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  • 30.01.2025 · IWW-Abrufnummer 246119

    Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Urteil vom 09.12.2024 – 4 SLa 52/24

    1. Die Beurteilung des Tatsachenvortrags als glaubhaft kann nicht ohne Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens erfolgen. Erst wenn die Behauptungen der Parteien divergieren, ist es Aufgabe der Tatsachengerichte, sich nach den Vorgaben des § 286 Abs. 1 ZPO eine Überzeugung zu bilden, welche der tatsächlichen Behauptungen für wahr und welche für unwahr zu erachten sind.

    2. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG beinhaltet bei einem unionsrechtskonformen Verständnis auch die - grundsätzliche - Verpflichtung der Arbeitgeberin, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst (vgl. BAG 13. September 2022 1 ABR 22/21 Rn. 43 ff.). Es gibt keinen Grund, warum es der Arbeitgeberin im Hinblick auf eine ohnehin bestehende Verpflichtung zur Arbeitsaufzeichnung nicht zumutbar sein soll, ihre hieraus gewonnenen Erkenntnisse dem Arbeitnehmer im Überstundenprozess auf dessen Vortrag entgegenzuhalten.


    Tenor: I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 14.12.2023 - - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 46.531,42 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2023 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %. III. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz ausschließlich noch um Überstundenvergütung.

    Die Klägerin war vom 01.04.2012 bis zum 31.08.2023 bei der Beklagten auf der Grundlage des Formulararbeitsvertrags vom 21.03.2012 als Lageristin / kaufmännische Angestellte beschäftigt. Im Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise wie folgt:

    § 1 Inhalt, Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses ... 6. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt - soweit tarifvertraglich nicht anders geregelt - pro Woche 24 Stunden. Die Lage der Arbeitszeit bestimmt jeweils der Arbeitgeber. § 2 Arbeitsentgelt 1. Der/die Arbeitnehmer/in erhält folgendes Arbeitsentgelt: ... Bruttovergütung gesamt: 1.600,00 € ... 3. Das Arbeitsentgelt ist - soweit tarifvertraglich nicht anders geregelt - jeweils am Monatsende zahlbar. § 7 Ausschlussfrist Soweit tarifvertraglich nicht anders geregelt, verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

    Die Beklagte betreibt eine Kfz-Werkstatt und handelt mit Gebrauchtfahrzeugen. Sie beschäftigte im streitgegenständlichen Zeitraum drei Arbeitnehmer. Dies waren neben der Klägerin die Kfz-Mechaniker E. und P.. Für die Klägerin sowie für den Kfz-Mechaniker P. war im Eingangsbereich ein Arbeitsplatz eingerichtet. Auch der Arbeitsplatz des Kfz-Mechanikers P. verfügte über einen Zugriff auf das Warenwirtschaftsprogramm der Beklagten. Ob und in welchem Umfang er diesen Arbeitsplatz nutzte, ist zwischen den Parteien streitig. Zu den Einzelheiten etwaiger Tätigkeiten des Arbeitnehmers P. an diesem Arbeitsplatz ist nicht vorgetragen. Der Geschäftsführer der Beklagten arbeitete ebenfalls mit. Er hatte sein Büro im oberen Stockwerk.

    Während der ersten Jahre ihrer Tätigkeit arbeitete die Klägerin entweder an 3 Tagen in der Woche für jeweils 8 Stunden oder an 4 Tagen für 6 Stunden gemeinsam mit der Mutter des Geschäftsführers im Lager und im Büro. 2018/2019 schied die Mutter des Geschäftsführers aus dem Unternehmen aus. Eine Ersatzkraft wurde nicht eingestellt.

    Der Klägerin oblag ua. die durchgehende Telefonannahme für Werkstatt, Büro und Verkauf während anderer Tätigkeiten, die durchgehende Terminvergabe für die Werkstatt und den Ersatzteilverkauf, die Bedienung der Laufkundschaft mit und ohne Termin und die durchgehende Bearbeitung der Kundenanfragen. Daneben bestanden ihre Tätigkeiten ua. in der Reparaturannahme, Auftragsannahme, Kostenvoranschläge erstellen und Werkstattrechnungen schreiben, Unfallschäden aufnehmen, Ersatzteilbestellungen, Fahrzeugverkauf, Finanzierungen, Fahrzeugauslieferungen, Fahrzeuganmeldungen, Kassenführung, Reklamationen bearbeiten, Datenerfassung, Postbearbeitung, Überweisungen tätigen und Zahlungseingänge und -ausgänge prüfen. Ob ausschließlich die Klägerin diese Tätigkeiten verrichtete oder auch der Geschäftsführer bzw. der Arbeitnehmer P. ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte zeichnete die Arbeitszeiten der Klägerin nicht auf.

