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  • 27.07.2012 · IWW-Abrufnummer 168964

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 14.05.2012 – 2 Ta 668/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor: Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.09.2011 - 4 Ca 3459/09 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 6.530,28 EUR festgesetzt. Gründe: I Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug um die Zulässigkeit des Rechtsweges für die von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche. Der Kläger war seit dem 01.06.2000 für die Beklagte als Bau- und Projektleiter tätig. Für seine Tätigkeit stellte der Kläger der Beklagten monatlich Abrechnungen auf Stundenbasis unter Beifügung von Arbeitszeitnachweisen aus, wobei er pro Stunde zuletzt einen Betrag in Höhe von 75,79 EUR nebst Zinsen in Rechnung stellte. Wegen der Einzelheiten der Rechnung sowie der Arbeitszeitnachweise wird auf Bl. 229 - 324 d.A. Bezug genommen. Der Kläger hatte in den Betriebsräumen der Beklagten einen fest eingerichteten Arbeitsplatz mit einem PC und Telefonanschluss. Er besaß eine Visitenkarte mit dem Firmenlogo der Beklagten, war im Firmentelefonverzeichnis aufgeführt und hatte eine Firmen-Emailadresse wie die anderen Mitarbeiter der Beklagten. Der Kläger nahm an Betriebs- und Bauleiterbesprechungen sowie an Betriebsfeiern teil. Nach außen trat der Kläger wie ein Arbeitnehmer der Beklagten auf. Neben dem Kläger beschäftigte die Beklagte weitere 15 Bauleiter, deren Arbeitnehmerstatus unstreitig ist. Die Kernarbeitszeit im Betrieb der Beklagten war von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr und wurde auch vom Kläger eingehalten, der ca. 45 Stunden pro Woche für die Beklagte arbeitete. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Klägers wurden die ihm übertragenen Tätigkeiten, die bauprojektbezogen waren, von anderen Bauleitern der Beklagten verrichtet. Eine Urlaubsvergütung sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wurden in der Vergangenheit nicht gezahlt. Ab Mai 2009 stellte die Beklagte dem Kläger ein Dienstwagen zur Verfügung. Mit Bescheid der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung vom 28.04.2010 wurde festgestellt, dass der Kläger bei der Beklagten sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt habe. Der dagegen von der Beklagten eingelegte Rechtsbehelf wurde mit Bescheid vom 27.12.2010 zurückgewiesen. Die von der Beklagten erhobene Klage ist beim Sozialgericht Detmold unter dem Aktenzeichen S 22 R 94/11 anhängig. Der Kläger ist der Ansicht, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet, weil er tatsächlich Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei. Die Arbeitnehmereigenschaft folge daraus, dass er in dem Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen sei, mit anderen Mitarbeitern der Beklagten zusammen gearbeitet habe und von der Beklagten nach Fertigstellung eines Projektes weitere Projekte zugewiesen bekommen habe, wobei er bei der Verrichtung der übertragenen Tätigkeiten weisungsabhängig gewesen sei. Die Aufgabenerledigung sei ihm jeweils seitens der Beklagten detailliert vorgegeben worden. Darüber hinaus sei von der Beklagten wie ein Arbeitnehmer behandelt worden. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht eröffnet, da der Kläger die Tätigkeiten ausschließlich im Rahmen eines Dienstverhältnisses über freie Mitarbeit erbracht habe. Die Tatsache, dass der Kläger im Rahmen der Betriebsabläufe in ihre Organisation eingebunden gewesen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, da die Einbindung lediglich auf den Erfordernissen der bestmöglichen Erledigung der Arbeiten beruht und dem Zweck der optimalen Kommunikation mit ihren Mitarbeitern gedient habe. Schließlich spreche deutlich für den Status eines freien Mitarbeiters die Tatsache, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Vollzuges des Vertragsverhältnisses Vergütung für Urlaubs- oder Krankheitszeiträume verlangt habe. Das Dienstfahrzeug sei dem Kläger lediglich nur deshalb zur Verfügung gestellt worden, weil er ein Projekt in Hamburg zu betreuen gehabt habe und die Fahrtkosten wegen der täglichen Heimfahrten des Klägers sehr hoch gewesen seien. