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  • · Fachbeitrag · Kindererziehungszeiten im VA

    „Mütterrente“ wurde erneut verbessert

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    | Mit dem „RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz“ vom 28.11.18 (BGBl. I S. 2016) ist die sog. Mütterrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nochmals verbessert worden. Die Regelungen sind am 1.1.19 in Kraft getreten und auch für den VA bedeutsam. |

    1. Kindererziehungszeiten

    In der gesetzlichen Rentenversicherung werden seit 1986 (auch für die Vergangenheit) Kindererziehungszeiten angerechnet, und zwar von einem Jahr ab Geburt des Kindes. Für ab 1992 geborene Kinder wurde die Kindererziehungszeit später auf drei Jahre verlängert, während es für früher geborene Kinder bei einem Jahr blieb. Wird während der Kindererziehungszeit ein weiteres Kind geboren und erzogen, wird die Kindererziehungszeit für dieses um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert, sodass für jedes Kind die maximale Erziehungszeit erreicht werden kann. Die Kindererziehungszeiten wurden zunächst mit 0,75 Entgeltpunkten pro Jahr bewertet, seit dem 1.7.98 wird (auch rückwirkend) rund 1 Entgeltpunkt pro Jahr angerechnet. Die Gutschrift erhält i. d. R. die Mutter des Kindes. Auf gemeinsame Erklärung beider Eltern wird die Kindererziehungszeit jedoch dem Vater zugeordnet.

    2. Reformen der „Mütterrente“

    Mit der „Mütterrente“ wird die Bewertung von Kindererziehungszeiten für Kinder bezeichnet, die vor 1992 geboren wurden. Ab dem 1.7.14 wurde die Kindererziehungszeit für diese Kinder um ein Jahr auf insgesamt zwei Jahre verlängert. Dadurch erhöhten sich die gesetzlichen Rentenanwartschaften und Renten der berechtigten Elternteile um bis zu 1 Entgeltpunkt pro Kind und die Ausgleichswerte dieser Anrechte im VA um bis zu 0,5 Entgeltpunkten für jedes in der Ehezeit erzogene Kind. VA-Entscheidungen konnten abgeändert werden, wenn sich der Ausgleichswert einer gesetzlichen Rentenanwartschaft aufgrund der zusätzlichen Entgeltpunkte wesentlich geändert hatte (dazu Wick FK 14, 139).

     

    Mit der am 1.1.19 in Kraft getretenen Neuregelung ist die anrechenbare Kindererziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder um weitere 6 Monate auf insgesamt 2 ½ Jahre verlängert worden. Dies führt bei den berechtigten Elternteilen rückwirkend zu einer zusätzlichen Gutschrift von bis zu 0,5 Entgeltpunkten. Das entspricht derzeit einem Rentenwert von monatlich 16,01 EUR in den alten und 15,32 EUR in den neuen Bundesländern. Die Gutschrift kann geringer ausfallen, wenn der berechtigte Elternteil in der Kindererziehungszeit erwerbstätig war und dabei Einkünfte erzielt hat, die über dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten lagen. Laufende Renten werden erst ab 1.1.19 um den Zuschlag erhöht. Der Ausgleichswert der Anrechte erhöht sich um bis zu 0,25 Entgeltpunkte pro Kind.

    3. Auswirkungen der Reformen im VA

    Die Verlängerungen der rentenrechtlichen Kindererziehungszeit wirken sich auf die Bewertung der gesetzlichen Rentenanwartschaft oder Rente aus, soweit (auch) die erst aufgrund der Reformen von 2014 und 2019 zusätzlich angerechneten Kindererziehungszeiten, also die Zeit vom 13. bis 30. Monat nach der Geburt des Kindes, in die Ehezeit fallen. Insoweit hat sich das ehezeitlich erworbene Anrecht aufgrund der Gesetzesänderungen um den entsprechenden Zuschlag an Entgeltpunkten erhöht, § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG. An diesem nach Ehezeitende, aber mit Rückwirkung auf die Ehezeit eingetretenen Wertzuwachs muss der andere, insoweit ausgleichsberechtigte Ehegatte teilhaben. Ihm steht die Hälfte des Ehezeitanteils und damit auch der für die zusätzliche Kindererziehungszeit gutgeschriebenen Entgeltpunkte zu, § 1 VersAusglG. In laufenden Verfahren muss der Anwalt, der den Ehegatten des erziehenden Elternteils vertritt, darauf achten, dass die verlängerte Kindererziehungszeit für ein vor 1992 geborenes Kind in der Auskunft des Rentenversicherungsträgers aufgeführt ist. Sonst muss er darauf dringen, dass eine neue Auskunft eingeholt wird. Das gilt auch für anhängige Abänderungsverfahren über den VA.

     

    Ist über den VA rechtskräftig entschieden worden, bevor die Reformen wirksam geworden sind, kann der Ausgleichsberechtigte einen nachträglichen Ausgleich der vom Ausgleichspflichtigen zusätzlich erworbenen Entgeltpunkte im Wege eines Abänderungsverfahrens erreichen. Erfolg versprechend ist ein Abänderungsantrag, wenn für den anderen Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung Erziehungszeiten für mehrere vor 1992 geborene Kinder angerechnet worden sind oder wenn die abzuändernde Entscheidung vor dem Wirksamwerden mehrerer späterer Leistungsverbesserungen ergangen ist.

     

    VA-Entscheidungen, die nach früherem Recht ergangen sind, sind nach §§ 51, 52 VersAusglG abänderbar, wenn sich der Ausgleichswert eines in die frühere Entscheidung einbezogenen Anrechts wesentlich geändert hat. Dies kann, muss aber nicht die gesetzliche Rentenanwartschaft des erziehenden Ehegatten sein. Die Voraussetzungen für eine wesentliche Wertänderung richten sich nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i. V. m. § 225 Abs. 3 FamFG. Die absolute Wesentlichkeitsgrenze ist auf der Grundlage des früheren Rentenbetrags der Anwartschaft zu berechnen (BGH FK 19, 29). Die Abänderungsentscheidung kann (wegen der „Totalrevision“) hinsichtlich anderer auszugleichender Anrechte auch zu einer für den Antragsteller nachteiligen Änderung führen. Ist der insgesamt Ausgleichsberechtigte zwischenzeitlich verstorben, kann der Ausgleichspflichtige im Wege der Abänderung aber sogar erreichen, dass der bisher zu seinen Lasten durchgeführte VA ganz aufgehoben wird (BGH FK 18, 199).

     

    VA-Entscheidungen nach neuem Recht sind nach §§ 225, 226 FamFG nur in Bezug auf das Anrecht abzuändern, auf das sich der Abänderungsantrag bezieht und bei dem eine wesentliche Wertänderung festgestellt wird. DieAbänderung beschränkt sich auf die in § 32 VersAusglG genannten Regelversorgungen. Hier besteht nicht die Gefahr, dass in der Abänderungsentscheidung auch dem Antragsteller nachteilige Änderungen beim Ausgleich anderer Anrechte erfolgen. Die absolute Wesentlichkeitsgrenze ist hier auf der Grundlage des korrespondierenden Kapitalwerts der Entgeltpunkte zu bestimmen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 68 | ID 45779219