    Seit dem 17.11.2022 war die Klägerin aufgrund eines erlittenen Unfalls arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis fand am 31.08.2023 aufgrund einer Kündigung der Beklagten vom 17.04.2023 seine Beendigung.

    Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua. Überstundenvergütung geltend gemacht. Ferner hat sie die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte, die Wiederaufnahme in einer firmeninternen WhatsApp-Chatgruppe und den Widerruf einer Behauptung begehrt.

    Die Klägerin hat zu der von ihr geltend gemachten Überstundenvergütung behauptet, sie habe täglich während der Öffnungszeiten mindestens von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr mit einer Stunde Pause sowie an Samstagen nach Vereinbarung von 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr gearbeitet. Freitags sei zwar grundsätzlich um 17:00 Uhr Geschäftsschluss, allerdings hätten insbesondere Freitagabend Kunden bedient und die Büroarbeiten abgeschlossen werden müssen. Die Arbeitnehmer P. und E. seien Werkstattmitarbeiter und mit der Reparatur der Fahrzeuge in der Werkstatt betraut. Der Geschäftsführer der Beklagten sei mit dem Verkauf von gewerblichen Fahrzeugen und Händlerkontakten beschäftigt. Eine Vereinbarung, wonach sie für Samstagsarbeit am Montag frei bekomme, existiere nicht. Sie habe auch tatsächlich nicht frei bekommen. Der von der Beklagten behauptete Auftragseinbruch ab 2020 werde bestritten. Ausschließliche Folge der Coronapandemie sei die Untersagung des Verkaufs bzw. des Handels von gewerblichen Fahrzeugen für 3 Monate. Die Werkstatt sei von Schließungen oder behaupteten Auftragseinbrüchen nicht betroffen gewesen, die Öffnungszeiten hätten sich nicht geändert. Sie habe sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten zur Kurzarbeit bereit erklärt, Kurzarbeit sei aber nicht eingeführt worden. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zu ihren Arbeitszeiten hinreichend konkret vorgetragen zu haben. Die Beklagten hingegen habe es unterlassen, die vertraglich vereinbarte Lage der Arbeitsleistung und auch die zu erbringende Arbeitsleitung zu bestimmen.

    Die Klägerin hat unter teilweiser Rücknahme ihrer Anträge und Abtrennung eines von der Klägerin geltend gemachten Auskunftsanspruchs durch das Arbeitsgericht erstinstanzlich zuletzt beantragt:

    1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 50.367,60 € brutto zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2023; 2. die Beklagte zu verurteilen, die Behauptung zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen, durch das Finanzamt habe am 08.12.2022 bei der Beklagten eine Kassenprüfung stattgefunden, die Kasse sei mitgenommen worden und Klägerin werde deshalb eine Anhörung vom Finanzamt bekommen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.234,01 € brutto zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat vorgetragen, die von der Klägerin behaupteten Tätigkeiten haben nicht nur diese, sondern auch der Geschäftsführer sowie mindestens zwei weitere Mitarbeiter ausgeführt. Zu dem behaupteten Arbeitsumfang sei zu berücksichtigen, dass zu Beginn des Jahres 2020 ein Auftragseinbruch stattgefunden habe, es seien hier im Durchschnitt nur monatlich ca. 5 Autos verkauft worden. Dieser Auftragseinbruch habe sich erst langsam bis Ende des Jahres 2022 geändert. Die Klägerin sei mehrfach gebeten worden, Kurzarbeit zu vereinbaren, was diese vehement abgelehnt habe. Die von der Klägerin behaupteten Arbeitszeiten von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr hat die Beklagte bestritten. Der Klägerin seien selbstverständlich die Öffnungszeiten und die Tätigkeit, die sie als Arbeitnehmerin durchzuführen hatte, bekannt. Jede andere Behauptung sei lebensfremd. Sie hat zudem vorgetragen, die Klägerin habe lediglich an ca. 5 - 6 Samstagen jährlich zum Teil nach Absprache mit dem Geschäftsführer gearbeitet. Für diese Tage sei vereinbart worden, dass die Klägerin am jeweils kommenden Montag frei nehmen könne. Die Klägerin sei auch zum Teil ohne Wissen und ohne Anordnung des Geschäftsführers tätig gewesen. Ein Arbeitgeber müsse sich die Leistung von Überstunden nicht aufdrängen lassen. Schließlich werde vorsorglich die Verfristung aller bestehenden Ansprüche über dem gesetzlichen Mindestlohn gerügt.

