· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Streitpunkte bei der Betriebskostenabrechnung im gewerblichen Mietverhältnis
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 4.7.13 (I-10 U 52/13, Abruf-Nr. 133528 ) zu wichtigen Abrechnungsfragen im Zusammenhang mit der Abrechnung von Betriebskosten im gewerblichen Mietverhältnis Stellung genommen. Seine Ausführungen liefern wichtige Hinweise für die Mandatsbearbeitung. |
1. Der Fall des OLG Düsseldorf
Die beklagte Mieterin hat von der Klägerin Büroräume im Hochhaus eines aus diesem und einem Altbau bestehenden Gesamtobjekts angemietet. Der Mietvertrag sieht vor, dass die Betriebskosten nach dem Verhältnis der Mietflächen der gesamten Mietfläche des Objekts anteilig umzulegen sind, soweit nicht einzelne Kosten nur von einem Mieter verursacht oder gesondert durch separate Verbrauchserfassungsgeräte ermittelt werden. In diesen Fällen ist ein entsprechend modifizierter (Flächen-)Schlüssel anzuwenden. Die Parteien streiten um Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen für zwei Jahre.
Die Klägerin hat die für das Gesamtobjekt entstandenen Betriebskosten unter Bildung von Abrechnungskreisen nach der Gesamtfläche (16.191,32 m2), die allein von der Mieterin verursachten Aufwendungen nach der vertraglich vereinbarten Mietfläche (562,50 m2) und alle sonstigen Nebenkosten unter Ausscheidung der gesondert erfassten Altbauflächen allein nach Maßgabe der Fläche des Hochhauses umgelegt (10.869 m2). Die der Beklagten übermittelten Abrechnungen waren nur mit der Lupe zu lesen. Die Erläuterung der Abrechnungskreise hat die Klägerin erst während des Prozesses nachgeholt. Die Nachforderungsklage hat bis auf einen Teil des Zinsanspruchs Erfolg.
2. Wann muss der Flächenschlüssel erläutert werden?
Grundsatz: Eine Erläuterung des angewandten Verteilungsmaßstabs ist nur geboten, wenn dies zum Verständnis der (im Übrigen formell ordnungsgemäßen) Abrechnung erforderlich ist.
- Nicht erforderlich ist dies in aller Regel bei einer Umlage nach dem Flächenmaßstab, da dieser aus sich selbst heraus verständlich ist (BGH MK 09, 26, Abruf-Nr. 090066; MK 10, 209, Abruf-Nr. 102868; MK 11, 7, Abruf-Nr. 103737). In einem solchen Fall bedarf es nicht einmal der ausdrücklichen Angabe des Verteilerschlüssels, wenn im Mietvertrag eine Abrechnung anhand der Mietfläche vorgesehen ist und in der Berechnung die insoweit maßgeblichen Daten (Gesamtmietfläche und gemietete Teilfläche) angegeben sind (OLG Düsseldorf ZMR 01, 882).
- Eine Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß, selbst wenn in ihr verschiedene Flächenschlüssel oder gemischte Umlegungsmaßstäbe verwendet worden sind, sofern die Berechnung den Mieter gedanklich und rechnerisch nicht vor Schwierigkeiten stellt (BGH MK 08, 174, Abruf-Nr. 081901).
Merke | Nähere Angaben sind ferner entbehrlich, wenn sie dem Mieter - etwa in einer vorangegangenen Abrechnung oder auf Nachfrage - bereits erteilt worden sind (BGH MK 10, 209); dementsprechend ist auch eine Erläuterung des Verteilungsschlüssels nicht erforderlich, wenn entsprechende Kenntnisse des Mieters aufgrund früherer Abrechnungen vorausgesetzt werden können (BGH NJW 82, 573; OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Hier liegt den Nebenkostenabrechnungen ein dreistufig differenzierender Flächenschlüssel zugrunde und der Gehalt der in der Rubrik „Gesamt- Bemessung“ eingestellten Beträge ist weder dort noch in den Anschreiben näher erläutert worden. Das heißt: Die der Beklagten erteilten Abrechnungen waren zunächst nicht formell ordnungsgemäß. Die für das Verständnis der Abrechnung erforderlichen Informationen - Bildung von Abrechnungseinheiten - sind der Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 18.1.12 erteilt worden.
