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  • · Fachbeitrag · Anspruch nach § 1615l BGB

    Ansprüche nach § 1615l BGB gegen den Vater

    von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz

    | Unterhaltsansprüche der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Vater richten sich nach § 1615l BGB. Dazu im Einzelnen. |

    1. Voraussetzungen des Betreuungsunterhalts

    Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 1615l BGB ist, dass das Kind nichtehelich ist, also dass

    • die Vaterschaft des Erzeugers gem. § 1600d BGB festgestellt ist (vgl. OLG Celle FamRZ 05, 747) oder
    • der Erzeuger die Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 2 BGB anerkannt hat;
    • die Bedürftigkeit der Mutter sowie
    • die Leistungsfähigkeit des Vaters.

     

    Hinweis | Zweifelhaft ist, ob es ausreicht, wenn es zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass das Kind nichtehelich ist (bejahend: OLG Zweibrücken FamRZ 98, 554; OLG Düsseldorf FamRZ 95, 690; a.A. OLG Hamm FamRZ 89, 619).

    2. Unterhalt aus Anlass der Geburt

    Der Vater muss der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zahlen, § 1615l Abs. 1 S. 1 BGB. Dabei kommt es auf den voraussichtlichen Geburtstermin an. Verschiebt sich dieser, verkürzt oder verlängert sich der Unterhaltsanspruch entsprechend (Bömelburg in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 7 Rn. 14). In dieser Zeit unterliegt die Mutter gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) dem Beschäftigungsverbot.

     

    Zahlt der Arbeitgeber der Mutter in dieser Zeit das Arbeitsentgelt weiter (§ 11 MuSchG) oder bekommt sie gem. § 24c Nr. 6 SGB VMutterschaftsgeld, ist sie in diesem Umfang nicht bedürftig.

     

    Wichtig | Der Unterhaltsanspruch besteht unabhängig davon, ob die Mutter vor der Schwangerschaft erwerbstätig war, also auch, wenn sie vorher nicht erwerbstätig sein konnte (BGH FamRZ 98, 541; OLG Hamm FamRZ 91, 979).

     

    3. Schwangerschafts- und Entbindungskosten

    Gem. § 1615l Abs. 1 S. 1 BGB muss der Vater der Mutter auch Kosten erstatten, die außerhalb des in § 1615l Abs. 1 BGB genannten Zeitraums entstehen. Voraussetzung ist eine Kausalität zwischen Schwangerschaft, Entbindung und den Kosten. Dazu gehören z.B. Aufwendungen für Hebamme, Medikamente, auch Schwangerschafts- und Entbindungsfolgekosten, z.B. für ärztliche Vor- und Nachuntersuchungen, Schwangerschaftsgymnastik und Umstandskleidung (Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., § 1615l Rn. 6).

     

    Erhält die Mutter hierfür Leistungen von Dritten, wie z.B. Zahlungen von einer Sozialversicherung oder einer privaten Versicherung, ist sie in dieser Höhe nicht bedürftig, außer, es findet eine Überleitung statt.

    4. Unterhalt wegen Nichterwerbstätigkeit infolge Krankheit

    Voraussetzung des Unterhalts wegen Nichterwerbstätigkeit infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Entbindung verursachten Krankheit nach § 1615l Abs. 2 BGB ist eine Kausalität zwischen Schwangerschaft oder Entbindung und Krankheit. Mitursächlichkeit reicht aus. Kann die Mutter deswegen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, hat sie gegen den Vater bereits vor dem in § 1615l Abs. 1 S.1 BGB genannten Zeitraum einen Unterhaltsanspruch (BGH FamRZ 98, 541). Mitursächlichkeit ist nicht gegeben, wenn die Mutter z.B. wegen einer bereits vor der Schwangerschaft bestehenden Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

     

    Achtung | Streitig ist, ob gem. § 1615l Abs. 2 S. 4 bis 5 BGB eine Verlängerung möglich ist (ablehnend Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rn. 8; bejahend Bömelburg, in Wendl/Staudigl, a.a.O., § 7 Rn. 19).

