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  • · Fachbeitrag · Elternunterhalt

    Einsatz des Taschengeldes des Pflichtigen, der über geringere Einkünfte als der Ehegatte verfügt

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    • 1. Verbleibt dem unterhaltspflichtigen Kind, das über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt und dessen Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln ist, von seinem Einkommen ein entsprechender Anteil des individuellen Familienbedarfs, bedarf es einer weiteren Absicherung in Höhe von 5 bis 7 Prozent des Familienselbstbehalts nicht mehr.
    • 2. Nur bei einem unterhalb von 5 bis 7 Prozent des Familieneinkommens liegenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist auch ein ihm bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen und demgemäß der insoweit bestehende Selbstbehalt zu beachten

    (BGH 23.7.14, XII ZB 489/13, FamRZ 14, 1543, Abruf-Nr. 142471)

     

    Sachverhalt

    Der Antragsteller begehrt als Träger öffentlicher Hilfe vom Antragsgegner Elternunterhalt aus übergegangenem Recht für einen bestimmten Zeitraum. Der Antragsteller gewährt der in einem Heim lebenden Mutter des Antragsgegners monatliche Sozialleistungen. Der Antragsgegner erzielte ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.585 EUR, seine Ehefrau von 2.261 EUR. Das AG hat dem Antrag teilweise stattgegeben. Das OLG hat die Unterhaltspflicht erhöht. Der BGH hat den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet.

    Entscheidungsgründe

    Ein verheirateter Unterhaltspflichtiger ist leistungsfähig, wenn nach seiner Beteiligung am individuellen Familienbedarf von seinem Einkommen noch Mittel für die Unterhaltspflicht gegenüber den unterhaltsbedürftigen Eltern zur Verfügung stehen. Die Beteiligung am individuellen Familienbedarf ist auch dann maßgebend, wenn der Unterhaltspflichtige über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt. Die Ermittlung des individuellen Familienbedarfs stellt sicher, dass der Elternunterhalt nur aus dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen gespeist wird und eine verdeckte Haftung des besserverdienenden Schwiegerkindes ausgeschlossen ist. Dem Unterhaltspflichtigen verbleibt der Anteil, den er zum Familienbedarf beitragen muss. Nur sein darüber hinausgehendes Einkommen ist für den Elternunterhalt einzusetzen. Zudem wird mit dieser Berechnungsweise der Haushaltsersparnis Rechnung getragen, die erfahrungsgemäß mit zunehmendem Einkommen steigt.

     

    MERKE | Unerheblich ist, dass ein unterhaltspflichtiges verheiratetes Kind damit zu höheren Unterhaltszahlungen in der Lage ist, als ein nicht verheiratetes Kind. Denn der Selbstbehalt ist durch den Familienunterhalt abgesichert. Dies muss ebenfalls bei der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.

     

     

    Es ist keine weitere Absicherung von 5 bis 7 Prozent des Familienselbstbehalts vorzunehmen. Denn infolge des Familienselbstbehalts sind auch die persönlichen Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen abgedeckt. Nur bei einem unter 5 bis 7 Prozent des Familieneinkommens liegenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist auch ein ihm bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen und demgemäß der insoweit bestehende Selbstbehalt zu beachten.

     

    Die Berechnung des OLG ist insoweit zu beanstanden, als dies weitere 5 Prozent des Familienselbstbehalts abgezogen hat und von dem Restbetrag nur die Hälfte des Einkommens für den Unterhalt eingesetzt hat.

    Praxishinweis

    Nach dem BGH ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

     

    • Unterhaltsberechnung

    Einkommen Antragsgegner

    1.585,00 EUR

    Einkommen Ehegatte

    2.261,00 EUR

    Familieneinkommen

    3.846,00 EUR

    abzüglich damaliger Familienselbstbehalt

    ./. 2.700,00 EUR

    1.146,00 EUR

    abzüglich 10 % Haushaltsersparnis

    ./. 114,60 EUR

    1.031,40 EUR

    davon ½

    515,70 EUR

    zuzüglich Familienselbstbehalt

    2.700,00 EUR

    individueller Familienbedarf (gerundet)

    3.216,00 EUR

    Anteil des Antragsgegners (gerundet)(rund 41 % = 1.585 EUR: 3.846 EUR)

     

