· Fachbeitrag · Kindesunterhalt
Unterhaltszahlung an scheineheliches Kind: Nur ausnahmsweise Schadenersatz
von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
(BGH 20.2.13, XII ZB 412/11, FF 13, 244, Abruf-Nr. 131405) |
Sachverhalt
Der inzwischen verstorbene Erblasser E war von 1961 bis 1968 mit der Antragsgegnerin verheiratet. Die Ehe wurde am 21.6.68 geschieden. Die Eheleute verzichteten wechselseitig auf Unterhalt. In ihrer Anhörung im Scheidungstermin räumte die Antragsgegnerin auf Befragen ein, nach dem letzten ehelichen Verkehr 1968 eine ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann unterhalten zu haben. Aus der Ehe ging 1966 der Sohn S hervor. S lebte nach der Trennung der Eheleute im Haushalt der Antragsgegnerin. Im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass der S nicht von E abstammt. Nachdem E die Antragsgegnerin wiederholt erfolglos aufgefordert hatte, die Namen der als Vater in Betracht kommenden Männer zu nennen, hat er sie auf Schadenersatz in Höhe von rund 1.500 EUR in Anspruch genommen. Hierbei handelt es sich um den auf das Jahr 1980 entfallenden Teil des von ihm für den Zeitraum 1967 bis 1996 insgesamt auf 38.960 EUR bezifferten Unterhalts, den er seinem Vortrag zufolge an S geleistet hat. Das AG wies den Antrag zurück. Die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde sind ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe
Aus dem Ehebruch und dem bloßen Verschweigen der möglichen Nichtvaterschaft gegenüber E kann kein Schadenersatzanspruch hergeleitet werden. Die Ehe steht außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschulden auslösen kann. Ein Ehebruch ist ein innerehelicher Vorgang, der zu einem Tatbestand führt, der nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände fällt.
Insoweit verdrängt das Ehe- und Familienrecht die Deliktsregeln. Neben den deliktischen sind alle Ansprüche ausgeschlossen, für die als verletztes Rechtsgut der Kern der Ehe und der mit diesem verfolgte Schutzzweck in Betracht käme.
Ausnahme: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
Allerdings hebt der BGH hervor, dass auch, wenn die Vorschriften des Ehe- und Familienrechts die allgemeinen Deliktsansprüche verdrängen, nicht ausgeschlossen ist, dass bei Hinzutreten weiterer schädigender Umstände § 826 BGB zur Anwendung kommt. Diese vorsätzliche sittenwidrige Schädigung kann ausnahmsweise auch im Bereich der Störung der innerehelichen, geschlechtlichen Beziehung zwischen den Ehegatten gegeben sein, wenn dem Ehebruch Umstände hinzutreten, die sich als sittenwidriges, schädigendes Verhalten des Ehegatten darstellen. Voraussetzung ist, dass sich die Wertmaßstäbe für das Sittenwidrigkeitsurteil nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern aus eigenständigen Wertungsbereichen ergeben.
Dies ist noch nicht der Fall, wenn die Ehefrau den begangenen Ehebruch nicht von sich aus offenbart und den Ehemann damit in dem Glauben lässt, das Kind stamme von ihm. Allein die Tatsache, dass die Ehefrau den Treuebruch verschwiegen hat, begründet keine sittenwidrige Handlung nach § 826 BGB. Es besteht keine mit Schadenersatz sanktionierte Pflicht, dem anderen Ehegatten einen Ehebruch zu offenbaren. Etwas anderes gilt, wenn die Ehefrau, die bei einem Ehebruch ein Kind empfangen hat, Zweifel des Ehemannes an der Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben oder ausdrückliches Leugnen des Ehebruchs zerstreut oder wenn sie den Ehemann durch eine arglistige Täuschung oder auf andere Weise, etwa durch Drohungen, an der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindert.
