· Fachbeitrag · Kindesunterhalt
Gerichtlicher Vergleich sperrt familienrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht
von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch
| Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil auf teilweise Erstattung des an ein gemeinsames Kind gezahlten Unterhalts wird nicht ohne Weiteres dadurch ausgeschlossen, dass der Elternteil mit der Unterhaltszahlung eine Verpflichtung aus einem gerichtlichen Vergleich erfüllt. Dies hat der BGH aktuell entschieden. |
Sachverhalt
Der Antragsteller (V) macht einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch für Unterhaltszahlungen an die gemeinsame Tochter (T) geltend. Die Beteiligten sind geschieden. Aus ihrer Ehe ist u. a. die T hervorgegangen, die bei der Antragsgegnerin (M) lebte. Die elterliche Sorge für die T stand V und M gemeinsam zu. Durch einen Prozessvergleich verpflichtet sich der V, an T Kindesunterhalt zu zahlen. Nach einem Zerwürfnis mit der F zog die T bei der M aus. Der V brachte sie bei seiner Freundin unter. Er richtete ein Konto ein, über das die Ausgaben für Kost und Logis bezahlt wurden und von dem die T regelmäßig Barbeträge abheben konnte. V forderte die M zur Auskunft und anteiligen Zahlung von Barunterhalt auf. Die M, die weiter Naturalunterhalt in ihrem Haushalt gewähren wollte und daher zunächst keinen Barunterhalt leistete, zahlte an die T. Das AG hat die M zur Zahlung verpflichtet. Auf ihre Beschwerde hat das OLG den Antrag abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des V führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 8.2.17, XII ZB 116/16, Abruf-Nr. 192416).
Entscheidungsgründe
Anspruchsgrundlage ist der familienrechtliche Ausgleichsanspruch. Dieser ist gegeben, wenn ein Elternteil für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufkommt und dadurch seinen Unterhaltsanspruch erfüllt, obwohl auch der andere Teil ganz oder teilweise unterhaltspflichtig ist. Daraus folgt, dass der Anspruch auf der Unterhaltspflicht beider Eltern gegenüber dem Kind und der Notwendigkeit beruht, die Unterhaltslast im Verhältnis von § 1603 Abs. 3 S. 1 BGB entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen. Die Voraussetzung ist gegeben, da die T durch Dritte betreut wurde, sodass beide Elternteile nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen anteilig haften.
Die M wollte der T Naturalunterhalt gewähren. § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB ermöglicht dies aber nicht, da er nur für Volljährige gilt. Während der Minderjährigkeit der T konnte sie das Bestimmungsrecht nicht ausüben, weil ein gemeinsames Sorgerecht bestand und damit das Bestimmungsrecht beiden Eltern gemeinsam zustand.
Im Hinblick auf die beiderseitige Barunterhaltspflicht müssen demzufolge die Haftungsanteile der Eltern berechnet werden. Die konkrete Höhe des Haftungsanteils der M kann mangels der erforderlichen Feststellungen derzeit nicht abschließend beurteilt werden.
Der gerichtliche Vergleich sperrt die Geltendmachung des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht. Anders verhält es sich bei gerichtlichen Entscheidungen. Der Schuldner, der an sein Kind Unterhalt gezahlt hat, zu dem er rechtskräftig verurteilt worden ist, kommt nur seiner eigenen Unterhaltspflicht nach. Er erfüllt nicht eine Verbindlichkeit, die sich im Verhältnis gegenüber dem Kind als Pflicht des anderen Elternteils darstellt (BGH FamRZ 94, 1102, ff.; 81, 761 f.). Diese Grundsätze gelten aber nicht für einen gerichtlichen Vergleich. Denn Unterhaltsregelungen in gerichtlichen Vergleichen erwachsen nicht in materieller Rechtskraft. Sie richten sich bei der Abänderung allein nach materiellem Recht, § 239 Abs. 2 FamFG. Insbesondere ist keine Präklusion gegeben. Daher können Tatsachen geltend gemacht werden, die schon bestanden haben, als der Titel errichtet worden ist. Zwar erwachsen auch hier mögliche Regelungen in Bindungswirkung. Dies beurteilt sich aber nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage. Der V hat mit seinen Zahlungen daher eine Unterhaltspflicht erfüllt, die der M gegenüber der T bestanden hat und die die M nicht erfüllt hat.
Die Abänderung des Vergleichs kann auch inzidenter im Rahmen des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs überprüft werden.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung ist problematisch. Denn ein gerichtlicher Vergleich kann im Rahmen des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs und damit im Leistungs- statt im Abänderungsverfahren nur in besonderen Ausnahmefällen überprüft werden. Diese Ausnahme ergibt sich hier daraus, dass der Prozessvergleich zwischen dem V und der T ohne Beteiligung der M zustande gekommen ist, die nur berechtigt war, den Unterhaltsanspruch für die T geltend zu machen, § 1629 BGB.
Bezüglich des Bestimmungsrechts der Eltern gem. § 1612 Abs. 2 BGB gilt (dazu ausführlich Bode, FK 17, 179 f.):
- Wenn das Kind minderjährig ist, ist das Bestimmungsrecht Bestandteil des Sorgerechts, sodass es darauf ankommt, welchem Elternteil die elterliche Sorge zusteht, um das Bestimmungsrecht wirksam zur Geltung zu bringen.
- Bei volljährigen Kindern kommt es darauf an, ob die Ausübung des Bestimmungsrechts wirksam ist und auf die Kindesbelange hinreichende Rücksicht nimmt. Die wirksame Unterhaltsbestimmung bindet das Kind und den anderen Elternteil. Bei getrennt lebenden Eltern kann jeder Elternteil das Bestimmungsrecht wirksam ausüben. Das Kind muss sich, wenn beide Bestimmungsrechte wirksam sind, für eines entscheiden.
- Das Familiengericht muss die wirksame Bestimmung im Unterhaltsprozess beachten. Dadurch verliert das Kind jeglichen Unterhaltsanspruch. Folge: Der mit der Bestimmung zur Verfügung gestellte Unterhalt muss den gesamten Lebensbedarf des Kindes umfassen und die Kindesbelange hinreichend berücksichtigen: Bei einer tiefgreifenden Entfremdung, einer einschneidenden Veränderung der Lebenssituation des Kindes und bei offensichtlichem Missbrauch ist das Bestimmungsrecht unwirksam.