· Nachricht · Rentnerprivileg
Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs ist verfassungsgemäß
| Die Abschaffung des sog. Rentnerprivilegs bei der zum 1.9.09 in Kraft getretenen Strukturreform des VA ist verfassungsgemäß. Die frühere Rechtslage, nach der die Kürzung der Versorgungsbezüge bei dem Ausgleichspflichtigen an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs bei dem Ausgleichsberechtigten gekoppelt wurde, war verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten (BVerfG 11.12.14, 1 BvR 1485/12). |
§ 55c Abs. 1 Satz 2 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) in der bis zum 31.8.09 geltenden Fassung bestimmte, dass Kürzungen des Ruhegehalts des Ausgleichspflichtigen aufgrund des VA erst zu dem Zeitpunkt vollzogen wurden, in dem der durch den VA Berechtigte seinerseits eine Rente bezog und dadurch von dem VA real profitierte. In der Zwischenzeit erhielt der Pflichtige sein ungekürztes Ruhegehalt. Entsprechende Regelungen gab es für die gesetzliche Rentenversicherung (RV) sowie für Beamte und Richter (sog. Rentnerprivileg). Durch die Strukturreform des VA wurde das sog. Rentnerprivileg zum 1.9.09 - Ausnahme: Übergangsfälle - abgeschafft.
Der Beschwerdeführer (BF) wurde im März 1956 geboren und bezieht seit April 2009 Ruhegehalt nach dem SVG. Seine im April 1958 geborene Ehefrau ist als Arzthelferin berufstätig. Die 1978 geschlossene Ehe wurde 2011 geschieden, der VA wurde durchgeführt. Jeweils im Wege der internen Teilung wurde zulasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen RV Bund ein Anrecht für den BF und zulasten des Anrechts des BF bei der Wehrbereichsverwaltung West ein Anrecht für die Ehefrau begründet. Die Wehrbereichsverwaltung West kürzte das Ruhegehalt des BF. Im Hinblick auf den vorgezogenen Ruhestand des BF und die Tatsache, dass er aus dem ihm übertragenen Anrecht der gesetzlichen RV noch keine Rente erhalten kann, setzte das AG die Kürzung der Versorgungsbezüge des BF gem. §§ 35 und 36 VersAusglG teilweise aus. Aufgrund der Verpflichtung des BF, seiner Ehefrau nachehelichen Unterhalt zu zahlen, setzte das AG die Kürzung gemäß §§ 33, 34 VersAusglG ab März 2011 weiter aus, lehnte einen weitergehenden Antrag auf vollständige Aussetzung der Kürzung aber ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das OLG zurück. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
Die Rechtslage verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG: Nach § 55c Abs. 1 S. 1 SVG in der seit dem 1.9.09 geltenden Fassung sind die Versorgungsbezüge eines Ausgleichspflichtigen ab dem Wirksamwerden der familiengerichtlichen Entscheidung zu kürzen. Eine Aussetzung der Kürzung ist - von Übergangsfällen abgesehen - nur in den Grenzen der §§ 32 ff. VersAusglG vorgesehen. Der Ausgleichspflichtige erhält bei Eintritt in den Ruhestand grundsätzlich nur noch um den VA gekürzte Ruhestandsbezüge, und zwar unabhängig davon, ob der Ausgleichsberechtigte schon eine Rente bezieht oder nicht. Der VA bestimmt in mit dem GG grundsätzlich vereinbarer Weise Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften (BVerfG 6. 5.14, 1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13). Insbesondere das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des VA ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch ist es verfassungsrechtlich zulässig, die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des Ausgleichsberechtigten zu koppeln. Dass der Gesetzgeber das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des VA mit dem sog. Rentnerprivileg selbst teilweise durchbrochen hatte, war verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten. Der Gedanke, die spürbare Kürzung bei dem Ausgleichspflichtigen müsse sich, um mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar zu sein, für den Berechtigten angemessen auswirken, steht der Kürzung der Versorgungsbezüge nicht entgegen. Anders als beim ungeteilten Anrecht bei Fortbestand der Ehe beginnen die Leistungen an die Geschiedenen aus den geteilten Anrechten je nach Eintritt des Versicherungsfalls zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Der Versicherungsfall kann beim Ausgleichspflichtigen eher als beim -berechtigten eintreten, sodass der Pflichtige eine gekürzte Rente bezieht, während der Berechtigte noch keine Leistungen bezieht. Es kann aber auch umgekehrt der Versicherungsfall beim Ausgleichsberechtigten früher als bei dem Pflichtigen eintreten, sodass der Berechtigte aus seinem Anrecht bereits zu einem Zeitpunkt Leistungen erhält, zu dem bei Fortbestand der Ehe noch keine Leistungen erfolgt wären. Weder im einen noch im anderen Fall verfehlt die Teilung der Anrechte ihren Zweck, dem Berechtigten ein eigenständiges Versorgungsanrecht zu verschaffen (BVerfG 6.5.14, 1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13).
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 3/2015 vom 16.1.15)