· Fachbeitrag · Vereinbarungen über den VA
Kein Anspruch auf Verrechnung von Anrechten
von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle
| Sind im VA das Anrecht eines Ehegatten auf landesrechtliche Beamtenversorgung und das Anrecht des anderen in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen, hat der Beamte keinen Anspruch auf eine Verrechnungsvereinbarung, wonach nur der überschießende Ausgleichswert der Beamtenversorgung ausgeglichen wird. Das hat der BGH entschieden. |
Sachverhalt
Der M hat während der Ehezeit ein Anrecht auf landesrechtliche Beamtenversorgung mit einem Ausgleichswert von monatlich 151,52 EUR erworben, die F ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 1,9402 Entgeltpunkten (bei Ende der Ehezeit entsprechend einer Monatsrente von 56,67 EUR) und ein Anrecht aus einer berufsständischen Versorgung mit einem Ausgleichswert von monatlich 39,50 EUR. Das AG hat das Anrecht des M extern und die Anrechte der F jeweils intern geteilt. M erstrebt erfolglos eine Verrechnung der beiderseitigen Anrechte.
Entscheidungsgründe
M hat keinen Anspruch auf eine Verrechnungsvereinbarung (BGH 30.10.19, XII ZB 537/17, Abruf-Nr. 212706). Hinsichtlich des berufsständischen Anrechts folgt dies daraus, dass eine Verrechnung für F nicht ergebnisneutral wäre: Ihre berufsständische Versorgung würde nicht intern geteilt. Sie verbliebe ihr. Im Gegenzug würde sie im Wege externer Teilung der Beamtenversorgung des M ein geringeres Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten als beim gesetzlichen Ausgleich. Hinsichtlich der Verschiedenartigkeit der Anrechte kann sie aber ein Interesse daran haben, auf Kosten der berufsständischen Versorgung zusätzliche Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten.
Zwar erlaubt § 6 Abs. 1 VersAusglG den Abschluss von Verrechnungsvereinbarungen. Darin können auch beamtenrechtliche Anrechte einbezogen werden (BGH FK 15, 6). Eine Pflicht der F, der Verrechnung mit dem gesetzlichen Anrecht zuzustimmen, könnte sich aber nur aus §§ 242, 1353 Abs. 1 BGB ergeben. Der M müsste ohne eine Verrechnung einen finanziellen Nachteil erleiden, den die F aus nachehelicher Solidarität abzuwenden hätte. Das ist hier nicht der Fall. Zwar verliert der ausgleichspflichtige Beamte bei externer Teilung nach § 16 Abs. 1 VersAusglG Teile seiner Beamtenversorgung, insbesondere seiner Dienstunfähigkeitsabsicherung. Dies ist aber eine strukturelle Folge des Hin-und-Her-Ausgleichs im VA und daher i. d. R. hinzunehmen. Außerdem könnte ein Landesbeamter im Fall seiner Dienstunfähigkeit mit einem Antrag nach § 35 VersAusglG erreichen, dass die Kürzung des Ruhegehalts ausgesetzt wird, wenn und soweit er aus dem gegenläufig an ihn übertragenen gesetzlichen Rentenanrecht noch keine Erwerbsminderungsrente erhalten kann. Ob dieser Antrag erfolgreich wäre, wenn der Beamte unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags vorzeitig in den Ruhestand tritt, kann offenbleiben. Denn die damit verbundenen finanziellen Nachteile würden auf dessen eigener Entscheidung beruhen, die sich der andere Ehegatte nicht entgegenhalten lassen muss.
In solchen Fällen würde ein Kontrahierungszwang i. d. R. die Interessen des gesetzlich Rentenversicherten verletzen. Zwar würde der Hin-und-Her-Ausgleich nach dem Gesetz für den rentenversicherten Ehegatten eines Landesbeamten zum gleichen Ergebnis führen, als wenn nur der überschießende Teil des Beamtenanrechts, der nach einer Verrechnung beider Anrechte übrig bliebe, durch externe Teilung nach § 16 Abs. 1 VersAusglG ausgeglichen würde. Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung unterscheiden sich aber wesentlich voneinander (dazu BGH FK 14, 84; 14, 192). Zwar werden die korrespondierenden Kapitalwerte von Anrechten der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 47 Abs. 2 und 3 VersAusglG nach den gleichen Berechnungsgrundlagen ermittelt. Grund: Ein Anrecht der Beamtenversorgung kann nicht durch freiwillige Beitragszahlung erworben werden, sodass für die Bewertung kein „Einkaufspreis“ zur Verfügung steht. Deshalb sind hilfsweise die Berechnungsgrößen der gesetzlichen Rentenversicherung heranzuziehen, zumal die korrespondierenden Kapitalwerte nur Hilfsgrößen sind. Auf diese kann aus verfahrensökonomischen Gründen zurückgegriffen werden, um Werte verschiedenartiger Anrechte zu vergleichen.
Ein gesetzlich versicherter Ehegatte muss jedoch selbst entscheiden dürfen, wie sein Anrecht mit dem von seinem Ehegatten erworbenen beamtenrechtlichen Anrecht angemessen verrechnet werden kann. Würde die F hier zu einer Verrechnungsvereinbarung auf der Grundlage übereinstimmender Rentenbeträge ‒ und damit zugleich auch übereinstimmender korrespondierenderKapitalwerte ‒ verpflichtet, würde ihr damit faktisch die Bewertungsregel des § 47 Abs. 3 VersAusglG aufgezwungen, die auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruht. Die korrespondierenden Kapitalwerte können bei Einvernehmen der Ehegatten als brauchbare Grundlage für eine Verrechnungsvereinbarung herangezogen werden. Ein Zwang hierzu kann aber nicht aufgestellt werden.
