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  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Corona-Überbrückungshilfe ist Einkommen

    von RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM-Anwaltssozietät, Münster

    | Das OLG Bamberg hat entschieden, dass Einnahmen aus der Corona-Überbrückungshilfe III anders als solche der Soforthilfe unterhaltsrechtlich als Einkommen anzusetzen ist. |

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten streiten um Getrenntlebensunterhalt im Zeitraum 1.10.18 bis 2.3.22. Sie heirateten 2003. Seit dem 13.11.17 lebten die Beteiligten getrennt, die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 23.10.18. Seit dem 2.3.22 sind sie rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin (F) ist dauerhaft erwerbsunfähig. Sie erhält Leistungen nach SGB II, die ihr zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen wurden. Der Antragsgegner M war während des Zusammenlebens der Beteiligten zunächst als angestellter Koch tätig. Mit Wirkung zum 5.1.18 führte er in selbstständiger Tätigkeit eine Gaststätte. Das AG hat den M verpflichtet, an die F monatlichen Trennungsunterhalt im o. g. Zeitraum in unterschiedlicher Höhe zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Beteiligte jeweils teilweise erfolgreich mit ihren Beschwerden (OLG Bamberg 31.3.22, 2 UF 23/22, Abruf-Nr. 229214).

     

    Entscheidungsgründe

    Der M muss der F Unterhalt zahlen, § 1361 BGB. Die Einkünfte des M in 2018 bis 2020 ergeben sich aus den jeweiligen Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG sowie den entsprechenden Steuerbescheiden. Für M ergibt sich ein betrieblicher Gewinn. Darin ist eine Leistung entsprechend der Richtlinie über die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) enthalten. Diese ist gewinnerhöhend und damit als Einkommen zu beachten (Abgrenzung zu OLG Frankfurt 26.4.21, Az. 8 UF 28/20 für die Corona-Soforthilfe). Die Überbrückungshilfe III dient in Form einer Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung dazu, die wirtschaftliche Existenz bei coronabedingt erheblichen Umsatzausfällen zu sichern. Förderfähig sind dabei enumerativ aufgezählte betriebliche Fixkosten. Indem dadurch betriebliche Festkosten durch die Beihilfeleistung übernommen werden, spart der Beihilfebezieher eigene Aufwendungen in gleicher Höhe.

     

    Anders als Corona-Soforthilfen, die in den ersten Monaten der Pandemie als reine Billigkeitsleistung allein der Hilfe in existenzieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennzahlen, um erhebliche Umsatzausfälle auszugleichen. Der gesetzgeberische Zweck, die wirtschaftliche Existenz zu sichern (dazu Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 18.2.21, PGÜ-3560-3/2/304, zur Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen ‒ Phase 3 in BayMBl. Nr. 132), erfasst die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten. Demgegenüber diente die Corona-Soforthilfe nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne (www.iww.de/s6457).

     

    Der M hätte ohne die Überbrückungshilfe in 2021 einen Verlust erlitten. Durch diese (steuerfreien) Betriebseinnahmen hat er einen Gewinn erzielt. Dieser lag höher als das Jahresergebnis der vor der Pandemie liegenden Jahre 2018 und 2019. Bliebe die Überbrückungshilfe III außer Acht, würde trotz höherer Leistungsfähigkeit und besserer wirtschaftlicher Verhältnisse 2021 kein Unterhaltsanspruch bestehen. Dies ist unbillig. Vielmehr ist aufgrund der einnahmenersetzenden Wirkung des Überbrückungsgeldes III dieses als gewinnerhöhend anzusetzen. Dem steht auch nicht entgegen, dass es bis Ende des Jahres über einen prüfenden Dritten schlussabzurechnen ist. Umstände, aus denen sich eine Rückzahlungspflicht ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Nachdem ein Steuerberater auf Grundlage betrieblicher Kennzahlen den Antrag stellen musste, besteht eine Vermutung dahin gehend, dass die Höhe der Abschlagszahlung dem Anspruch angenähert ist. Gegenteiliges hat der M nicht dargelegt. Zu- und Abflüsse sind bei Vereinnahmung und Abrechnung des Überbrückungsgeldes nach dem In-Prinzip jeweils bezogen auf den Zeitpunkt ihres Anfalls zu beachten, für 2021 also das Überbrückungsgeld.

     

    Für 2022 kann aufgrund der voraussichtlichen sukzessiven Aufhebung pandemiebedingter Einschränkungen zur Schätzung der Einkünfte des M an den Durchschnitt der Einkünfte in 2018 und 2019 angeknüpft werden. Dementsprechend wurden die in 2018 bis 2022 jeweils tatsächlich erzielten Einkünfte des M der Bestimmung des Unterhaltsanspruchs der F zugrunde gelegt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des OLG Bamberg ist sehr relevant, da das OLG die Unterschiede zwischen der Corona-Soforthilfe und dem Überbrückungsgeld herausgearbeitet und die Konsequenzen für die Berücksichtigungsfähigkeit bei der Einkommensermittlung festgestellt hat:

     

    Übersicht / Unterschied Corona-Soforthilfe und Überbrückungsgeld

    Corona-Soforthilfe (OLG Frankfurt 26.4.21, 8 UF 28/20)
    Überbrückungsgeld III (OLG Bamberg 31.3.22, 2 UF 23/22)
    • Die Corona-Soforthilfe dient als zweckgebundene Leistung der Überbrückung von Liquiditätsengpässen des Betriebes. Sie dient nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne und steht daher nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung und kann den eheangemessenen Lebensbedarf nicht bestimmen (BGH 10.3.21, VII ZB 24/20, Rn. 11).
    • Einnahmen aus der Überbrückungshilfe III sind gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu beachten.

     

    • Die Höhe des Überbrückungsgeldes III bestimmt sich nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle.

     

    • Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasst nach Sinn und Zweck die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten.
     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 117 | ID 48319062