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  • · Fachbeitrag · Ausschluss des VA

    Folgen einer langen Trennungszeit und fehlenden Versorgungsgemeinschaft

    von RA Dr. Michael Zecher, FA Familienrecht und Erbrecht, Ilsfeld

    Eine im Verhältnis zur Ehedauer lange Trennungszeit kann bei fehlender Versorgungsgemeinschaft nach der Trennung zu einem Ausschluss der während der Trennungszeit erworbenen Versorgungsanwartschaften führen (OLG Stuttgart 22.7.13, 15 UF 68/13, n.v., Abruf-Nr. 141275).

     

    Sachverhalt

    Die Parteien haben 1989 geheiratet. Seit Ende 04 leben sie voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag wurde jedoch erst am 5.8.11 zugestellt. Der Antragsteller (AS) war während der Ehezeit selbstständig. Die Antragsgegnerin (AG) war über weite Teile der Ehezeit im Unternehmen des AS abhängig beschäftigt, solange bis dieses Insolvenz anmelden musste. Im Zusammenhang mit der Insolvenz seiner Firma hat der AS auch sein gesamtes privates Vermögen inklusive seiner der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen verloren und die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Kindesunterhalt für die gemeinsame Tochter der Parteien hat der AS weder freiwillig bezahlt noch konnte gegen ihn vollstreckt werden. Die AG begehrt einen vollständigen, hilfsweise teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs (VA).

     

    Entscheidungsgründe

    Der VA ist gemäß § 27 VersAusglG für die Zeit vom Ablauf des Trennungsjahres bis zum Ende der Ehezeit auszuschließen.

     

    Eine lange Trennungszeit kann zu einem Ausschluss oder einer Herabsetzung des VA wegen grober Unbilligkeit führen, wenn es während der Trennungszeit an einer Versorgungsgemeinschaft fehlt.

     

    Dem steht auch nicht § 1 Abs. 1 VersAusglG entgegen, der zwar grundsätzlich einen Wertausgleich für die gesamte Ehezeit vorschreibt. Dies jedoch in erster Linie aus Zweckmäßigkeitserwägungen, um dem Ausgleichsverpflichteten jegliche Manipulationsmöglichkeit durch Herbeiführung der Trennung zu nehmen (vgl. BGH FamRZ 13, 106).

     

    Für die Dauer der Trennung lässt sich kein allgemeiner Maßstab anlegen. Je länger allerdings die Trennungszeit im Verhältnis zur Ehezeit andauert, desto eher kommt die Anwendung der Härteklausel und damit ein teilweiser Ausschluss des VA in Betracht.

     

    In Anwendung dieser Grundsätze erscheint die unbeschränkte Durchführung des VA im vorliegenden Fall grob unbillig.

     

    Die Eheleute haben rund 15 Jahre zusammengelebt. Demgegenüber haben sie bis zum Ende der Ehezeit rund 6,5 Jahre getrennt gelebt, mithin nahezu 1/3 der Ehezeit.

     

    Mit der Trennung war die Versorgungsgemeinschaft der Parteien vollständig aufgehoben. Keiner hat dem jeweils anderen Trennungsunterhalt geleistet. Vielmehr hat sogar die im Ergebnis eigentlich ausgleichspflichtige AG die gemeinsame Tochter alleine betreut und ist daneben für deren Barunterhalt aufgekommen.

     

    An der Unbilligkeit ändert auch die Tatsache nichts, dass die AG es selbst in der Hand gehabt hätte frühzeitig einen eigenen Scheidungsantrag zu stellen. Denn auch dann hätte bereits mit der Trennung der Parteien keine Versorgungsgemeinschaft mehr bestanden.

     

    Ein weiterer, über die Trennungszeit hinaus gehender, Ausschluss des VA kommt hingegen nicht in Betracht. Insofern rechtfertigt die Annahme einer groben Unbilligkeit nicht, dass der AS dem freihändigen Verkauf der gemeinsamen Immobilie nicht zugestimmt hat - insoweit hat er lediglich eine formale Rechtsposition ausgeübt. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass der AS trotz Durchführung des VA bei Erreichen des Rentenalters voraussichtlich auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sein wird und somit lediglich eine Entlastung der Staatskasse Folge des VA ist. Im Gegensatz zu Konstellationen, in denen sich der Zuwachs an Rentenanwartschaften (z.B. wegen Nichterreichens von Wartezeiten) beim Ausgleichsberechtigten nicht auswirkt (vgl. BGH FamRZ 89, 46), steht die Anrechnung auf Sozialleistungen und damit die Entlastung des Sozialhilfeträgers hingegen mit den Zwecken des VA im Einklang.

     

    Zur Berechnung des um die Trennungszeit verringerten VA sind die auf die Trennungszeit entfallenden Anwartschaften zu ermitteln und von den auf die gesamte Ehezeit entfallenden Anwartschaften abzuziehen.

     

    Es ist nicht zulässig, stattdessen das Ende der Ehezeit vorzuverlegen (BGH FamRZ 06, 769).

     

    Praxishinweis

    Eine lange Trennungsdauer allein rechtfertigt grundsätzlich keinen - auch nicht teilweisen - Ausschluss des VA. Nach BGH ist sie allenfalls Prüfungsanlass (FamRZ 93, 302).

     

    Hinsichtlich der langen Trennungsdauer ist diese ins Verhältnis zur Ehezeit zu setzen. Im vorliegenden Fall hat das Gericht 1/3 Trennungszeit im Verhältnis zur Gesamtehezeit als lange Trennungsdauer eingestuft. Zu der langen Trennungsdauer müssen weitere Umstände hinzutreten, die einen (Teil-)Ausschluss rechtfertigen, z.B.

    • das völlige Auseinanderleben der Eheleute infolge langer Trennung (BGH FamRZ 85, 280);
    • das Vorhandensein einer anderen ausreichenden Altersversorgung des Berechtigten (BGH FamRZ 82, 475);
    • eine Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Schnitzler, Familienrecht, zur Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 99 | ID 42659526