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14.09.2011 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei, weil er weisungsabhängige Tätigkeit bei gleichzeitiger Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation verrichtet habe. Die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger keine festen Vorgaben hinsichtlich seiner Anwesenheitszeiten gemacht habe, stehe der Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht nicht entgegen, da diese sich auch aus dem anfallenden Beschäftigungsbedarf und dem damit verbundenen Umfang der dem Kläger übertragenen Aufgaben ergeben könne. Die Eingliederung des Klägers in die Organisation der Beklagten werde von der Beklagten selbst nicht in Abrede gestellt. Darüber hinaus sei der Kläger aufgrund seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beklagten, der Ausstellung der Visitenkarte, der Bereitstellung eines festen Büroarbeitsplatzes sowie seiner Nennung im Mitarbeitertelefonverzeichnis sowie seiner Erreichbarkeit über eine Firmen-Emailadresse intern wie ein Arbeitnehmer der Beklagten behandelt worden und als solcher auch im Außenverhältnis dargestellt worden. Für die Arbeitnehmerstellung des Klägers spreche auch die Tatsache, dass die übrigen 15 Bauleiter der Beklagten, die die gleichen Tätigkeiten im Rahmen eines weisungsabhängigen Arbeitsverhältnisses verrichtet hätten, ohne dass ersichtlich sei, aufgrund welcher konkreten Umstände der Kläger abweichend von den anderen Bauleitern freier Mitarbeiter gewesen sein solle. Die Tatsache, dass der Kläger in der Vergangenheit keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie keine Urlaubsvergütung erhalten habe, stehe der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft aufgrund der Gesamtumstände der tatsächlichen Vertragsdurchführung nicht entgegen, zumal der Kläger während der gesamten Vertragsdauer kaum arbeitsunfähig krank gewesen sei. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen. Gegen den am 27.09.2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 11.10.2011 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Kammerbeschluss vom 26.10.2011 unter Hinweis darauf nicht abgeholfen hat, dass die Beklagte in der sofortigen Beschwerde keine Tatsachen vorgetragen habe, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen würden. II Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 78 ArbGG, 567, 569 ZPO zulässig, aber unbegründet. Denn das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 14.09.2011 sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.10.2011 Bezug genommen. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass Arbeitsgericht habe die Intention der Vertragsparteien, den Kläger das alleinige wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit tragen zu lassen, indem keine Vergütung bei Krankheit und Urlaub vereinbarungsgemäß gezahlt worden sei, missachtet, so verkennt sie, dass die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Regelungen über bezahlten Mindesturlaub nach Maßgabe der §§ 12 EGFZ, 13 BUrlG zwingendes Recht darstellen und daher nicht zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien stehen. Dementsprechend ist es auch unbeachtlich, ob der Kläger nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auch keinen bezahlten Erholungsurlaub erhalten sollte. Unerheblich ist insoweit auch, dass der Kläger für seine Tätigkeit Rechnungen einschließlich Mehrwertsteuer ausstellte und selbst für die Einhaltung der steuerrechtlichen Bestimmung verantwortlich sein solle. Denn auch die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der vereinbarten Vergütung steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien, sondern ist durch die Rechtsnatur eines Vertragsverhältnisses zwingend vorgegeben. Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Willen der Vertragsparteien kein Arbeitsverhältnis, sondern eine Tätigkeit auf selbständiger Basis vereinbart worden ist. Denn durch die Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des zwingenden Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Ist der Betroffene nach dem objektiven Geschäftsinhalt Arbeitnehmer, so können die davon abweichende Bezeichnung und die Vorstellungen der Parteien nichts daran ändern. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wird ein als freier Mitarbeitervertrag bezeichnetes Vertragsverhältnis tatsächlich wie ein Arbeitsverhältnis durchgeführt, so ist es auch rechtlich abweichend von dem entgegen stehenden Willen der Vertragsparteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren (vgl. BAG, Beschluss v. 15.02.2012 - 10 AZR 111/11, juris; BAG, Urteil v. 14.03.2007 - 5 AZR 499/06, NZA-RR 2007, 424; NZA 1995, 161; BAG, Beschluss v. 30.10.1991 - 7 ABR 19/91, NZA 1992, 407). Die Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall, Gewährung bezahlten Erholungsurlaubs und die Abführung von Steuern- und Sozialversicherungsbeiträgen mögen zwar Indizien für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sein. Ihr Fehlen spricht aber nicht gegen ein Arbeitsverhältnis (vgl. dazu Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2012 = ErfK/Preis, § 611 BGB Rdnr. 49; Berger-Delhey/Alfmeier, NZA 1991, 257, 259 f.). Die