3. Wann ist die Betriebskostennachforderung fällig?
Der Anspruch des Vermieters auf Bezahlung der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten wird grundsätzlich mit der Erteilung, d.h. mit Zugang der formell ordnungsgemäßen Abrechnung fällig (BGH MK 07, 81, Abruf-Nr. 070901). Der Eintritt der Fälligkeit setzt dagegen nicht voraus, dass nach Erteilung der Abrechnung zunächst eine angemessene Frist zu ihrer Überprüfung durch den Mieter verstrichen ist (BGH MK 06, 80, Abruf-Nr. 060768).
Merke | Ein formeller Fehler führt nur zur Unwirksamkeit der Abrechnung insgesamt, wenn er sich durchgängig durch die gesamte Abrechnung zieht. Betrifft ein solcher Fehler nur einzelne Kostenpositionen, bleibt die Abrechnung im Übrigen unberührt, wenn die jeweiligen Einzelpositionen unschwer herausgerechnet werden können (BGH MK 11, 113, Abruf-Nr. 112083). Eine sich aus der Betriebskostenabrechnung ergebende Nachforderung ist fällig und verbleibt dem Vermieter dann insoweit, als sie auch ohne Berücksichtigung der unwirksam abgerechneten Positionen gerechtfertigt ist (BGH MK 10, 209).
Der die gesamte Abrechnung betreffende formelle Mangel, führt hier jedoch nicht zur vollständigen Abweisung der Klage, sondern lediglich zu einer Verschiebung des Zinsbeginns. Grund: Der Vermieter kann die Mängel seiner Betriebskostenabrechnung durch Nachholung der erforderlichen Angaben im Rechtsstreit beheben, ohne dass es der Vorlage einer neuen (korrigierten) Abrechnung bedarf. Folge: Die Nachforderung wird mit dem Zugang der Erläuterungen beim Prozessbevollmächtigten des Mieters fällig.
4. Darlegungslast bei Kostenveränderungen zum Vorjahr
Kostensteigerungen einzelner Betriebskosten gegenüber der Vorjahresabrechnung muss der Vermieter nicht bereits in der Abrechnung erläutern und im Übrigen auch nur, wenn der Vortrag des Mieters hierzu Veranlassung gibt. Grund: Es ist zunächst Sache des Mieters, sich durch Einsichtnahme in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege über die angefallenen Kosten und den Grund einer etwaigen Kostensteigerung zu informieren. Erst wenn diese Belegeinsicht diese Fragen nicht beantworten kann und der Mieter dies nachvollziehbar darlegt, ist der Vermieter gegebenenfalls zu einer weitergehenden Erläuterung verpflichtet (BGH MK 12, 81, Abruf-Nr. 121140; OLG Düsseldorf NZM 00, 762). Hieran fehlt es, sodass es für die unter dem 24.1.12 vom LG angeordnete Belegvorlage keine Rechtsgrundlage gab.
5. Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot
Die Beklagte genügt mit dem schlichten Hinweis auf zu hohe Kosten und auf Schwankungen der Kosten in verschiedenen Abrechnungsperioden auch nicht ihrer Darlegungslast für den Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (BGH MK 08, 19 Abruf-Nr. 073621). Unerwartete Kostensteigerungen gegenüber früheren Abrechnungen oder Differenzen zu den geleisteten Vorauszahlungen begründen im Übrigen weder einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot noch eine Pflichtverletzung des Vermieters, weil sie durch außerhalb seiner Verantwortungssphäre liegende Umstände (allgemeine Kostenentwicklung, Verbrauchsverhalten der Mieter u.a.) hervorgerufen werden (BGH MK 04, 94, Abruf-Nr. 040642; MK 04, 147, Abruf-Nr. 041912; MK 08, 19; OLG Rostock ZMR 09, 527).
6. Verwirkung
Ein Recht ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht geltend gemacht hat und sich der Verpflichtete darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, wobei der Verstoß gegen Treu und Glauben in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung liegt (statt vieler: BGH MK 08, 185, Abruf-Nr. 081906). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da selbst die mehrjährige Nichtabrechnung von Nebenkostennachforderungen für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand zugunsten des Mieters schafft. Dasselbe gilt für unerwartete Kostensteigerungen gegenüber früheren Abrechnungen oder Differenzen zu den geleisteten Vorauszahlungen; diese begründen - wie ausgeführt - weder einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot noch eine Pflichtverletzung des Vermieters.
Weiterführende Hinweise
- Zur Belegeinsicht des Mieters in Lieferantenrechnung des Kontraktors im Rahmen der Nebenkostenabrechnung, BGH MK 13, 185, Abruf-Nr. 132733
- Zur Abrechnungsreife der Nebenkosten nach Rechtshängigkeit der Vorschussklage in der 1. Instanz MK 13, 140; in der 2. Instanz MK 13, 158