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  • · Fachbeitrag · Umgangsrecht

    Umgangsrecht des leiblichen Vaters, wenn die rechtlichen Eltern es ablehnen

    | Nach § 1686a BGB hat der leibliche, nicht rechtliche Vater unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Umgang mit seinem Kind. Der BGH hat die Voraussetzungen dafür in einer aktuellen Entscheidung konkretisiert ( BGH 5.10.16, XII ZB 280/15, Abruf-Nr. 189721 ) Dazu im Einzelnen: |

    Sachverhalt

    Der leibliche Vater (V), begehrt Umgang mit den Zwillingen. Die Kindesmutter (M) ist verheiratet. Die Eheleute hatten bereits drei Kinder. Seit ihrer Trennung von V lebt die M wieder mit ihrem Ehemann (E) und den Kindern zusammen. M und E haben den Umgang des V mit den Zwillingen abgelehnt. Das Umgangsrechtsverfahren des V endete mit einer Verfassungsbeschwerde, die erfolglos blieb. Der EGMR stellte aber fest, dass es Art. 8 EMRK verletzte, jeglichen Umgang zu versagen, ohne zu prüfen, ob ein solcher dem Kindeswohl dienlich wäre. Im Umgangsrechtsverfahren ist die Rechtsbeschwerde des V erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    § 1686a BGB räumt dem leiblichen Vater das Recht ein, Umgang mit seinem Kind zu haben. Bei der Kindeswohlprüfung ist festzustellen, ob und ggf. inwieweit Umgangskontakte mit dem „zweiten“, ausschließlich auf der biologischen Abstammung beruhenden Vater das Kind seelisch belasten, ob es dadurch in einer dem Kindeswohl abträglichen Weise verunsichert werde, inwieweit die Mutter und der biologische Vater ggf. Konflikte nach der Trennung begrenzen konnten und wie der Umgang im Interesse einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfeststellung des Kindes zu bewerten ist. Die Kindeswohldienlichkeit ist je nach familiärer Situation, Stabilität und Belastbarkeit des Familienverbands, Beziehungskonstellation bzw. Konfliktniveau zwischen den Erwachsenen, Alter und psychischer Widerstandsfähigkeit des Kindes, Grad der Bindung des Kindes an seine rechtlich-sozialen Eltern, Dauer der Kenntnis von der Existenz des biologischen Vaters etc. unterschiedlich zu beurteilen.

     

    Der Antrag ist zulässig. Zwar hat der V nicht an Eides Statt versichert, der M während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Dies ist hier aber unerheblich, weil dem Verfahren die Feststellung des EGMR zugrunde lag, dass der V der leibliche Vater ist (EGMR FamRZ 11, 269). Die weiteren Voraussetzungen sind gegeben: Der E ist der gesetzliche Vater, weil er mit der M während der Geburt der Kinder verheiratet war, § 1592 Nr. 1 BGB. Unerheblich ist, dass kein Abstammungsgutachten eingeholt wurde. Zwar will § 167a Abs. 2 FamFG nur verhindern, dass namentlich die Mutter das Umgangsrecht vereitelt. Ist aber die leibliche Vaterschaft unstreitig und kann sich der Tatrichter aus anderen Gründen davon überzeugen, dass sie besteht, bedarf es keines Gutachtens. Ferner ist dem V ein ernsthaftes Interesse an den Kindern i. S. v. § 1686a Abs. 1 BGB zuzubilligen. Dabei ist zu beachten, ob der biologische Vater sein Kind zeitnah nach der Geburt kennenlernen wollte, ob er sich um weiteren Kontakt mit diesem bemüht hat, ob er den Wunsch nach Umgang wiederholt artikuliert und ggf. Pläne entwickelt hat, wie er seinen Kontaktwunsch realisieren kann, ob er sich vor und nach der Geburt zum Kind bekannt hat oder ob er die Bereitschaft geäußert hat, Verantwortung dafür ggf. auch finanziell zu übernehmen.

     

    Hier liegen Verfahrensfehler vor

    Die Annahme, dass der Umgang nicht dem Kindeswohl dient, beruht aber auf Verfahrensfehlern. Allein der Umstand, dass sich die Eltern beharrlich weigern, einen Umgang zuzulassen, genügt nicht. Liegt § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB vor, greift der leibliche Vater regelmäßig in ein intaktes Familiensystem ein. Die rechtlichen Eltern sperren einen Umgang. Sonst würde der Umgang auf freiwilliger Basis erfolgen, sodass es des § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB gar nicht bedarf. Diese Vorschrift setzt sogar eine Verweigerungshaltung voraus. Zwar ist die Bindung an die rechtliche Familie nachhaltig zu berücksichtigen, sie darf aber nicht in eine Typisierung umschlagen, dass der leibliche Vater in diesen Fällen als Störenfried zu behandeln ist. Vielmehr ist das Kindeswohl umfassend zu prüfen. Scheitert der Umgang nur an der ablehnenden Haltung der rechtlichen Eltern und an der Befürchtung, dass diese mit einer Umgangsregelung psychisch überfordert wären und dadurch letztlich auch mittelbar das Kindeswohl beeinträchtigt wäre, sind strenge Anforderungen an die Feststellungen zu stellen.