Tatsache, dass während der gesamten Vertragsdauer vereinbarungsgemäß keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet und auch kein bezahlter Erholungsurlaub gewährt wurde, ändert an der Beurteilung entgegen der Ansicht der Beklagten nichts. Denn die Dauer einer möglicherweise fehlerhaften Nichtbeachtung der zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen kann keinen Aussagewert hinsichtlich der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses haben. Der Parteiwille ist dementsprechend nur maßgeblich, wenn die getroffenen Vereinbarungen der tatsächlichen Vertragsdurchführung nicht widersprechen (BAG, Urteil v. 25.05.2005 - 5 AZR 347/04, ZTR 206, 43; Urteil v. 14.03.2007 - 5 AZR 499/06, NZA-RR 2007, 424). Der Einwand der Beklagten, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Weisungsabhängigkeit des Klägers ausgegangen, da ihm insbesondere keine bestimmten Arbeitszeiten vorgegeben worden seien, rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung, da flexible Arbeitszeiten auch beim Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls bei qualifizierten und projekt- bzw. auftragsbezogenen Tätigkeiten nicht unüblich sind, so dass der Tatsache, dass der Dienstverpflichtete keine fest vorgegebenen Arbeitszeiten hatte, nicht den Schluss rechtfertigt, dass er selbständig war. Dies gilt insbesondere dann, wenn projektbezogene Tätigkeiten übertragen wurden, die naturgemäß möglichst zeitnah zu erledigen sind, aufgrund der fortschreitenden Bauentwicklung und der dabei auch auswärts zu erledigenden Tätigkeiten keine festen Arbeitszeiten im Voraus festgelegt werden können und die Vergütung nach Stunden bemessen wird, da bei einer derartigen Vertragsdurchführung der genauen Lage der Arbeitszeit, die weitgehend durch die Art der Tätigkeit vorgegeben ist, jedenfalls keine entscheidende Bedeutung zukommt. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Kläger nicht auch vorgetragen hat, dass die von den übrigen Bauleitern zu erledigenden Tätigkeiten während deren Abwesenheit von ihm weisungsgemäß zu verrichten waren. Insofern ist der Beklagten auch zuzugeben, dass dieser Umstand entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss vom 26.10.2011 auch nicht als Indiz für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gewertet werden konnte. Das Arbeitsgericht ist aber im Ergebnis gleichwohl zu Recht vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen. Denn dieses liegt nach Gesamtwürdigung aller übrigen Vertragsumstände vor. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger in die Organisation der Beklagten eingebunden war, insoweit mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten zusammengearbeitet hat, einen eigenen Arbeitsplatz im Betrieb der Beklagten hatte, im Firmenverzeichnis namentlich aufgeführt wurde, über eine Firmen-Email-Adresse der Beklagten zu erreichen war, an internen Dienstbesprechungen teilgenommen hat, nach außen wie ein Arbeitnehmer der Beklagten behandelt wurde und ausschließlich nach Stunden zu einem festen Stundensatz im Rahmen einer auf Dauer angelegten Beziehung bezahlt und wegen der übertragenen Arbeiten im Ergebnis als eine Vollzeitkraft auch ohne ausdrückliche Vereinbarung des Umfangs und der Lage der Arbeitszeit zur Arbeitsleistung herangezogen wurde (vgl. dazu BAG, Beschl. v. 15.02.2012 - 10 AZR 301/10, juris; Urt. v. 14.03.2007 - 5 AZR 499/06, NZA-RR 2007, 424). Hinzu kommt, dass auch die übrigen Bauleiter der Beklagten, die die gleiche Tätigkeit wie der Kläger verrichtet haben und im Falle der Verhinderung des Klägers auch seine Tätigkeiten übernommen haben, aufgrund eines Arbeitsverhältnisses tätig waren, ohne dass ersichtlich ist, wodurch sich die Tätigkeit des Klägers von den übrigen Bauleitern unterscheiden sollte. Die Tatsache, dass der Kläger auch für andere Auftraggeber tätig sein durfte und auch tätig war, steht dem nicht entgegen, da er rund 90 % seines Gesamtverdienstes bei der Beklagten erzielte und die Möglichkeit der Tätigkeit auch für andere nichts daran ändert, dass dem Kläger bei einer tatsächlicher Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beklagten im Ergebnis wie einer Vollzeitkraft Tätigkeiten in Erwartung einer ständigen Dienstbereitschaft übertragen wurden. Aus alldem folgt, dass das Arbeitsgericht Im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses angenommen und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt hat, sodass die sofortige Beschwerde zurückzuweisen war. III Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gemäß § 46 Abs. 2 i.V.m. § 91 ZPO die Beklagte zu tragen. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 GVG liegen nicht vor. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.