    5. Kinderbetreuungsunterhalt

    Kann von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes keine Erwerbstätigkeit erwartet werden, hat sie einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater nach § 1615l Abs. 2 S. 2 bis 5 BGB. Gem. § 1615l Abs. 4 S. 1 BGB steht auch dem Vater der Anspruch zu, wenn er das Kind betreut. Es ist zu unterscheiden zwischen der dreijährigen Regelbetreuung (§ 1615l Abs. 2 S. 2 bis 3 BGB) und einer Verlängerung (§ 1615l Abs. 2 S. 4 bis 5 BGB) nach Billigkeit.

     

    a) Dreijährige Regelbetreuung

    Die Mutter darf in den ersten drei Lebensjahren des Kindes frei entscheiden, ob sie das Kind selbst erziehen oder eine Fremdbetreuung in Anspruch nehmen möchte (BGH FamRZ 10, 1880). Etwaige Einkünfte sind überobligationsmäßig und nur gem. § 1577 Abs. 2 BGB analog nach Billigkeit zu berücksichtigen (BGH FamRZ 09, 1391). Eine Erwerbstätigkeit kann jederzeit wieder aufgegeben werden (BGH FamRZ 11, 791). Kausalität ist nur eingeschränkt erforderlich (BGH FamRZ 05, 347). Diese ist auch gegeben, wenn die Mutter wegen der Betreuung anderer Kinder an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. In diesem Fall ist eine anteilige Haftung zu prüfen. Die Mutter soll ihren Unterhaltsanspruch auch nicht verlieren, wenn sie ihr Studium fortsetzt (OLG Frankfurt a.M. FamRZ 00, 1522). Betreuen beide Elternteile das Kind zu gleichen Teilen (echtes Wechselmodell), empfiehlt sich eine Verrechnung der gegenseitigen Unterhaltsansprüche (Wendl/Staudigl, a.a.O., Rn. 24).

     

    Hinweis | Streitig ist, ob der Unterhaltstitel auf drei Jahre zu begrenzen ist (dafür OLG Bremen FamRZ 08 1281; dagegen OLG Jena FamRZ 08, 2203; vermittelnd OLG Brandenburg FamRZ 10, 1915: nur keine Begrenzung, wenn bei Titulierung bereits feststeht, dass nach Ablauf der drei Jahren die Voraussetzungen für weiteren Billigkeitsunterhalt fehlen).

     

    b) Verlängerung über drei Jahre hinaus

    Gem. § 1615l Abs. 2 S. 4 bis 5 BGB verlängert sich der Unterhaltsanspruch über die drei Jahre hinaus, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Darlegungs- und beweispflichtig dafür ist die Mutter (BGH FamRZ 09, 1124).Nach Ablauf dieses Zeitraums kann i.d.R. zumindest eine teilweise Erwerbstätigkeit erwartet werden (Bömelburg in Wendl/Staudigl, a.a.O., Rn. 29). Es ist zwischen kind- und elternbezogenen Gründen zu unterscheiden:

     

    aa) Kindbezogene Gründe

    Kindbezogene Gründe liegen nach OLG Nürnberg FamRZ 03, 1320 und Palandt/Bömelburg, a.a.O., Rn. 31 z.B. vor, wenn das Kind

    • psychisch labil ist;

     

    • in seiner Entwicklung arg gestört ist; es reicht nicht, dass das Kind allgemein anfällig oder schwierig ist und ständig Hausaufhabenhilfe braucht;

     

    • dauerhaft krank ist, wobei übliche Kinderkrankheiten nicht zur Verlängerung führen oder wenn ein auf Krankheit beruhender Betreuungsbedarf durch eine auswärtige Betreuung erbracht werden kann (BGH FamRZ 09, 1124);

     

    • sportlich oder musisch begabt ist und einer besonderen Förderung bedarf.

