht mit der Mutter verheiratet war und die Vaterschaft anerkannt hatte, gemäß § 1685 Abs. 2 BGB ein Umgangsrecht zu, sofern eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind bestand. Der Vater musste also eine enge Bezugsperson für das Kind sein, und der Umgang musste dem Kindeswohl dienen (BGH FamRZ 05, 705). Nicht ausreichend war, dass eine bereits beendete Beziehung neu begründet werden sollte (BVerfG FamRZ 00, 413). Ließen die rechtlichen Eltern keinen Umgang zu, weshalb der leibliche Vater keine Beziehung herstellen konnte, blieb dieser vom Umgangsrecht ausgeschlossen - ohne Prüfung des Kindeswohls. Anlass der Neuregelung waren zwei Entscheidungen des EGMR (Anoyo/BRD FamRZ 11, 269; Schneider/BRD FamRZ 11, 1717), in denen die fehlende Prüfung des Kindeswohls gerügt wurde. Der EGMR hat hierin einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK, der auch faktische familiäre Bindungen schütze, gesehen. Erfasst werde ein beabsichtigtes Familienleben, wenn der Umstand des Nichtherstellens nicht dem umgangsbegehrenden biologischen Vater zuzurechnen sei. Ausschlaggebend sei, ob der Vater ein nachweisbares Interesse am Kind vor/nach dessen Geburt gezeigt habe.
2. Gesetzliche Neuregelung im Überblick
Mit § 1686a BGB hat der Gesetzgeber eine eigenständige Norm geschaffen, um den Status des Anspruchs als Sonderregelung deutlich zu machen. Ein Recht auf Umgang des leiblichen Vaters, der Interesse am Kind gezeigt hat, besteht, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Der neu geschaffene Auskunftsanspruch ist schon begründet, wenn eine Auskunft dem Kindeswohl nicht widerspricht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters gelten § 1684 Abs. 2 und 4 BGB entsprechend. Eine Umgangspflegschaft kann nur nach § 1666 BGB eingerichtet werden, setzt also eine Kindeswohlgefährdung voraus. Ein eigenes Umgangsrecht des Kindes besteht nicht. Gesetzlich klargestellt ist, dass Auskunftsverfahren nach § 1686, § 1686a Abs. 1 Nr. 2 BGB Kindschaftssachen sind (§ 151 Nr. 2 FamFG). Die Zuständigkeitsregel in § 1686 S. 2 BGB a.F. wurde aufgehoben. § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 FamGKG enthalten gebührenrechtliche Regeln.
3. Anspruchsvoraussetzungen
Ein Umgangs-/Auskunftsrecht besteht unabhängig vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen.
a) Vorhandensein eines rechtlichen Vaters
Es muss ein rechtlicher Vater vorhanden sein. Bei erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch einen Anfechtungsberechtigten erlöschen Ansprüche nach § 1686a BGB. Dann muss ein umgangsbegehrender leiblicher Vater seine Feststellung als leiblicher Vater betreiben. Steht ein rechtlicher Vater nicht fest, ist der leibliche Vater auf die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft sowie alle sich aus §§ 1684, 1686 BGB ergebenden Rechte und Pflichten zu verweisen. Er soll sich nicht mit einer „Elternschaft light“ begnügen können. Damit kann auch ein biologischer Vater, der die Möglichkeit der Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2, § 1600 Abs. 2 BGB) nicht genutzt hat, ein Umgangsrecht erstreiten. Die Gesetzesbegründung weist jedoch darauf hin, dass ein leiblicher Vater im Interesse des Kindes, seinen rechtlichen Vater nicht zu verlieren, nicht verpflichtet ist, die rechtliche Vaterschaft zu erstreiten.
b) Leibliche Vaterschaft des Antragstellers
Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die leibliche Vaterschaft des Mannes, der nicht rechtlicher Vater ist, inzidenter im Umgangsrechtsverfahren zu klären. Dies war bisher nur im Unterhaltsrecht und dort auch nur im Verhältnis der Erwachsenen zueinander möglich (BGH FamRZ 12, 779). Der (mutmaßliche) leibliche Vater hat nach § 167a FamFG an Eides Statt zu versichern, dass er der Kindesmutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat. Im Hinblick auf eine Entscheidung des BGH vom 15.5.13 (FF 13, 299) ist allerdings problematisch, wer alles als leiblicher Vater anzusehen ist. Unproblematisch ist leiblicher Vater jeder Mann, der leiblicher Vater des Kindes aufgrund der Beiwohnung ist. Nach der vorgenannten BGH-Entscheidung ist als leiblicher Vater aber gegebenenfalls auch der Mann anzusehen, der Samen zur künstlichen Befruchtung zur Verfügung gestellt hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein anderer Mann eine Einwilligung in die Samenspende mit dem Ziel seiner späteren rechtlichen Vaterschaft erklärt hat, § 1600 Abs. 5 BGB. Es steht im Ermessen des Familiengerichts, ob es zunächst die leibliche Vaterschaft oder die anderen Voraussetzungen eines Anspruchs prüft.
