· Fachbeitrag · Interne Teilung
Kontrolle der Teilungsanordnungen ist wichtig
von VRiOLG a. D. Hartmut Wick, Celle
| Der BGH hat präzisiert, wie die gleichwertige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten durch die Teilungsordnungen der Versorgungsträger (VT) oder notfalls durch gerichtliche Maßgabenanordnungen zu gewährleisten und in welchen Fällen es noch zu tolerieren ist, wenn bei der Bewertung der Anrechte keine sog. Unisex-Tarife angewendet worden sind. |
Sachverhalt
Der M hat in der Ehezeit u. a. ein betriebliches Anrecht in Form einer 1996 vom Arbeitgeber für ihn abgeschlossenen Lebensversicherung (sog. Direktversicherung) erworben, das vom AG übersehen wurde. Auf die Beschwerde der F hat das OLG dieses Anrecht mit dem vom VT vorgeschlagenen Ausgleichswert und verschiedenen Maßgaben zur Teilungsordnung des VT intern geteilt. Zum einen hat es angeordnet, dass das für die F zu begründende Anrecht nicht ‒ wie in der Teilungsordnung vorgesehen ‒ mit aktuellen Rechnungsgrundlagen, sondern ebenso wie das auszugleichende Anrecht mit auf das Ehezeitende bezogenen Rechnungsgrundlagen zu berechnen ist. Zum anderen hat es bestimmt, dass der Ausgleichswert zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung mit dem sich aus diesen Rechnungsgrundlagen ergebenden Rechnungszins aufzuzinsen ist. F hat Rechtsbeschwerde erhoben, mit der sie sich gegen die Maßgabenanordnungen des OLG wendet, insbesondere soweit das OLG die Anwendung geschlechtsspezifischer Sterbetabellen gebilligt hat.
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Zu den Auswirkungen der sog. Test-Achats-Entscheidung des EuGH über die Unzulässigkeit geschlechtsspezifischer Kalkulation von Prämien und Leistungen bei privaten Versicherungen (EuGH 1.3.11, C-236/09, NJW 11, 907) auf die interne Teilung einer betrieblichen Direktversicherung im Versorgungsausgleich (Abruf-Nr. 236598). |
Entscheidungsgründe
Das Anrecht des M ist als betriebliche Altersversorgung zu qualifizieren. Daran ändert es nichts, dass der ehemalige Arbeitgeber des M als ursprünglicher Versicherungsnehmer der Lebensversicherung nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dem M die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers eingeräumt hat (sog. versicherungsvertragliche Lösung, § 2 Abs. 2 S. 2 BetrAVG).
Die Wirkungen der vom Gericht gem. § 10 Abs. 1 VersAusglG angeordneten internen Teilung eines Anrechts richten sich zwar grundsätzlich nach den vom VT getroffenen Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht, § 10 Abs. 3 VersAusglG. Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung der gerichtlichen Entscheidung fällt den Gerichten aber die Aufgabe zu, die rechtliche Vereinbarkeit der maßgeblichen (untergesetzlichen) Versorgungs- oder Teilungsordnung mit höherrangigem Recht zu überprüfen. Gem. § 11 Abs. 1 VersAusglG muss die interne Teilung eine gleichwertige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten sicherstellen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, darf das Gericht das Anrecht nicht nach Maßgabe dieser Regelungen des VT ausgleichen. Ist eine Regelung lediglich unklar oder mehrdeutig oder verstößt sie nur in einzelnen Randaspekten gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe, muss das Gericht mit Rücksicht auf die Privatautonomie des VT prüfen, ob sich der Kern der Versorgungs- oder Teilungsordnung durch geeignete gerichtliche Maßgabenanordnungen aufrechterhalten lässt.