     

    Wichtig | Ein Altersphasenmodell wird den Anforderungen der Billigkeitsprüfung aus kindbezogenen Gründen nicht gerecht (BGH FamRZ 10, 1880).

     

    Liegen keine kindbezogenen Gründe vor, sind die objektiven Kindesbetreuungsmöglichkeiten zu prüfen. Zumutbare Betreuungsangebote sind in Anspruch zu nehmen. Die Betreuung muss begabungs- und entwicklungsgerecht und mit dem Kindeswohl vereinbar sein (BGH FamRZ 10, 1880). Letzteres ist bei der Betreuung in öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kitas oder Kinderhorten regelmäßig der Fall (BGH FamRZ 09, 1124).

     

    Steht kein Kinderbetreuungsplatz zur Verfügung, muss sich die Mutter nur auf eine Fremdbetreuung verweisen lassen, wenn dies mit den Kindesbelangen vereinbar ist (Bömelburg, a.a.O., Rn. 33). Das Angebot der „Schwiegereltern“, das Kind zu betreuen, setzt voraus, dass das Verhältnis zu diesen nicht gestört ist. Das Angebot des anderen Elternteils muss mit der praktizierten Umgangsregelung vereinbar sein (Bömelburg, a.a.O., § 7 Rn. 39 und 40). Die Mutter, die sich darauf beruft, keinen Betreuungsplatz gefunden zu haben, muss darlegen und beweisen, dass sie rechtzeitig alles Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen Platz zu finden (OLG Celle FamRZ 08, 997).

     

    bb) Elternbezogene Gründe

    Hat die Mutter wegen der Schwangerschaft und Geburt eines Kindes ihr Studium unterbrochen und es später wieder aufgenommen, steht ihr auch über die drei Jahre ein Unterhaltsanspruch zu (OLG Nürnberg FamRZ 10, 577). Das Gleiche gilt, wenn der Vater einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, z.B. in Form eines langjährigen eheähnlichen Zusammenlebens oder dass die Mutter mehrere Kinder desselben Vaters betreut (OLG Nürnberg FamRZ 03, 1320).

    6. Bedarf

    Der Bedarf der Mutter bestimmt sich nach deren Lebensstellung. Denn nach § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB greifen die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und damit auch § 1610 BGB (BGH FamRZ 10, 357). War die Mutter erwerbstätig, ist deren früheres, bis zur Geburt erzieltes Einkommen für deren Bedarf maßgebend (BGH, a.a.O.).

     

    Ist die Mutter verheiratet, bestimmt sich ihr Bedarf nach deren ehelichen Lebensverhältnissen. Muss sich die Mutter im Verhältnis zum Ehemann fiktive Einkünfte anrechnen lassen, bestimmen sich ihre Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Geburt des nichtehelichen Kindes durch ihren Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann und das ihr zuzurechnende fiktive Einkommen (OLG Hamm FamRZ 08, 1937).

     

    Hat die Mutter bisher mit dem Vater in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt, ist diese nicht maßgeblich, um den Bedarf der Mutter zu bestimmen (BGH FamRZ 10, 357).

     

    War die Mutter nicht erwerbstätig, richtet sich ihr Bedarf nach dem Existenzminimum, das dem notwendigen Selbstbehalt entspricht (BGH FamRZ 10, 357).

     

    Achtung | Der Bedarf ist durch den Halbteilungsgrundsatz auf den Betrag begrenzt, der sich im Fall einer Heirat als Quotenunterhalt ergäbe (BGH FamRZ 05, 442).

     

    Ob Altervorsorgeunterhalt geschuldet ist, ist streitig. Dies wird zum Teil mit Hinweis auf § 1361 Abs. 1 S. 2, § 1578 Abs. 3 BGB verneint (OLG Hamm FamRZ 05, 1276), zum Teil bejaht, wenn die Altersvorsorge der Lebensstellung der Mutter entsprach. Der Bedarf ist insoweit gedeckt, als Entgeltpunkte über die Kindererziehungszeiten erworben werden (Brudermüller, a.a.O., Rn. 22). Der Unterhaltsanspruch umfasst auch eine angemessene Kranken- und Pflegevorsorge (OLG Bremen FamRZ 00, 636).