     

    Sachverständigengutachten ist keine Grundlage für die Schlussfolgerungen

    Aus dem Gutachten ergibt sich nicht, dass die Eltern psychisch nicht in der Lage wären, mit einem Umgang durch den V umzugehen und deshalb auch der Umgang nicht dem Wohl der Zwillinge dienen würde. Zwar geht das Gutachten davon aus, dass die M beim Umgang psychisch so beeinträchtigt wäre, dass sie ggf. entgleisen und sich dies auch auf das Wohl der Zwillinge auswirken könnte. Dem Gutachten lässt sich aber nicht entnehmen, auf welchen Erhebungen diese Einschätzung beruht. Diese Schlussfolgerungen beruhen nur auf Gesprächen, eine nähere Exploration der Eltern ist aber nicht erfolgt. Wieso es für diese Einschätzung keiner solchen Exploration bedarf, wird aber nicht erläutert.

     

    Zu beanstanden ist, dass die Eltern dem Sachverständigen Vorgaben gemacht haben. Das Gericht hat seine Leitungsfunktion gem. § 30 FamFG i. V. m. § 404a ZPO verletzt. Das Gericht bestimmt, in welchem Umfang der Sachverständige befugt ist, die Beweisfrage aufzuklären und inwieweit er mit den Parteien in Verbindung treten darf und wann er sie an Ermittlungen beteiligen muss.

     

    MERKE | Überschreitet der Sachverständige seine Befugnisse, etwa wenn er selbstständig Beweise würdigt und nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen zugrunde legt, oder er bei Ermittlungen nur eine Partei hinzuzieht, kann das die Besorgnis der Befangenheit gem. § 30 FamFG i. V. m. § 406 ZPO begründen. Dies kann auch ohne Befangenheitsantrag den Beweiswert des Gutachtens mindern. Das OLG hätte daher den Beweiswert des Gutachtens hinterfragen müssen.

     

    Ferner hat der Sachverständige die Kinder zum eigentlichen Gegenstand des Verfahrens nicht befragt. Sie sind nicht angehört worden. Die Kindesanhörung dient neben der Gewährung des rechtlichen Gehörs vor allem auch der Sachaufklärung. Die Anhörung eines Kindes im Verfahren nach § 1686a BGB ist nur entbehrlich, wenn der Antrag als unzulässig oder wegen fehlenden ernsthaften Interesses zurückzuweisen ist oder wenn die Abstammungsuntersuchung ergibt, dass der Antragsteller nicht der biologische Vater ist. Es ist Aufgabe des Gerichts, das Verfahren, insbesondere die Umstände sowie die Art und Weise der Kindesanhörung unter Berücksichtigung des Alters, des Entwicklungsstands und der sonstigen Fähigkeiten des Kindes so zu gestalten, dass das Kind seine persönliche Beziehung zu den Eltern erkennbar werden lassen kann. Wegen fehlender Äußerungsfähigkeiten kann daher nur bei sehr jungen Kindern oder bei aufgrund besonderer Umstände erheblich eingeschränkter Fähigkeit des Kindes, sich zu seinem Willen und seiner Beziehung zu äußern, auf eine Anhörung verzichtet werden. Im Hinblick auf das Alter der Zwillinge (zehn Jahre) ist es erforderlich, die Kinder zuvor über den Verfahrensgegenstand und damit eingehend über ihre wahre Abstammung zu unterrichten.

     

    Es obliegt den Eltern, wann und in welcher Form sie ihr minderjähriges Kind über die Besonderheiten seiner Herkunft informieren wollen. Der verfassungsrechtlich anzuerkennende Wunsch des leiblichen Vaters nach Umgang und nach Auskunft über das Kind (§ 1686 BGB) stellt aber eine verfassungsimmanente Schranke dar. Daher ist es unabweisbar, dass der Schutz der sozialen Familie hinter dem Interesse an Umgangs- und Auskunftserteilung eines leiblichen Vaters zurücktritt. Da sich der Richter und der Sachverständige nur bei einem informierten Kind ein verlässliches Bild darüber verschaffen können, ob der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Kindeswohl dient, wird es i. d. R. unerlässlich sein, die Kinder über die biologische Vaterschaft aufzuklären. Außerdem würde ein Kind, das durch Vorenthaltung des Wissens um seine wahre Abstammung zum bloßen Verfahrensobjekt herabgestuft. Damit die Eltern das Kind selbst unterrichten können, muss der Tatrichter ihnen ggf. eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer sie ihre Kinder unterrichten.

    Relevanz für die Praxis

    Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Der BGH verlangt von den Eltern bzw. den Gerichten, dass sie das Kind darauf hinweisen, dass ein biologischer Vater existiert. Damit dürfte die Familie belastet sein. Dies macht die Kindeswohlprüfung erforderlich und beeinflusst sie. Konsequenterweise müsste zuvor geprüft werden, ob diese Aufklärung dem Kindeswohl entspricht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EGMR FamRZ 11, 269, die Entscheidung vom 21.12.10 betraf die Beteiligten dieses Verfahrens
    Quelle: Sonderausgabe 01 / 2017 | Seite 16 | ID 44566911