    Mit Urteil vom 14.12.2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Klägerin habe schon nicht dargelegt, die Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet zu haben. Zwar habe die Klägerin Tabellen vorgelegt, wonach sie an allen Tagen mit Ausnahme ihrer Krankheits- und Urlaubstage von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr gearbeitet haben will. Diese Aufzeichnungen seien aber schon deshalb nicht glaubhaft, weil es keinerlei Abweichungen von der behaupteten Arbeitszeit gäbe. Zudem genüge das Vorbringen der Klägerin zur Veranlassung der geltend gemachten Überstunden nicht. Zu einer ausdrücklichen Anordnung der Beklagten habe die Klägerin keinen hinreichenden Vortrag gehalten. Es fehle auch Vorbringen der Klägerin zu einer konkludenten Anordnung von Überstunden. Sie behaupte zwar, dass sie ihre Aufgaben in der Arbeitszeit nicht habe schaffen können, trage hierzu aber nicht substantiiert vor, welche Aufgaben welchen Zeitrahmen eingenommen habe. Auch fehle es an einem schlüssigen Vortrag der Klägerin zur Billigung von Überstunden. Dies gehe weder aus dem Chat-Verlauf hervor noch belege die Kontaktaufnahme des Geschäftsführers der Beklagten außerhalb der Arbeitszeit eine Billigung von Überstunden. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin könne auch nicht von einer Duldung der Überstunden ausgegangen werden.

    Gegen das der Klägerin am 08.01.2024 zugestellte Urteil richtet sich deren am 24.01.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die sie am 22.03.2024, innerhalb der bis zum 08.04.2024 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:

    Die Darstellung des Sachverhalts durch das Arbeitsgericht sei oberflächlich und fehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Beklagte nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Lage der Arbeitszeit zu bestimmen habe. Die Beklagte habe weder die Lage der Arbeitszeit bestimmt noch qualitativ die zu erbringende Arbeitsleistung. Schon aus diesem Grund könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Klägerin habe ihr die über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung aufgedrängt. Es sei ausgeschlossen, dass der mitarbeitende Geschäftsführer der Beklagten keine Kenntnis von den Arbeitszeiten der Klägerin gehabt habe. Zudem habe es das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass sie unstreitig vom Geschäftsführer aufgefordert worden sei, an bestimmten Samstagen und Sonntagen zu arbeiten. Dies ergebe nur Sinn, wenn die werktägliche Arbeitszeit ausgeschöpft worden sei. Die werktäglichen Arbeitszeiten seien nicht 24 Wochenstunden, sondern von Montag bis Donnerstag mindestens von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr und freitags bis 17:00 Uhr. Bei vollständiger Würdigung des Sachverhalts hätte das Arbeitsgericht die Klage nicht abweisen dürfen.

    Die Klägerin beantragt zuletzt unter Zurücknahme der weiteren Berufung:

    das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 14.12.2023 - 6 Ca 120/23 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 53.601,61 € brutto zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 50.367,60 € seit dem 1. März 2023 und auf weitere 3.234,01 € ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen. Hinsichtlich des neuen Tatsachenvortrags, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgetragen werden müssen, werde Verspätung gerügt. Daneben sei das Vorbringen in der Berufungsbegründung auch nicht geeignet, die tatsächlich und rechtlich korrekten Urteilsgründe des Arbeitsgerichts zu erschüttern. Geradezu absurd sei die Auffassung der Klägerin, sie sei gehalten, im Zuge der abgestuften Beweislast auf die Tabellenaufzeichnungen substantiiert einen Gegenbeweis zu führen. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, anzunehmen, dass eine Arbeitnehmerin über 3 Jahre im Umfang von 3.384,15 Stunden Mehrarbeit erbringe und diese bis Ende März 2023 nicht einmal zur Einforderung einer entsprechenden Abgeltung bringe. Die angeblich von der Klägerin geleistete Arbeitszeit könne auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens zu Umsatzeinbrüchen im September 2022 schon nicht als wahr unterstellt werden. Aus den schriftlich angefertigten Zeugenaussagen ergebe sich eindeutig, dass die angeblich geleistete Arbeitszeit der Klägerin schlicht erfunden sei.

    Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen und die erteilten rechtlichen Hinweise ergänzend Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

    B.

    Die Berufung der Klägerin ist zum großen Teil begründet.

    I.

    Die Klage ist insgesamt zulässig.

    1.

    Bei mehreren in einer Klage verfolgten Ansprüchen (§ 260 ZPO) muss aufgrund des Bestimmtheitserfordernisses des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die Klage zusammensetzt (BAG 20. Dezember 2022 - 9 AZR 266/20 - Rn. 11).

    2.