    7. Tod des Vaters

    Gem. § 1615l Abs. 3 S. 4 BGB erlischt der Anspruch der Mutter nicht mit dem Tod des Vaters. Für den Unterhaltsanspruch haften dessen Erben, § 1967 BGB.

    8. Rang

    Gem. § 1609 Nr. 2 BGB sind alle Eltern, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind, gleichrangig.

    9. Konkurrenzen und anteilige Haftung

    Hat die Mutter einen Anspruch gem. § 1361 BGB oder § 1570 BGB und einen Anspruch gem. § 1615l BGB, haften der Ehemann und der Kindesvater anteilig entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Der Ehemann und der Kindesvater haften auch anteilig, wenn die Mutter einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gem. §§ 1571 ff. BGB hat (OLG Thüringen FamRZ 06, 1205). Dabei kommt es beim Unterhaltsanspruch gegen den (geschiedenen) Ehemann darauf an, wie viel Unterhalt er ohne Geburt des Kindes bezahlen müsste. War die (geschiedene) Ehefrau z.B. vollschichtig tätig, wird dieses (fiktive) Einkommen bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs zugrunde gelegt.

     

    • Berechnung der Haftungsanteile

    bereinigtes Nettoeinkommen ./. etwaige Kindesunterhaltszahlungen ./. Selbstbehalt (EM)

    bereinigtes Nettoeinkommen ./. etwaige Kindesunterhaltszahlungen ./. Selbstbehalt (neV)

     

    Gem. § 1615l Abs. 3 S. 2 BGB haftet der Kindsvater vorrangig vor den Eltern der Kindsmutter.

     

    Achtung | Bei einem leistungsunfähigen Vater besteht keine Ersatzhaftung gegen dessen Eltern (OLG Nürnberg FamRZ 01, 1322).

    10. Verfahrenskostenvorschuss

    Streitig ist, ob ein Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses (VKV) besteht. Das OLG München bejaht dies mit folgender Begründung: Neben der allgemeinen Tendenz, Prozesskostenvorschusspflichten (PKV-Pflicht) auszuweiten, spreche auch § 1615l BGB für eine solche PKV-Pflicht, wonach sich zunehmend Beistandspflichten von Eltern, die nicht miteinander verheiratet waren, entwickelt haben und damit die besondere Verantwortung, die der BGH als weitere Voraussetzung für einen PKV verlangt, gegeben sei (OLG München FamRZ 02, 1219). Scholz lehnt einen solchen Anspruch mit der Begründung ab, § 1615 l Abs. 3 S. 1 BGB verweise nicht auf § 1360a Abs. 4 BGB (Wendl/Staudigl, a.a.O., § 6 Rn. 24). Zudem bestehe zwischen nicht verheirateten Eltern kein rechtliches Band, das die Zahlung eines VKV rechtfertigen würde. Die Mutter eines nichtehelichen Kindes stehe einer geschiedenen Mutter insofern gleich, die auch keinen Anspruch auf Zahlung eines solchen Vorschusses habe.

    11. Babyerstausstattung

    Die Babyerstausstattung ist ein Sonderbedarf des Kindes gem. § 1613 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB (BVerfG FamRZ 99, 1342). Für den Sonderbedarf müssen die Eltern anteilig aufkommen.

    12. Erlöschen durch Heirat

    Gem. § 1586 Abs. 1 BGB analog erlischt der Anspruch gem. § 1615l BGB bei Heirat eines anderen Mannes als den Vater des Kindes (BGH FamRZ 05, 347).

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH FK 14, 112, zu den Voraussetzungen des Unterhalts für die Vergangenheit bei § 1615l BGB (in diesem Heft)
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 122 | ID 42735544