Relevanz für die Praxis
Ein Beamter hat meist ein Interesse daran, im Wege einer Verrechnung der Ausgleichswerte den gesetzlich vorgesehenen Hin-und-Her-Ausgleich der Anrechte zu vermeiden, um so das beamtenrechtliche Anrecht weitgehend zu erhalten. Der BGH bestätigt, dass die Ehegatten die Verrechnung von Anrechten aus verschiedenen Versorgungssystemen ‒ auch aus der Beamtenversorgung ‒ vereinbaren können, § 6 VersAusglG. Damit kann z. B. die Anzahl der Versorgungsarten, die sich infolge des Hin-und-Her-Ausgleichs bei beiden ergeben würde, verringert und bei interner Teilung der Abzug von Teilungskosten (§ 13 VersAusglG) vermieden werden. Laut BGH besteht jedoch i. d. R. kein Zwang dazu. Für Anrechte unterschiedlicher Art folgert er dies schon aus den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme. Die F muss deshalb hier nicht hinnehmen, dass ihr berufsständisches Anrecht mit der Beamtenversorgung des M verrechnet wird. Berufsständische Versorgungen weisen i. d. R. geringere Anpassungsraten auf als die gesetzlichen Anrechte. Daher kann es für die F vorteilhaft sein, den Ausgleichswert ihres berufsständischen Anrechts an den M abzugeben, um ihre gesetzlichen Rentenanwartschaften aufzustocken.
Warum sie aber nicht verpflichtet sein soll, einer Verrechnung ihres Anrechts aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Beamtenversorgung des M zuzustimmen, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Denn die Verrechnung hätte für sie die gleichen Auswirkungen wie ein Ausgleich nach dem Gesetz:
Nach § 16 Abs. 1 VersAusglG muss das Anrecht des M extern geteilt werden. Während Anrechte von Bundesbeamten nach dem Bundesversorgungsteilungsgesetz (BVersTG) intern geteilt werden, sieht kein Bundesland die interne Teilung der Anrechte von Landes- und Kommunalbeamten vor. Folge der externen Teilung ist: Zulasten des Anrechts des M aus der Beamtenversorgung wird für die F ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Dazu wird der in einem monatlichen Rentenbetrag ausgedrückte Ausgleichswert des beamtenrechtlichen Anrechts in Entgeltpunkte der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet, § 16 Abs. 3 VersAusglG. Beide Anrechte werden dabei als vergleichbar behandelt. Im Gegenzug wird das von der F in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Anrecht intern geteilt, § 10 Abs. 1 VersAusglG. M erhält in Höhe des Ausgleichswerts Entgeltpunkte auf einem Versicherungskonto gutgeschrieben, die Entgeltpunkte der F werden gekürzt. Da die erworbenen und die abgegebenen Entgeltpunkte miteinander verrechnet werden (§ 10 Abs. 2 S. 1 VersAusglG i. V. m. § 120f Abs. 1 SGB VI), erhält die F eine Gutschrift i. H. d. Differenz der Ausgleichswerte.
Zum gleichen Ergebnis würde für die F auch eine Verrechnungsvereinbarung führen. Das Gericht hätte dann nur das Anrecht des M i. H. d. Differenz zwischen den beiderseitigen Ausgleichswerten extern zu teilen. Beiden Ehegatten bliebe ihr eigenes Anrecht so weit wie möglich erhalten.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BGH dem Beamten hier verweigert, eine Verrechnungsvereinbarung durchzusetzen. Ein Grund könnte nur darin liegen, dass der gesetzlich Versicherte eine weitergehende Vereinbarung über den VA oder gar die Einbeziehung des VA in eine umfassende Scheidungsfolgenvereinbarung erreichen will (OLG Brandenburg FamRZ 17, 876). Legt er dies aber nicht dar, kann sein Widerstand als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein. Dem Beamten kann (ausnahmsweise) ein aus der nachehelichen Solidarität hergeleiteter Zustimmungsanspruch zustehen.
PRAXISTIPP | Ein Beamter sollte versuchen, eine Verrechnungsvereinbarung zu erreichen. Denn das beamtenrechtliche Anrecht bietet Vorteile, die er sich möglichst erhalten sollte (z. B. günstige Anpassungssätze, Dienstunfähigkeitsversorgung, vorgezogene Alterspensionierungen). Ein Beamter hat kaum Interesse daran, ein Kleinstanrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, vor allem, wenn er damit nicht einmal die zum Bezug einer gesetzlichen Rente erforderliche Wartezeit (§ 50 Abs. 1, § 52 Abs. 1 SGB VI) erfüllen kann. Die Verrechnung sollte auf Basis des Monatsbetrags der Versorgungsanwartschaften erfolgen. Dieser wird in der Auskunft des Rentenversicherungsträgers für die gesetzliche Rentenanwartschaft angegeben. Für den gesetzlich versicherten Ehegatten eines Landes- oder Kommunalbeamten ist die Verrechnung ergebnisneutral, sofern er nicht eine weitergehende Scheidungsfolgenvereinbarung anstrebt. Da das Anrecht eines Bundesbeamten nach dem BVersTG intern zu teilen wäre, würde sein gesetzlich versicherter Ehegatte bei einem Ausgleich nach § 10 Abs. 1 VersAusglG ein eigenes Anrecht in der Beamtenversorgung erwerben. Er muss abwägen, ob er daran interessiert ist, sein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung möglichst ungeschmälert zu behalten, oder ob er sich vom Erwerb eines beamtenrechtlichen Anrechts größere Vorteile verspricht. Je geringer das zu erwartende beamtenrechtliche Anrecht ausfallen würde, umso attraktiver wird eine Verrechnungsvereinbarung. |