    Der gesplittete Zahlungsantrag der Klägerin (vom Berufungsgericht zusammengefasst) ist als einheitlicher Antrag und abschließende Gesamtklage hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Überstundenvergütung zu verstehen. Die Klägerin macht monatlich für die Zeit von Februar 2020 bis Dezember 2022 Überstundenvergütung geltend und trägt hierzu vor, sie habe "mindestens" Arbeitsleistung im Umfang ihrer Kalendereintragungen für die Jahre 2020 bis 2022 erbracht. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Überstundenforderung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2020 bis Dezember 2022 abschließenden Charakter hat.

    II.

    Die Klage ist überwiegend begründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Überstundenvergütung besteht im Umfang von weiteren 20 zu vergütenden Wochenstunden für den Zeitraum von Februar 2020 bis Dezember 2022. Darüber hinaus sowie für weitere 8 Stunden für den 30.12.2022 (Freitag) war die Klage abzuweisen.

    1.

    Der Anspruch auf Überstundenvergütung ist entstanden.

    a)

    Die Klägerin hat ihre Überstunden hinreichend und schlüssig dargelegt.

    aa)

    Neben der objektiven Vergütungserwartung setzt der Anspruch auf Überstundenvergütung voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeit in einem die vereinbarte Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang erbracht und der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Für beides trägt der Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechend allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und im Streitfall die Beweislast (vgl. BAG 4. Mai 2022 - 5 AZR 474/21 - Rn. 22).

    Für die Darlegung der Leistung von Überstunden gelten dieselben Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete Normalarbeit verrichtet zu haben. Wie im Prozess auf Vergütung tatsächlich geleisteter Arbeit in der Normalarbeitszeit genügt der Arbeitnehmer seiner Vortragslast zur Leistung von Überstunden, indem er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Sodann ist es Sache des Arbeitgebers, im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu erwidern und im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG 4. Mai 2022 - 5 AZR 474/21 - Rn. 24 mwN).

    bb)

    Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Klägerin. Die Klägerin trägt anhand ihrer Kalendereintragungen vor, von Montag bis Freitag jeweils von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr abzüglich einer Stunde Pause pro Tag und an im Einzelnen aufgeführten Samstagen unter Angabe konkreter Uhrzeiten Arbeitsleistung erbracht zu haben.

    Der Auffassung des Arbeitsgerichts, die Klägerin genüge schon auf dieser Stufe ihrer Darlegungslast nicht, weil die Aufzeichnungen der Klägerin unglaubhaft seien, folgt die Berufungskammer nicht. Die Beurteilung des Tatsachenvortrags als glaubhaft kann nicht ohne Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens erfolgen. Erst wenn die Behauptungen der Parteien divergieren, ist es Aufgabe der Tatsachengerichte, sich nach den Vorgaben des § 286 Abs. 1 ZPO eine Überzeugung zu bilden, welche der tatsächlichen Behauptungen für wahr und welche für unwahr zu erachten sind (vgl. BAG 26. Juni 2019 - 5 AZR 452/18 - Rn. 43).

    Ungeachtet dessen ist der Vortrag der Klägerin auch plausibel. Dabei geht die Berufungskammer davon aus, dass die Klägerin die Kalendereintragungen zur Arbeitszeit nicht täglich fortgeschrieben, sondern im Nachgang auf Aufforderung ihres Prozessbevollmächtigten gefertigt hat. Ob es, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Kammertermin nochmals erläutert hat, weitere und nicht vorgelegte persönliche Unterlagen gibt, die die Klägerin zur Unterstützung der Kalendereintragungen herangezogen haben mag, kann dahingestellt bleiben. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts behauptet die Klägerin nicht, drei Jahre lang jeden Tag minutiös und ohne kleinste Abweichungen ihre Arbeitsleistung genau um 8:00 Uhr aufgenommen und um 18:00 Uhr beendet zu haben. Die Klägerin lässt in ihrem Schriftsatz vortragen, dass sie täglich "mindestens" von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr mit einer Stunde Pause, nämlich während der Öffnungszeiten sowie Samstag nach Vereinbarung von 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr gearbeitet habe (vgl. bspw. Schriftsatz vom 27.06.2023 Seite 7, Blatt 183 Akte/1. Instanz). Die Klägerin räumt auch Verspätungen ein, die im Chat mitgeteilt worden seien. Unbeanstandete Verspätungen müssten nach ihrer Auffassung nicht in ihren Auflistungen über die geleisteten Arbeitszeiten eingestellt werden. Die Kalendereintragungen der Klägerin sind damit als Mindestangaben zu verstehen, die nicht ausschließen, dass die Klägerin auch darüber hinaus Arbeitsleistung erbracht hat. Sie macht für darüberhinausgehende Arbeitsleistung - uU. weil ihr eine konkrete Darlegung nicht mehr möglich ist - keine weitere Überstundenvergütung geltend. Das Vorbringen der Klägerin ist auch deshalb plausibel, weil die von ihr vorgetragenen Arbeitszeiten mit den Betriebsöffnungszeiten im Wesentlichen korrespondieren. Lediglich die in den Kalendereintragungen berücksichtigten Stunden am Freitag zwischen 17:00 Uhr bis 18:00 Uhr sowie die Arbeitsleistung an Samstagen gehen über die Öffnungszeiten des Betriebs hinaus.

