· Fachbeitrag · Nachehelicher Unterhalt
Keine rückwirkende Erhöhung des Unterhalts nach Auskunftserteilung und Bezifferung
von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht und Erbrecht, Düsseldorf
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Sachverhalt
Die Beteiligten F und M streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab August 2009. Aus ihrer von Mai 1991 bis Mai 2009 andauernden Ehe sind die 1993 und 1995 geborenen Kinder hervorgegangen. Bis Mai 2010 bewohnte die Antragstellerin F gemeinsam mit den Kindern das als Ehewohnung dienende Haus. Der Antragsgegner M ersteigerte das Haus und übernahm die Kinderbetreuung. F arbeitet seit Januar 2009 vollschichtig bei der Stadtsparkasse. M ist stellvertretender Geschäftsstellenleiter bei der Stadtsparkasse.
Nachdem F im August 2009 von M Auskunft zur Geltendmachung nachehelichen Unterhalts bekommen hatte, hat sie ihren Unterhaltsanspruch auf 310,50 EUR beziffert und im November 2009 einen entsprechenden Zahlungsantrag bei Gericht gestellt, den sie später rückwirkend erhöht hat.
Das AG hat den Antrag auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen. Auf die Beschwerde der F hat das Beschwerdegericht M für die Zeit ab August 2009 zu Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt in unterschiedlicher Höhe verpflichtet, zuletzt für die Zeit ab Juli 2012 monatlich in Höhe von 804 EUR Elementarunterhalt und 182 EUR Altersvorsorgeunterhalt. Hiergegen wendet sich M mit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist erfolgreich und die Sache ans OLG zurückzuverweisen. § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB erlaubt nicht, einen nach ursprünglichem Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich zu erhöhen.
Wortlaut spricht nicht gegen rückwirkende Erhöhung nach Bezifferung
Zwar berechtigt § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB den Unterhaltsgläubiger, für die Vergangenheit Unterhalt zu fordern. Unterhalt kann ab dem Zeitpunkt verlangt werden, zu dem der Pflichtige zur Auskunftserteilung aufgefordert wurde. Nach dem Wortlaut der Norm steht eine zwischenzeitlich erfolgte Bezifferung des Unterhalts einer rückwirkenden Erhöhung nicht entgegen.
Aber: Anspruchsgrundlage muss eingeschränkt ausgelegt werden
Allerdings bedarf die Norm einer einschränkenden Auslegung. Der Pflichtige ist ab Zugang des Auskunftsbegehrens laut Gesetzgeber nicht mehr schutzwürdig. Von nun an muss er damit rechnen, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden und kann Rückstellungen bilden (BT-Drucksache 13/7338, 31; BGH FamRZ 07, 193). Soweit der Berechtigte aber seinen Unterhaltsanspruch nach Auskunftserteilung beziffert hat, ohne sich vorzubehalten, den Anspruch zu erhöhen, braucht der Pflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in bezifferter Höhe zu rechnen.
Ansonsten wäre der Gläubiger einem unangemessenen Risiko ausgesetzt
Ließe man zu, dass der Gläubiger Forderungen für die Vergangenheit wirksam geltend machen kann, würde man dem Schuldner das Risiko unkalkulierbar angewachsener Rückstände aufbürden. Gerade hiervor soll § 1613 BGB aber schützen. Außerdem ist es nicht gerechtfertigt, den Berechtigten, der seine Forderung nach vorangegangener Auskunft beziffert hat, besser zu stellen als den, der seine Unterhaltsforderung sogleich beziffert hat. Für Letzteren begründet § 1613 Abs. 1 BGB nur in Höhe des bezifferten Betrags Verzug, sodass eine nachträgliche Anspruchserhöhung rückwirkend nicht möglich ist (BGH FamRZ 90, 283). Dies gilt für den Zeitraum von August 2009 bis Juli 2010, für den F rückwirkend monatlich Altersvorsorgeunterhalt begehrt und für August 2010, für den sie einen Elementarunterhalt von 1.254,71 EUR zuzüglich höheren Altersvorsorgeunterhalts in Höhe von 366 EUR begehrt.
Altersvorsorgeunterhalt ist Teil des gesamten Lebensbedarfs
Zwar kann Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an verlangt werden, in dem er ausdrücklich geltend gemacht worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt worden ist. Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt sind lediglich Teile des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs. Eines gesonderten Hinweises, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, bedarf es nicht (BGH FamRZ 07, 193). Dies bezieht sich indes allein auf das Auskunftsersuchen als solches, nicht auf die Bezifferung. Sofern der Berechtigte seinen Unterhaltsanspruch beziffert hat, ohne einen Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, scheidet ein rückwirkend verlangter, über den bezifferten Betrag hinausgehender Unterhalt aus.
Praxishinweis
Durch die einschränkende Auslegung von § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB betont der BGH den insgesamt plausiblen Schutz des Schuldners. Dieser soll nach Auskunftserteilung und Bezifferung des Unterhaltsanspruchs nicht willkürlichen Forderungserhöhungen für die Vergangenheit ausgesetzt sein. Andernfalls könnten sich unvertretbare Unterhaltsrückstände aufbauen. Nachvollziehbar ist, dem Schuldner das Risiko nur für die Zeit zwischen Auskunftsverlangen und Erstbezifferung aufzuerlegen. Anderes gilt lediglich, wenn der Gläubiger sich Erhöhungen vorbehalten hat. An dieser Stelle hätten sich Erwägungen des BGH dazu angeboten, wie es einzustufen wäre, wenn der Schuldner die Aufklärung unterhaltsrelevanter Tatsachen vereitelt.