c) Ernsthaftes Interesse des leiblichen Vaters am Kind
Als mögliche Anhaltspunkte für ein Interesse nennt der Gesetzgeber:
- Begleiten der Mutter zu Vorsorgeuntersuchungen oder der geäußerte Wunsch eines Begleitens und das Zeigen von Interesse am Ergebnis,
- Begleiten der Mutter zur Entbindung/der geäußerte Wunsch hierzu,
- Kennenlernen des Kindes alsbald nach der Geburt/der geäußerte Wunsch,
- Bemühen um weitere Kontakte mit dem Kind,
- Artikulieren des Wunsches nach Umgang,
- Entwickeln konkreter Pläne zur Umsetzung des Kontaktwunschs,
- Sich-Bekennen zum Kind vor und nach seiner Geburt und
- Äußern der Bereitschaft, (finanziell) Verantwortung für das Kind zu tragen.
d) Kindeswohldienlichkeit des Umgangs mit dem Kind
Nach der Gesetzesbegründung ist unter Berücksichtigung der konkreten familiären Umstände zu prüfen, ob und inwieweit Umgangskontakte mit einem weiteren Vater/Mann für das Kind eine seelische Belastung darstellen würden, inwieweit die Mutter und der leibliche Vater gegebenenfalls ihre Konflikte begrenzen könnten und wie der Umgang im Interesse einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfindung des Kindes zu bewerten sei. Der Gesetzgeber hat sich bei der Prüfung der Kindeswohldienlichkeit an den Voraussetzungen für den Umgang anderer Bezugspersonen orientiert. Der in § 1685 BGB zugrunde gelegte Maßstab kann jedoch nicht ohne Weiteres übernommen werden (Lang, FPR 13, 233). Denn es fehlt gerade an einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater, wenn ein Anspruch nach § 1686a BGB besteht. Diese Bindung ist aber Voraussetzung eines Anspruchs nach § 1685 Abs. 2 BGB. Der leibliche Vater ist nicht mit den Bezugspersonen im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB vergleichbar. Allein der Wunsch eines Kindes, seine Herkunft kennenzulernen, kann bei der Entscheidungsfindung nicht ausschlaggebend sein.
4. Verfahrensrechtliche Änderungen
Der neu eingefügte § 167a FamFG steht in engem Zusammenhang mit § 1686a BGB. Antragsberechtigt ist allein der (mutmaßliche) leibliche Vater. Sein Antrag ist nur zulässig, wenn er an Eides Statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Damit sollen Verfahren ins „Blaue hinein“ vermieden werden, ebenso wie Störungen der sozialen Familie durch Dritte. Da die leibliche Vaterschaft inzidenter im Rahmen eines Umgangs- oder Auskunftsverfahrens geprüft werden kann, ordnet § 167a Abs. 2 FamFG die Zulässigkeit der Entnahme von Blutproben an. Anders als in Abstammungsverfahren besteht keine Verpflichtung zur Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme über die leibliche Vaterschaft. Sie soll stattfinden, wenn die Vaterschaft von einem der am Verfahren Beteiligten ausdrücklich bestritten wird (§ 30 Abs. 3 FamFG).
5. Fazit
Die Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstag e.V. vom 8.7.12 spricht zu Recht von einer „Insellösung“. Zwar ist das Ziel des Gesetzentwurfs zu begrüßen, soweit der Gesetzgeber bezüglich des Umgangsrechts dem EGMR nachgekommen ist. Angesichts veränderter gesellschaftlicher Bewertungen von Familie und Elternschaft werden sicher weitere Gesetzesänderungen nötig sein. Im Interesse des Kindeswohls sind zunächst die Gerichte aufgerufen zu prüfen, wie ernsthaft das Umgangsbegehren ist. Die Kindeswohldienlichkeit ergibt sich aus folgenden Faktoren:
- Familiärer Situation, Stabilität und Belastbarkeit des Familienverbands,
- Beziehungskonstellation,
- Konfliktniveau zwischen den betroffenen Erwachsenen,
- Alter und Widerstandsfähigkeit des Kindes,
- Grad der Bindung des Kindes an seine rechtlich sozialen Eltern und
- Dauer der Kenntnis von der Existenz eines biologischen Vaters.