    1.319 EUR

    Einkommen des Antragsgegners

    1.585,00 EUR

    abzüglich Anteil am Familienbedarf

    ./. 1.319,00 EUR

    für Elternunterhalt einsetzbar

    266,00 EUR

     

    Bei geringeren Einkünften ist Taschengeld einzusetzen

    Wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen unter 5 bis 7 Prozent des Familieneinkommens liegt, ist zusätzlich ein bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen. Diese Auffassung entspricht der bisherigen Rechtsprechung, nach der für das Taschengeld zunächst das eigene Einkommen einzusetzen ist. Ein Taschengeldanspruch gegen den anderen Ehegatten besteht nur, wenn das eigene Einkommen unter dem Taschengeld liegt. Insoweit besteht nur ein ergänzender Anspruch auf Taschengeld. Der BGH hat sich noch nicht festgelegt, ob das Taschengeld 5 oder 7 Prozent des Einkommens des anderen Ehegatten beträgt. Daher führt er immer noch beide Beträge auf. Wie das Taschengeld zu behandeln ist, ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom 12.12.12 (FamRZ 13, 363):

     

    MERKE | Nach dieser Entscheidung ergibt sich das Taschengeld in Höhe von 5 oder 7 Prozent aus den um alle Verbindlichkeiten und sonstigen Verpflichtungen bereinigten Einkommen des Ehegatten.

     

    Streitig ist, wie das Taschengeld zu behandeln ist

    Taschengeld, soweit es im Selbstbehalt enthalten ist, ist ebenfalls geschütztes Einkommen. Daher billigt der BGH dem Unterhaltspflichtigen 5 bis 7 Prozent des Selbstbehalts für die persönlichen Bedürfnisse zu und setzt nur die Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens für Unterhaltszwecke ein. Demgegenüber behandelt Dose das Taschengeld wie eigenes Einkommen des Unterhaltspflichtigen und verwendet es anteilig für die Beteiligung am Familienselbstbehalt (FamRZ 13, 993, 1000). Damit behandelt er das Taschengeld wie eigenes Einkommen des Unterhaltspflichtigen, der sich ebenfalls an dem individuellen Familienselbstbehalt beteiligen muss. Beide Berechnungsweisen sind jedoch problematisch. Was die Auffassung von Dose angeht, bleibt unbeachtet, dass das Taschengeld dem bedürftigen Ehegatten zur Bestreitung seiner persönlichen Dinge zur Verfügung steht. Diese Zweckbestimmung schließt es aus, dass er sich damit am Familienunterhalt beteiligen muss. Es steht vielmehr zur freien Verfügung zu. Eine Beteiligung am Familienunterhalt dürfte damit nicht in Betracht kommen.

     

    Die Ansicht des BGH überzeugt auch nicht. Wenn der Selbstbehalt durch den Familienunterhalt sichergestellt ist, verbleibt kein Bedürfnis mehr, die prozentualen Anteile des Selbstbehalts dem Taschengeld beziehenden Ehegatten zu belassen.

     

    • Beispiel

    Bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Ehemannes

    6.000,00 EUR

    der Familienbedarf nach dem Halbteilungsgrundsatz beträgt

    3.000,00 EUR

    bei einem Taschengeld von 5 % ergibt sich ein Taschengeld von

    300,00 EUR

     

     

    Die 300 EUR sind im Familienunterhalt von 3.000 EUR enthalten, sodass der reine Familienunterhalt für den unterhaltspflichtigen Ehegatten nach Abzug des Taschengeldes 2.700 EUR beträgt. Warum bei dieser mehr als auskömmlichen Sicherstellung des Selbstbehalts auch noch vom Taschengeld ein Anteil gerade für die Sicherstellung des Selbstbehalts abzuziehen ist, ist nicht einsichtig (im Übrigen verweise ich auf den Praxishinweis in FuR 13, 204 ff.).

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGH FamRZ 14, 538, zum maßgeblichen Familienbedarf bei erheblicher Einkommensdifferenz zwischen dem Unterhaltspflichtigen und seinem Ehegatten; die vorliegende Entscheidung knüpft daran an
    • BGH FamRZ 13, 363, zur Geltendmachung von Elternunterhalt durch einen Sozialhilfeträger und zur Pflicht, Taschengeld einzusetzen; die vorliegende Entscheidung knüpft daran an
    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 2 | ID 43009702