    cc)

    Dem Vorbringen der Klägerin zur erbrachten Arbeitsleistung ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Die Beklagte trägt nicht vor, welche Arbeiten sie der Klägerin zugewiesen hat und insbesondere an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit die Klägerin diesen Weisungen nicht nachgekommen ist. Die Beklagte vermochte die Lage der Arbeitszeit der Klägerin auch in Ansehung der weit darüberhinausgehenden Betriebsöffnungszeiten nicht einzugrenzen. In der Kammerverhandlung am 09.12.2024 hat der Geschäftsführer der Beklagten lediglich vorgetragen, mit der Klägerin sei ursprünglich vereinbart worden, dass sie vormittags arbeite. Dass und welche organisatorischen Maßnahmen zur Arbeitszeit - sowohl hinsichtlich des Umfangs und der Lage der Arbeitszeit als auch hinsichtlich der Konkretisierung der Tätigkeiten - beispielsweise nach dem Ausscheiden der Mutter des Geschäftsführers getroffen worden, wie der im Arbeitsvertrag vereinbarte Umfang von 24 Wochenstunden auf die Wochentage im hier streitgegenständlichen Zeitraum verteilt werden sollte, ist aus dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich. Die Beklagte kann auch nicht damit durchdringen, dass es im Kleinunternehmen nicht möglich sei, die tägliche Lage der Arbeitszeit zu bestimmen. Die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber ist vom Kernbereich seines Weisungsrechts nach § 106 GewO umfasst und trifft große und kleine Unternehmen gleichermaßen. Dazu, welche konkreten Umstände aus Sicht der Beklagten die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit unzumutbar machen sollten, erfolgte auch in der mündlichen Verhandlung kein weiterer Vortrag.

    Es ist nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, dass die Klägerin Überstunden in dem von ihr anhand ihrer Kalendereintragungen aufgezeichneten Arbeitszeiten im streitgegenständlichen Zeitraum geleistet hat. Die Beklagte hat keinen Sachvortrag geleistet, aus dem sich ergeben könnte, dass und konkret zu welchen von der Klägerin angegebenen Zeiten die Klägerin keine Arbeitsleistung erbracht haben mag. Die Beklagte benennt kein einziges Datum, an welchen die Klägerin montags entgegen ihren Aufzeichnungen und entsprechend ihrer behaupteten Absprache keine Arbeitsleistung erbracht haben mag. Soweit die Beklagte ausführen lässt, dass die Klägerin am 09.12.2021 (Donnerstag) bei einem Optiker eine Brille in Auftrag gegeben habe und die von ihr angegebenen Arbeitszeit deshalb nicht stimmen könne, weil der Optiker von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet habe, fehlt es zum einen an Vorbringen der Beklagten zur regulären Lage der Arbeitszeit, zum anderen an einer der Uhrzeit nach erforderlichen Eingrenzung, wann die Klägerin die Arbeitsleistung für einen Besuch beim Optiker (möglicherweise auf während der einstündigen Pause) unterbrochen haben mag. Zu der vorgetragenen Schließung des Betriebs am 31.12.2020 hat die Klägerin unter Vorlage von Chat-Eintragungen vom 30.12.2020 bis 04.01.2021 (Anlage K 25 zum Schriftsatz der Klägerin vom 25.11.2024) erwidert, sie habe ab Ende Dezember 2020 bis Januar 2021 den Container nach den Umbaumaßnahmen räumen und den Verkaufsraum wieder einrichten müssen. Dem ist die Beklagte nicht weiter mit substantiierten Vorbringen entgegengetreten.

    Die von der Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen dafür, dass bspw. "angebliche Überstunden eben nicht geleistet wurden", war nicht nachzugehen. Der Sachvortrag der Beklagten in Form der schriftlichen Äußerungen der Zeugen können in zeitlicher Hinsicht keinen der von der Klägerin vorgetragenen Arbeitszeiten zugeordnet werden. Auch das Vorbringen der Beklagten, die von der Klägerin aufgeführten Arbeitszeiten seien aufgrund der Umsatzzahlen im September "schlicht völlig unrealistisch", bezieht sich ebenfalls auf keinen konkreten Tag, an welchem die Klägerin im September 2022 weniger Arbeitsleistung erbracht haben mag als ihren Angaben in den Kalendereintragungen zu entnehmen ist. Auch das Vorbringen der Beklagten zur Reduzierung des Arbeitsumfangs während der Corona-Pandemie stellt keinen Bezug zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt her. Die Klägerin hat hierzu zudem vorgetragen, dass Kurzarbeit - entgegen der von ihr unterzeichneten Einverständniserklärung, vgl. Bl. 281 der Akte/1. Instanz) - nicht angeordnet worden sei. Dem ist die Beklagte nicht weiter substantiiert entgegengetreten.