Nach der hier vom OLG getroffenen Maßgabenanordnung sind auf das für die F zu begründende Anrecht keine aktuellen Rechnungsgrundlagen, sondern insgesamt die Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der auszugleichenden Versicherung anzuwenden, die auf das Ehezeitende bezogen waren. Zu den Rechnungsgrundlagen einer Lebensversicherung gehören der Rechnungszins, die biometrischen Faktoren (Sterbetafeln) und die Kostenansätze. Die F beanstandet, dass die in der Maßgabenanordnung des OLG für anwendbar erklärten Sterbetafeln aus der Tarifgeneration der bestehenden Versicherung ‒ anders als aktuell verwendete Sterbetafeln ‒ eine für weibliche Versicherte in der Leibrentenversicherung ungünstigere geschlechtsspezifische Kalkulation von Prämien und Leistungen vorsehen würden. Ob diese Beurteilung zutrifft, erscheint fraglich, kann aber dahingestellt bleiben. Denn es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass das OLG mit seiner Maßgabenanordnung, wonach auf das zu begründende Anrecht insgesamt die Rechnungsgrundlagen der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind, auch die Heranziehung der früheren geschlechtsspezifischen Sterbetafeln vorgegeben hat.
Der BGH hat zwar entschieden, dass der Ausgleichswert (auch) von betrieblichen Anrechten (zumindest bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen) im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 1.3.11 ab Januar 13 auf der Grundlage von Unisex-Tarifen berechnet werden muss (BGH FK 17, 133).
Jetzt stellt er jedoch klar, dass ein im Wege interner Teilung zu begründendes Anrecht noch auf der Grundlage geschlechtsspezifischer biometrischer Faktoren berechnet werden darf, wenn das auszugleichende Anrecht bei einer betrieblichen Direktversicherung besteht, die vor dem 21.12.12 abgeschlossen worden ist. Selbst Änderungen eines Versicherungsvertrags, die nach diesem Stichtag (den der EuGH gesetzt hat) vorgenommen worden sind, zwingen nicht ohne Weiteres dazu, Unisex-Tarife anzuwenden, sofern sie nicht so wesentlich sind, dass sie wirtschaftlich einem Neuabschluss des Vertrags gleichstehen. Zwar führt die interne Teilung des Anrechts aus einem Versicherungsvertrag schon deshalb zu einer gewichtigen Änderung des Vertrags, weil sich bei dem auf den Ausgleichsberechtigten übertragenen Teil des Anrechts das versicherte Risiko ändert. Die Begründung eines neuen Anrechts beruht aber nicht auf einer Vereinbarung der Vertragsparteien, sondern auf einem richterlichen Gestaltungsakt. Deshalb ist für das neu begründete Anrecht keine Veränderung der für das auszugleichende Anrecht geltenden biometrischen Rechnungsgrundlagen geboten.
Relevanz für die Praxis
Bei jeder internen Teilung muss das Familiengericht prüfen, ob die Versorgungs- oder Teilungsordnung des VT die gleichwertige Teilhabe beider Ehegatten (§ 11 Abs. 1 VersAusglG) sicherstellt. Dass es die erforderliche Prüfung vorgenommen hat, muss es dadurch zum Ausdruck bringen, dass es im Tenor der Entscheidung auf die maßgeblichen Teilungsregelungen Bezug nimmt. Verstößt eine Teilungsordnung nur geringfügig oder in einzelnen Aspekten gegen das Postulat der Teilhabegerechtigkeit, muss das Gericht im Tenor der gerichtlichen Entscheidung anordnen, dass die Teilung mit bestimmten Maßgaben zur Teilungsordnung erfolgt. Nur wenn der Verstoß gegen den Grundsatz der gleichwertigen Teilhabe beider Ehegatten so gravierend ist, dass ihnen mit gerichtlichen Maßgaben nicht begegnet werden kann, hat das Familiengericht unter Rückgriff auf § 11 Abs. 2 VersAusglG im Tenor ausdrücklich auszusprechen, dass das Anrecht für den Ausgleichsberechtigten zu den für das auszugleichende Anrecht geltenden Bedingungen übertragen wird (BGH FK 17, 154).
übersicht / Prüfungsschemata |
Für den Anwalt des Ausgleichsberechtigten:
Für den Anwalt des Verpflichteten:
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