· Fachbeitrag · Ausgleichsreife eines Versorgungsanrechts
Rentenanrecht aus Hofübergabevertrag mit Abänderungsklausel
von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle
Zur Ausgleichsreife eines durch Hofübergabevertrag begründeten Rentenanspruchs, dessen Abänderung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gemäß § 323 ZPO vorbehalten ist (BGH 21.11.13, XII ZB 403/12, FamRZ 14, 282, Abruf-Nr. 140113). |
Sachverhalt
Der Landwirt M und seine Ehefrau F wurden nach 26-jähriger Ehe geschieden. Sie streiten über die Einbeziehung eines Anrechts des M aus einem Hofübergabevertrag in den Versorgungsausgleich (VA). In diesem kurz vor Ehezeitende geschlossenen Vertrag hat der Sohn des M, der den Hof übernommen hat, dem M eine monatliche, durch Indexklausel wertgesicherte Rente von 2.000 EUR als Gegenleistung für den übertragenen Grundbesitz versprochen. Die Zahlungspflicht entsteht aufschiebend bedingt mit dem Ausscheiden des M aus dem von ihm und seinem Sohn derzeit noch gemeinsam geführten landwirtschaftlichen Betrieb. Schuldrechtlich haben die Vertragspartner weiter vereinbart, dass bei einer wesentlichen Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden Verhältnisse eine Anpassung der Rente gemäß § 323 ZPO verlangt werden kann. Als Änderungsgründe sollen insbesondere eine Verringerung der Leistungsfähigkeit des Sohnes und ein veränderter Bedarf des M berücksichtigt werden. M kann sich dabei auch auf einen durch Pflegebedürftigkeit ausgelösten Mehrbedarf berufen, soweit er diesen nicht aus eigenen Mitteln decken kann.
Das AG hat das Anrecht im VA außer Ansatz gelassen. Mit ihrer Beschwerde hat die F die Einbeziehung des Anrechts in den VA begehrt und sich dabei auch darauf gestützt, dass sie früher auf dem Hof mitgearbeitet habe. Das OLG hat das Anrecht berücksichtigt und intern geteilt. Ein von M inzwischen erklärter Verzicht auf die Rentenzahlung sei unwirksam, weil es sich hierbei um einen Vertrag zulasten Dritter, nämlich der F, handele. Die Einbeziehung des Anrechts in den VA sei auch nicht grob unbillig. Der Ausgleichswert sei entsprechend § 40 VersAusglG zeitratierlich zu ermitteln. Dabei sei die Zeit der Mitarbeit der F im Betrieb des M ins Verhältnis zu der gesamten Zeit der Betriebsführung des M zu setzen. Auf diese Weise könne F einen Ausgleich für die von ihr geleistete Mitarbeit im Betrieb des M erhalten. Das Ausscheiden des M aus dem Betrieb sei zu dem Zeitpunkt zu unterstellen, in dem er die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze erreiche. Es errechne sich ein Ehezeitanteil von monatlich rund 1.164 EUR. In Höhe des hälftigen Ausgleichswerts von monatlich 582 EUR hat das OLG das Anrecht auf F übertragen.
Dagegen wenden sich beide Ehegatten mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde. M wehrt sich dagegen, dass das Anrecht überhaupt in den VA einbezogen wird, F erstrebt die Übertragung eines Anrechts von monatlich 1.000 EUR. Die Rechtsbeschwerde des M hat Erfolg, die der F dagegen nicht.
Entscheidungsgründe
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG unterliegen dem VA nur Anrechte, die durch Arbeit oder Vermögen erworben worden sind. Durch den Einsatz von Vermögen sind Anrechte erworben, denen Sach- oder Geldmittel eines Ehegatten zugrunde liegen. Hier ist die Rente dem M nicht nur als Gegenleistung für die Hofübernahme i.S. einer Bewirtschaftungsmöglichkeit oder gar unentgeltlich versprochen worden. Vielmehr ist die Rente hier eine Gegenleistung für den von M auf seinen Sohn übertragenen Grundbesitz. Damit hat M das Anrecht unzweifelhaft aus seinem Vermögen erworben.
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG muss das Anrecht außerdem der Versorgung für den Fall des Alters und/oder der Invalidität dienen. Für eine Altersversorgung kommt es nicht darauf an, ob die in den Regelsicherungssystemen vorgesehenen Altersgrenzen erreicht sind. Es genügt vielmehr, dass die zugesagte Rente der Versorgung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Arbeitslebens dienen soll. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da der Beginn der zugesagten Rente an das Ausscheiden des M aus dem landwirtschaftlichen Betrieb und somit an seinen Eintritt in den Ruhestand anknüpft. Unerheblich ist, dass der Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb noch offen ist.
Nach § 19 Abs. 1 VersAusglG sind jedoch Anrechte, die (noch) nicht ausgleichsreif sind, vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen. Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist, § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG.
MERKE | Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht erst, wenn der Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige Entwicklung nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert ist (BGH FamRZ 13, 1021). |
An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Da beide Partner des Hofübergabevertrags die Anpassung an veränderte Verhältnisse verlangen können und insbesondere für den Fall sinkender Leistungsfähigkeit des Hofübernehmers keine Mindestrente vereinbart worden ist, kann der Rentenanspruch des M durch die künftige Entwicklung noch beeinträchtigt werden und ist daher jedenfalls der Höhe nach nicht ausreichend verfestigt.
Das Anrecht bleibt deshalb insgesamt einem schuldrechtlichen VA vorbehalten (§§ 20 ff. VersAusglG).
Für ein solches späteres Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Anrecht nach dem Hofübergabevertrag als Gegenleistung für den übertragenen Grundbesitz und somit insgesamt während der Ehe erworben wurde. Es wäre deshalb nicht zeitratierlich zu bewerten, sondern hälftig auszugleichen.
Praxishinweis
Anrechte aus Hofübergabeverträgen fallen nur insoweit in den VA, als eine Rentenzahlung vereinbart worden ist, § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG. Dies erwähnt der BGH nicht ausdrücklich. Er stellt aber klar, dass auch ein Rentenanrecht nur in den VA fällt, wenn es die Gegenleistung für die Übertragung des Grundbesitzes oder von anderen Vermögenswerten darstellt. Wenn es dagegen nur als Gegenleistung für die Möglichkeit der Bewirtschaftung des Hofes oder gar unentgeltlich versprochen wird, fehlt es an dem für die Einbeziehung in den VA erforderlichen Versorgungszweck (BGH FamRZ 82, 909).
Nicht hinreichend verfestigte Anrechte bleiben einem schuldrechtlichen VA vorbehalten, § 19 Abs. 4 VersAusglG. Dies ist in der Entscheidung über den Wertausgleich ausdrücklich festzuhalten, wobei aber ein Hinweis in den Gründen genügt, § 224 Abs. 4 FamFG. Fehlt der Hinweis, dass ein Ehegatte ein nicht ausgleichsreifes Anrecht erworben hat, sollte der Ausgleichsberechtigte Beschwerde einlegen. Sonst besteht die Gefahr, dass ein schuldrechtlicher Ausgleich vom Familiengericht mit der Begründung abgelehnt wird, das Anrecht hätte bereits im Wertausgleich bei der Scheidung berücksichtigt werden können und müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH (FK 14, 49) können nur solche Anrechte noch schuldrechtlich ausgeglichen werden, die nicht dem Wertausgleich bei der Scheidung unterfielen, nicht dagegen Anrechte, die im Wertausgleich übersehen worden sind. Ist ein in der Ehezeit erworbenes Anrecht in der Entscheidung über den Wertausgleich überhaupt nicht erwähnt worden, bleibt offen, ob es in den Wertausgleich hätte einbezogen werden können und übersehen worden ist.
Der schuldrechtliche VA kann erst durchgeführt werden, wenn der Ausgleichspflichtige die auszugleichende Rente bezieht und auch bei dem Ausgleichsberechtigten ein Versorgungsfall eingetreten ist, § 20 Abs. 2 VersAusglG. Für die Berechnung der von M zu zahlenden Rente (§ 20 Abs. 1 VersAusglG) ist von der aktuellen Höhe der vertraglich vereinbarten Rente auszugehen. Deren Ehezeitanteil wird entweder unmittelbar oder zeitratierlich berechnet, §§ 39 ff. VersAusglG. Hier ist das Anrecht in der Ehezeit erworben worden, weil der Hofübergabevertrag innerhalb dieser Zeit geschlossen worden ist. Unerheblich ist, ob M das Grundvermögen, das er für den Erwerb des Rentenanrechts eingesetzt hat, vor oder in der Ehezeit erworben hatte (BGH FamRZ 12, 434).
Da M das Anrecht in der Ehezeit erworben hat, muss er F zur Hälfte an der Rente beteiligen. Für die Einbeziehung in den VA kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. M hätte daher besser den Hofübergabevertrag erst nach Ende der Ehezeit abgeschlossen. In diesem Fall wäre der Grundbesitz zwar beim Zugewinnausgleich (ZGA) in seinem Endvermögen anzusetzen gewesen. Dies wäre für M jedoch günstiger gewesen. Es hätte sich nur ein etwaiger Wertzuwachs des landwirtschaftlichen Betriebs während der Ehezeit im Zugewinn niedergeschlagen. Auch wäre dem M die privilegierte Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe zugute gekommen, § 1376 Abs. 4 BGB. Ein ähnliches Ergebnis hätte auch erzielt werden können, wenn der Vertrag zwar während der Ehezeit abgeschlossen worden wäre, als Gegenleistung für die Hofübernahme aber eine Kapitalzahlung vereinbart worden wäre. Die unterschiedlichen wirtschaftlichen Folgen im VA und im ZGA sind bei der Gestaltung von Hofübergabeverträgen zu beachten.