    Es ist auch unschädlich, dass die Klägerin in ihren Kalenderaufzeichnungen morgendliche Verspätungen nicht eingetragen und unberücksichtigt gelassen hat. Mangels hinreichendem Vorbringen der Beklagten zur Lage der Arbeitszeit, konnte die Klägerin von einem regulären Arbeitsbeginn um 8:00 Uhr ausgehen, so dass es sich jedenfalls bei den Verspätungen am Morgen nicht um gesondert zu vergütende Überstunden gehandelt hat. Selbst in der Annahme, es habe sich um Überstunden gehandelt, wäre es an der Beklagten gewesen, anhand von ihr zu fertigender Arbeitsaufzeichnungen etwaige Verspätungen der Klägerin dem Datum und der Uhrzeit nach konkret aufzuzeigen, will sie diese Zeiten von den vorgetragenen Überstunden in Abzug bringen. Dass die Beklagte tatsächlich keine Arbeitszeitaufzeichnungen gefertigt hat, muss sie sich jedenfalls im Rahmen ihrer substantiierten Erwiderungslast entgegenhalten lassen. Die Beklagte ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Nach dieser Rahmenvorschrift hat der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine "geeignete Organisation" zu sorgen und die "erforderlichen Mittel" bereitzustellen. Bei unionsrechtskonformem Verständnis beinhaltet die gesetzliche Regelung auch die - grundsätzliche - Verpflichtung der Arbeitgeberin, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst (vgl. BAG 13. September 2022 - 1 ABR 22/21 - Rn. 43 ff.). In Erfüllung dieser Verpflichtung wäre es der Beklagten möglich gewesen, auf das konkrete Vorbringen der Klägerin zu ihren Arbeitszeiten substantiiert zu erwidern. Hierbei bleibt nicht unberücksichtigt, dass zwischen arbeitsschutzrechtlicher und vergütungsrechtlicher Einordnung der Arbeitszeit zu unterscheiden ist und die lediglich arbeitsschutzrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Erfassung der Arbeitszeiten grundsätzlich keine Auswirkungen auf das System der abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungen hat (vgl. hierzu BAG 4. Mai 2022 - 5 AZR 359/21 - Rn. 22 ff.). Auch wenn der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit vergütungsrechtlich nicht zu einer Verschiebung oder gar Umkehr der Darlegungslast auf der ersten Stufe führt, wird sie dadurch in die Lage versetzt, dem konkreten Vorbringen der Klägerin zu ihrer Arbeitszeit konkretes Vorbringen entgegenzusetzen. Einen Grund, warum es der Arbeitgeberin im Hinblick auf eine ohnehin bestehende Verpflichtung zur Arbeitsaufzeichnung nicht zumutbar sein soll, ihre hieraus gewonnenen Erkenntnisse dem Arbeitnehmer im Überstundenprozess auf dessen Vortrag entgegenzuhalten, gibt es nicht.

    b)

    Die Klägerin hat auch die Veranlassung der Überstundenleistung durch die Beklagte hinreichend dargelegt.

    aa)

    Der Arbeitgeber ist nach § 611a Abs. 2 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung fest, betrifft die Entgeltzahlungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13). Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und seines Direktionsrechts nach § 106 GewO dem Arbeitnehmer in qualitativer und quantitativer Hinsicht die zu erbringende Arbeitsleistung zuzuweisen. Der Arbeitnehmer kann sich nicht über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus selbst Arbeit "geben" und seinen Arbeitsumfang erhöhen. Für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als - neben der Überstundenleistung - weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung müssen Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein. Auch für diese Voraussetzung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (BAG 4. Mai 2022 - 5 AZR 359/21 - Rn. 18 mwN).

    bb)

    Die Beklagte hat die Überstunden jedenfalls im Umfang von 44 Stunden wöchentlich nach diesen Grundsätzen auch veranlasst. Hiervon ist unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Parteien auszugehen. Für die von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Überstunden fehlt es an einer ausdrücklichen bzw. konkludenten Anordnung, Billigung oder Duldung durch die Beklagte.

    (1)

    Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (BAG 4. Mai 2022 - 5 AZR 359/21 - Rn. 32 mwN).

    Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der Klägerin Arbeit zugewiesen, die während der gesamten Betriebsöffnungszeiten permanent anfällt, ua. die durchgehende Telefonannahme für Werkstatt, Büro und Verkauf während anderer Tätigkeiten, die durchgehende Terminvergabe für die Werkstatt und den Ersatzteilverkauf, die Bedienung der Laufkundschaft mit und ohne Termin und die durchgehende Bearbeitung der Kundenanfragen. Hiervon ist nach § 138 Abs. 3 ZPO auszugehen. Diese Tätigkeiten werden von der Klägerin als tägliche Arbeiten etwa seit 2018/2019 benannt, ohne dass sich die Beklagte hierzu substantiiert eingelassen hätte. Zwar könnte aus dem Fehlen dieser Tätigkeiten in der dem Vorbringen der Klägerin entgegengestellten Aufstellung der Beklagten geschlossen werden, die Klägerin sei mit den oben genannten Tätigkeiten nicht betraut gewesen. Die Beklagte schildert aber nicht, wer - wenn nicht die Klägerin als einzige Büroangestellte und Lageristin - mit diesen Tätigkeiten hauptverantwortlich betraut gewesen sein mag. Ihr eigenes Vorbringen als zutreffend unterstellt, kommen hierfür weder der Arbeitnehmer P., der nach dem Vorbringen der Beklagten lediglich 50 % im Verkaufsraum tätig gewesen sein soll und der unstreitig als Kfz-Mechaniker bei der Beklagten beschäftigt ist noch der Geschäftsführer selbst, der sein Büro auf der oberen Etage hat, durchgängig in Betracht. Die der Klägerin insoweit zugewiesenen Arbeiten fielen, wenn auch nicht arbeitszeitausfüllend, aber dennoch in unregelmäßiger und zeitlich nicht voraussehbarer Lage während der gesamten Öffnungszeiten des Betriebs an. Selbst wenn auch der Geschäftsführer oder der Kfz-Mechaniker P. im Einzelfall Kunden bedient oder beispielsweise Ersatzteile verkauft oder bestellt haben mögen, sind keinerlei organisatorische Maßnahmen erkennbar und vorgetragen, nach welcher der Klägerin zu bestimmten Zeiten nicht die Kundenbedienung per Telefon oder vor Ort oblägen hätte. Die von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeit der Kundenbedienung verlangt die Anwesenheit während der gesamten Öffnungszeiten.

    Auch ist von einer Duldung der Überstunden durch die Beklagte auszugehen. Der Geschäftsführer der Beklagten arbeitete unstreitig im Betrieb mit und hatte deshalb auch Kenntnis von dem Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung der Klägerin. Er hat die ihm bekannte Überstundenleistung der Klägerin hingenommen und keine Vorkehrungen getroffen, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Arbeitskräftebedarf nach dem Ausscheiden der Mutter des Geschäftsführers aus dem Arbeitsverhältnis - ungeachtet der Frage, in welchem Umfang diese für die Beklagte tätig gewesen sein mag - gleichblieb. Die Beklagte hat dem Umstand der reduzierten Belegschaft trotz des gleichbleibenden Arbeitskräftebedarfs keine Rechnung getragen, indem sie bspw. eine Ersatzkraft eingestellt oder der Klägerin explizit die Änderung des Arbeitsvertrags einschließlich der Erhöhung der Arbeitszeit angeboten hätte.

    Den von der Beklagten aufgestellten Behauptungen und Äußerungen der benannten Zeugen, der Geschäftsführer der Beklagten habe die Klägerin nicht nur einmal zurechtgewiesen, sie solle nicht den Platz am Computer belegen und sich nach Hause begeben, weil er dies nicht als Arbeitszeit ansehen würde, die Klägerin habe die Räumlichkeiten aufgesucht, weil sie in eigener Entscheidung gemeint habe, ihre Arbeitsleistung auch zusätzlich ohne Anordnung, Billigung oder ausdrückliche Notwendigkeit erbringen zu müssen, fehlt wiederum die Substanz. Eine Beweisaufnahme war nicht angezeigt.

    (2)

    Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin Arbeit jedenfalls im Umfang der Betriebsöffnungszeiten von Montag bis Donnerstag 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr und am Freitag von 8:00 bis 17:00 Uhr unter Abzug der einstündigen täglichen Pause, wöchentlich mithin 44 Stunden Arbeitsleitung konkludent angeordnet, weil der Klägerin mit der Kundenbedienung Tätigkeiten oblagen, die während der gesamten Betriebsöffnungszeiten anfielen und nicht erkennbar ist, wer - wenn nicht die Klägerin - diese vollständig hätte abdecken sollen. Dass und welche Arbeit konkret innerhalb der Betriebsöffnungszeiten nicht von der Klägerin geleistet werden konnte, ist im Gegensatz hierzu nicht von der Klägerin vorgetragen. Das Vorbringen der Klägerin zu den jeweils am Freitag nach 17:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden verhält sich im Allgemeinen und lässt nicht Tag genau erkennen, welche Tätigkeit konkret während der Betriebsöffnungszeiten nicht hätte erledigen können. Die Mitnahme der Fahrzeugpapiere und Schlüssel nach Geschäftsschluss dürfte zeitlich nicht ins Gewicht fallen. Warum gerade am Freitag Kunden nicht während der Betriebsöffnungszeiten bis 17:00 Uhr bedient, Fahrzeuganlieferungen, Fahrzeugabholungen und Reparaturaufträge nicht abgewickelt und die Büroarbeiten nicht abgeschlossen werden konnten, ist nicht im Einzelnen vorgetragen.

    (3)

    Zu der Samstagsarbeit trägt die Klägerin selbst vor, diese seien von dem Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich angeordnet worden. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16). Zu einer ausdrücklichen Anordnung der Beklagten hat die Klägerin keinen konkreten und auf den Tag genau bezogenen Vortrag gehalten.

    2.

    Unter Zugrundelegung der vorherigen Ausführungen besteht ein Anspruch der Klägerin auf Überstundenvergütung in Höhe von insgesamt 46.531,42 €. Die Beklagte hat mit der Vergütung in Höhe von 1.600,- € brutto monatlich 104 Stunden pro Monat (24 Stunden x 13 Wochen / 3 Monate) abgegolten, obwohl die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten tatsächlich 190,67 Stunden monatlich (44 Stunden x 13 Wochen / 3 Monate) gearbeitet hat. Für 35 Monate sind mithin noch weitere 86,67 Stunden x 35 = 3.033,45 Stunden zu vergüten. Hiervon in Abzug zu bringen waren die für Freitag, den 30.12.2022 von der Klägerin geltend gemachten 8 Stunden, so dass sich der Vergütungsanspruch der Klägerin auf insgesamt 3.025,45 Stunden x 15,38 € = 46.531,42 € brutto beläuft. Am 29.12.2022 endete der Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EZFG, so dass die Beklagte für den 30.12.2022 keine Entgeltfortzahlung mehr schuldete.

    Auch für das in den 3.025,45 Stunden enthaltene Urlaubsentgelt (§ 11 BurlG) und die Entgeltfortzahlung (§ 4 Abs. 1 EZFG) war der monatliche Stundenumfang von 190,67 Stunden (44 Stunden wöchentlich) zugrunde zu legen. Die Klägerin erbrachte regelmäßig Arbeitsleistung im Umfang von wöchentlich 44 Stunden (monatlich 190,67 Stunden). Bei der von der Klägerin über die im Arbeitsvertrag vereinbarten 24 Stunden wöchentlich handelte es sich tatsächlich nicht mehr um Überstunden im Sinne von § 4 Abs.1a EFZG, da die Klägerin tatsächlich, wie oben festgestellt, 44 Stunden wöchentlich zu leisten hatte. Überstunden ist nur die Arbeitszeit, die wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend zusätzlich zur individuellen regelmäßigen Arbeitszeit geleistet wird (ErfK/Reinhard, 25. Auflage, EFZG § 4 Rn. 7).

    3.

    Der Anspruch ist auch nicht nach der in § 7 des Arbeitsvertrags geregelten Ausschlussfrist erloschen.

    Bei Ziffer 7 des Arbeitsvertrags handelt es sich um einer Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hierauf lässt schon das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung schließen. Die Klausel nimmt Ansprüche aus vorsätzlicher, unerlaubter Handlung nicht aus. Hiernach verfallen ausnahmslos alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen.

    Rechtsfolge ist, dass die Verfallklausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig ist und nach § 306 Abs. 1 BGB unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen entfällt (vgl. hierzu im Einzelnen BAG 26. November 2020 - 8 AZR 58/20 - Rn. 55ff., 65ff.).

    4.

    Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

    Nach § 2 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags war die Vergütung - so auch die Überstundenvergütung - jeweils am Monatsende zahlbar und damit fällig, so dass Verzug ab dem ersten Tag des Folgemonats eintritt. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin Zinsen erst ab dem 01.03.2023 geltend (§ 308 Abs. 1 ZPO).

    C.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weshalb gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wurde.

    Vorschriften§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 260 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 138 Abs. 3 ZPO, § 286 Abs. 1 ZPO, § 106 GewO, § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, § 3 Abs. 1 ArbSchG, § 611a Abs. 2 BGB, § 4 Abs.1a EFZG, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 202 Abs. 1 BGB, § 134 BGB, § 306 Abs. 1 BGB, §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, § 308 Abs. 1 ZPO, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG