· Fachbeitrag · Betriebliche Altersversorgung
Sachleistungen unterliegen nicht dem Versorgungsausgleich
von VRiOLG a.D. Hartmut Wick
Sachleistungen der betrieblichen Altersversorgung (hier: Stromdeputat) unterfallen nicht dem Versorgungsausgleich (BGH 4.9.13, XII ZB 296/13, FamRZ 13, 1795, Abruf-Nr. 133165). |
Sachverhalt
Der Ehemann (M) hat in der Ehezeit ein Anrecht aus einer betrieblichen Zusage der RWE auf eine Deputatleistung in Form einer Energiepreisvergünstigung erhalten. Das AG und das OLG haben eine Einbeziehung dieses Anrechts in den Versorgungsausgleich (VA) abgelehnt. Die Rechtsbeschwerde der Ehefrau (F) hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Zwar handelt es sich auch bei Sachleistungen, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aus Anlass des Arbeitsverhältnisses zusagt, um solche der betrieblichen Altersversorgung, wenn die Leistungen der Versorgung für den Alters- oder Invaliditätsfall dienen sollen. Der Leistungsbegriff der betrieblichen Altersversorgung beschränkt sich nicht auf Geldleistungen, sondern umfasst auch Sach- und Nutzungsleistungen, insbesondere Deputate, selbst wenn derartige Leistungen auch aktiven Arbeitnehmern gewährt werden. Auch ließe der offene Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 3 HS. 2 VersAusglG eine Einbeziehung betrieblicher Sachleistungen in den VA zu.
Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber allerdings den VA gezielt auf solche betrieblichen Anrechte erweitern, die auf Kapitalleistungen gerichtet sind. Damit sollten Liquiditätsprobleme aufgefangen werden, die entstehen könnten, wenn ein Anrecht, das weder fällig noch anderweitig verwertbar ist, anstelle im VA güterrechtlich ausgeglichen würde. Außerdem sollte eine Umgehung des VA durch Ausübung eines Kapitalwahlrechts nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags verhindert werden.
Die Einbeziehung betrieblich zugesagter Sachleistungen würde sich auch nicht in das System des VA einfügen. Denn die gesetzlichen Ausgleichsmechanismen setzen Anrechte voraus, die auf eine Geldleistung - entweder in Form einer Rente oder als Kapitalbetrag - zielen. Ein Anrecht auf Sachleistungen wäre bei der Scheidung regelmäßig noch nicht ausgleichsreif i.S. des § 19 Abs. 2 VersAusglG. Denn die Leistungen wären regelmäßig von Bedingungen abhängig, deren Eintritt bei der Scheidung noch nicht feststeht. Insbesondere hängt der Bezug von Sachleistungen davon ab, ob der Berechtigte tatsächlich die Möglichkeit hat, diese in Anspruch zu nehmen. Vorliegend könnte M die Deputatleistungen nur erhalten, wenn er im Inland lebt und einen eigenen Haushalt führt. Das Anrecht wäre daher noch nicht hinreichend verfestigt und müsste einem schuldrechtlichen VA nach der Scheidung vorbehalten bleiben. Die Mechanismen des schuldrechtlichen VA setzen jedoch auszugleichende Geldleistungen voraus, § 20 VersAusglG. Auch ein Anspruch auf Abtretung des Anspruchs gegen den Versorgungsträger (§ 21 VersAusglG) scheidet aus, weil dieser keine Geldrente schuldet. Die Abfindung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn § 23 VersAusglG setzt voraus, dass es sich bei dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht um ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt. Dies ist wegen des möglichen Wegfalls der weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben.
Praxishinweis
Nach früherem Recht unterlagen dem VA generell nur Versorgungsleistungen, die auf eine Rente gerichtet waren. Dies gilt zwar nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 HS. 2 VersAusglG grundsätzlich auch im neuen Recht. HS. 2 dieser Vorschrift enthält jedoch zwei Ausnahmen: Anrechte i.S. des Betriebsrentengesetzes (betriebliche Altersversorgung) und Anrechte i.S. des AltZertG (d.h. aus einem zertifizierten privaten Altersvorsorgevertrag) fallen unabhängig von der vorgesehenen Leistungsform in den VA. Damit sind solche Anrechte auch in den VA einzubeziehen, wenn sie auf Kapitalleistungen gerichtet sind. Dies ist vom Gesetzgeber auch beabsichtigt (BT-Drucksache 16/10144, 46).
Energieversorgungsunternehmen haben ihren Arbeitnehmern Alters- und Invaliditätsleistungen teilweise auch in Form von Energiepreisvergünstigungen (sog. Deputaten) zugesagt. Ferner gibt es in der Privatwirtschaft Zusagen auf verbilligte oder kostenfreie Nutzungen (z.B. Wohnrechte). Auch solche auf Sachleistungen gerichteten Anrechte sind nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (BAGE 120, 330; 133, 289) der betrieblichen Altersversorgung i.S. des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) zuzurechnen. Die offene Formulierung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 HS. 2 VersAusglG warf die Frage auf, ob nach neuem Recht neben Rentenanrechten nicht nur Anrechte, die auf Kapitalleistungen abzielen, sondern auch auf Sachleistungen gerichtete Anrechte in den VA einzubeziehen sind. Dies wurde in der Literatur teilweise bejaht (z.B. Schulz/Hauß, Familienrecht, 2. Aufl., § 2 VersAusglG, Rn. 15; Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Aufl., § 2 VersAusglG, Rn. 11). Der BGH hat sich der Gegenmeinung angeschlossen und überzeugend begründet, dass Anrechte auf Sachleistungen nicht in das System des VA passen.
Offen bleibt, ob Anrechte auf Sachleistungen und Nutzungen in den Zugewinnausgleich (ZGA) einzubeziehen sind (dafür Borth, VA, 7. Aufl., Rn. 80). Der BGH hat dies nach früherem Recht für möglich gehalten (FamRZ 93, 682, 683). In der Literatur werden Anwartschaftsrechte, die nicht dem VA unterliegen, einem güterrechtlichen Ausgleich unterworfen, sofern sie hinreichend gesichert sind und deshalb schon einen Vermögenswert verkörpern (MüKoKoch, BGB, 6. Aufl., § 1375, Rn. 7; Büte, ZGA bei Scheidung, 4. Aufl., Rn. 86). Danach könnte ein Energiedeputat wohl nur einen im ZGA zu erfassenden Vermögenswert darstellen, wenn hinreichend sicher wäre, dass der Berechtigte tatsächlich in den Genuss der Energiepreisvergünstigung kommen wird.
Weiterführender Hinweis
- Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn. 103 ff.