Kein Widerspruch zu älterer BGH-Rechtsprechung
Ältere Entscheidungen des BGH stehen zu der vorliegenden nicht im Widerspruch: Die Rechtsprechung zur Verwirkung und Begrenzung des Unterhalts nach § 1579 Nr. 7 BGB (15.2.12, XII ZR 137/09, FamRZ 12, 779) ändert an den vorstehenden Grundsätzen nichts. In dieser Entscheidung ging es darum, dass das Verschweigen der Vaterschaft eines anderen Mannes einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeit der Lebensgestaltung des Ehemannes darstellt. Dessen Verhältnis und Einstellung zu dem Kind und regelmäßig auch zu der Ehe hängen wesentlich von dem Bestehen seiner leiblichen Vaterschaft ab. Das bloße Verschweigen eines Ehebruchs stellt hier noch kein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten dar, § 1579 Nr. 7 BGB.
Das Verschweigen der Vaterschaft eines anderen Mannes kann allerdings unter Umständen ein Härtegrund sein, der zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs (VA) führt (BGH 21.3.12, XII ZB 147/10, FamRZ 12, 845). Es kann zudem die Anfechtung einer schenkungsweisen Zuwendung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB begründen (BGH 27.6.12, XII ZR 47/09, FamRZ 12, 1363). Zu entscheiden ist jeweils anhand des Einzelfalls. Die Entscheidung zur Verwirkung und zum VA betreffen eine familienrechtliche Sondervorschrift.
Auch die Zulassung einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung betrifft eine andere Fallgestaltung, weil es hier um eine von familiärer Verbundenheit geprägte Zuwendung an die Ehefrau geht. Der Kindesunterhalt ist allein dem Kind zugutegekommen. Eine schadenersatzpflichtige Täuschungshandlung ist nicht in der Erklärung der Ehefrau im Rahmen des Scheidungsverfahrens zu sehen. Damals ging es offensichtlich um eine Zerrüttung der Ehe und nicht um die rund drei Jahre davor liegende Empfängnis.
Rechtsfolge eines möglichen Schadenersatzanspruchs
Aus §§ 280, 242 BGB kann nicht dehalb Regressanspruch hergeleitet werden, weil die Ehefrau unzureichend Auskunft erteilt hat. Allerdings ist die Antragsgegnerin auskunftspflichtig. Der Ehemann hat einen Anspruch darauf, zu wissen, wer als Vater des Kindes in Betracht kommt. Dies gilt auch für den Fall der Scheidung. Die Sonderbeziehung ist aus der Vaterschaft und der Ehe abzuleiten. Dieser Auskunftsanspruch besteht auch nach der Scheidung fort. Einen Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB scheitert, weil dieser aus dem Gesichtspunkt einer Regressverhinderung den Anspruchsteller nur so stellen kann, wie er stünde, wenn die auskunftspflichtige Mutter den tatsächlichen Vater benannt hätte und damit der Scheinvaterregress nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB eröffnet wäre.
Die Unterhaltsleistung durch den Scheinvater an das Kind hat gemäß § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den tatsächlichen Vater auf den Leistenden übergeht. Dabei behält der übergegangene Anspruch seine Rechtsnatur als Unterhaltsanspruch. Das bedeutet, dass sich die Höhe der Regressforderung nicht nach dem richtet, was der Scheinvater an Unterhalt geleistet hat, sondern danach, welchen Unterhaltsanspruch das Kind gegenüber seinem tatsächlichen Vater hat. Die Werthaltigkeit des übergegangenen Anspruchs hängt mithin in erster Linie von der Leistungsfähigkeit des leiblichen Vaters ab.
Um einen Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB schlüssig zu begründen, müsste der Ehemann darlegen, in welcher Höhe er bei dem tatsächlichen Vater hätte Regress nehmen können, was ihm freilich ohne die Auskunft nicht möglich ist. Dadurch ist der Ehemann allerdings nicht rechtlos gestellt. Er kann seine Ehefrau auf Auskunft in Anspruch nehmen, gegebenenfalls auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinwirken oder bei nicht gehöriger Erfüllung die Vollstreckung betreiben.
BGH: Kein Schadenersatz aus Risikohaftung
In manchen Fällen kann zwar ein Auskunftsverfahren ergebnislos bleiben, wenn sich die Mutter zum Beispiel aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr erinnern kann. Dies rechtfertigt keinen Schadenersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Risikohaftung. Eine solche Schadenersatzpflicht ließe sich letztlich nur unter Heranziehung der Umstände herleiten, die nach Auffassung des Ehemannes bereits einen Schadenersatzanspruch wegen Verschweigens des Ehebruchs begründen sollten. Dies würde zu einer Umgehung der oben dargestellten Grundsätze führen, die einen solchen Schadenersatzanspruch gerade ausschließen.
Praxishinweis
In den Entscheidungen zur Verwirkung und zum Härtefall beim VA hat der BGH das schwerwiegende Fehlverhalten darauf gestützt, dass die Ehefrau den Ehemann nicht darauf hingewiesen hat, dass das Kind aus einem Ehebruch stammen könnte. Ausreichend ist das bloße Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen. Trotzdem hat der BGH festgelegt, dass das gesetzlich vorgesehene Statusverfahren nicht eingehalten werden muss, sondern in einem Unterhaltsrechtsstreit die Vaterschaftsfrage zum Gegenstand einer gerichtlichen Beweiserhebung gemacht werden darf, soweit es um die Verwirkung des Ehegattenunterhalts/die Härteklausel beim VA geht. In der weiteren Entscheidung zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hat der BGH eine Verpflichtung der Ehefrau zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit angenommen, dass das Kind von einem anderen Mann abstammt. Dies gilt, wenn es um wesentlich von der familiären Verbundenheit der Beteiligten geprägte Zuwendungen geht. Danach ist es erforderlich, über Zweifel bei der leiblichen Abstammung hinzuweisen.
Vorliegend hat der BGH eine Schadenersatzpflicht abgelehnt und sich vor allem damit auseinandergesetzt, ob ein Widerspruch zu den genannten drei Entscheidungen besteht. Dies hat der BGH verneint, weil es in den ersten beiden Fällen um einen Sonderaspekt, die Verwirkung und die Härteklausel beim VA, geht. Den Widerspruch zum letzteren Fall hat der BGH damit abgelehnt, dass die Zuwendung der Ehefrau zugutekommen sollte. Eine Schadenersatzverpflichtung wegen ungerechtfertigter Unterhaltszahlungen betrifft Leistungen, die dem Kind ausschließlich zugutegekommen sind.
Wichtig | Von besonderer Bedeutung ist ferner, dass der BGH eine Auskunftsverpflichtung der Ehefrau angenommen hat, die auch gerichtlich durchgesetzt werden kann. Die Verletzung dieser Verpflichtung kann möglicherweise zu Schadenersatzansprüchen führen. Diese lassen sich aber im Regelfall kaum vortragen, weil der Ehemann dartun müsste, ob überhaupt eine Regressmöglichkeit gegen den Scheinvater im Hinblick auf dessen Leistungsfähigkeit besteht. Solange er dessen Namen nicht kennt, ist ihm dieser Vortrag nicht möglich. Aus diesem Grund bleibt ihm gar keine andere Wahl, als die Ehefrau auf Auskunft gerichtlich in Anspruch zu nehmen.
Allerdings wird diesem Unterfangen der Erfolg versagt sein, wenn sich die Ehefrau aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr an den tatsächlichen Vater erinnern oder diesen namentlich nicht benennen kann. Für diesen Fall hat der BGH einen Schadenersatzanspruch aus einer Risikohaftung abgelehnt. Dies würde nämlich dazu führen, dass damit allein das Verschweigen des Ehebruchs zum deliktischen Tatbestand erhoben würde. Der BGH sieht darin zu Recht eine Umgehung der deliktischen Haftung und lässt im Fall der Erfolglosigkeit der Auskunft eine Schadenersatzverpflichtung nicht zu.
Weiterführende Hinweise
- FK 13, 63, zum Auskunftsanspruch bei anonymer Samenspende
- FK 12, 188, zum Unterschieben eines Kindes als Härtegrund im Versorgungsausgleich