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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Die Veräußerung von Teilen einer Praxis aus umsatzsteuerlicher Sicht

    von StB Catrin Stockhausen, Korbach

    | Veräußern niedergelassene (Zahn-)Ärzte einen Teil ihrer Praxis oder verkaufen sie Inventar, treten oft die ertragsteuerlichen Folgen in den Vordergrund. Die umsatzsteuerlichen Folgen sind aber keineswegs zu vernachlässigen. Der Beitrag geht auf eine Reihe praktischer Fälle ein. Außerdem werden Sonderfälle betrachtet wie die Stilllegung der Praxis gegen Entschädigung oder der Verzicht auf die Zulassung zugunsten einer Anstellung im MVZ. | 

    1. Veräußerung der ganzen Praxis

    Wird die gesamte Praxis verkauft, fällt keine Umsatzsteuer an (Geschäftsveräußerung im Ganzen). Dafür müssen die wesentlichen Grundlagen der selbstständigen Tätigkeit insgesamt auf den Erwerber übergehen. Der Arzt muss also die Praxis mit der Einrichtung, allen medizinischen Geräten, dem Patientenstamm und dem Praxiswert übertragen. Entscheidend ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen (BFH 18.9.08, V R 21/07, BStBl II 09, 254) und dass der Erwerber die Tätigkeit des Veräußerers nunmehr im Rahmen seiner bisherigen eigenen Geschäftstätigkeit fortführt (BFH 29.8.12, XI R 1/11, BStBl II 13, 301).

     

    Bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übereignung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs im Ganzen ist eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung auch dann anzunehmen, wenn einzelne unwesentliche Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden (BFH 1.8.02, V R 17/01, BStBl II, 04, 626).

     

    PRAXISHINWEIS | Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (BFH 23.8.07, V R 14/05, BStBl III 08, 165). Die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit schließt jedoch eine Geschäftsveräußerung aus (EuGH 27.11.03, C-497/01 - Zita Modes).

     

    Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus (BFH 29.8.12, XI R 10/12; MBP 13, 80). Nebentätigkeiten, z. B. als Referent oder Gutachter, sind ohnehin unschädlich.

     

    • Sachverhalt 1: Verkauf der ganzen Praxis

    Dr. A ist Allgemeinmediziner und Facharzt für Arbeitsmedizin. Er behandelt sowohl Kassen- als auch Privatpatienten. Er möchte beruflich kürzer treten. Neben der Behandlungstätigkeit schreibt er für ärztliche Fachzeitschriften und hält Fortbildungsvorträge vor anderen Ärzten. Dr. A verkauft die Praxis einem anderen Allgemeinmediziner. Künftig konzentriert er sich nur noch auf das Schreiben und das Vortragen.

     

    Es liegt eine umsatzsteuerfreie Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, da das materielle Praxisvermögen und der Praxiswert verkauft werden.

     

    Eine umsatzsteuerfreie Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt auch vor, wenn ein Arzt seine komplette Einzelpraxis in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) einbringt. Scheidet er später aus der BAG wieder aus und verkauft seinen Anteil, ist dies ebenfalls umsatzsteuerfrei. Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils kann - unabhängig von dessen Höhe - nur dann einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung gleichgestellt werden, wenn der Gesellschaftsanteil Teil einer eigenständigen Einheit ist, die eine selbstständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht und diese Tätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird. Eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten versetzt den Erwerber nicht in die Lage, eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen (EuGH 30.5.13, C-651/11).

     

    • Sachverhalt 2: Einbringung der ganzen Praxis

    Dr. A bringt den vertragsärztlichen Patientenstamm in eine BAG gegen Gewährung von Gesellschafterrechten ein.

     

    Es liegt ebenfalls eine umsatzsteuerfreie Geschäftsveräußerung im Ganzen vor.

     

    2. Veräußerung einer Teilpraxis

    Bei der Veräußerung einer Teilpraxis ist Vorsicht geboten. Die Umsatzsteuerbefreiung für Geschäftsveräußerungen im Ganzen gilt nur dann, wenn die Teilpraxis den Charakter eines Teilbetriebs hat.

     

    2.1. Veräußerung einer Teilpraxis mit Teilbetriebscharakter

    Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn der veräußerte Teil des Unternehmens vom Erwerber als selbstständiges wirtschaftliches Unternehmen fortgeführt werden kann (BFH 19.12.12, XI R 38/10, BStBl II 13, 1053). Soweit einkommensteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung vorliegt (R 16 Abs. 3 EStR), kann umsatzsteuerrechtlich von der Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs ausgegangen werden.

     

    • Sachverhalt 3: Verkauf eines selbstständigen Praxisteils

    Dr. A verkauft seine Praxis einem anderen Allgemeinmediziner, ist aber noch als Arbeitsmediziner in anderen Räumen tätig.

     

    Dr. A übt zwei wesensverschiedene ärztliche Tätigkeiten aus: Zum einen die Tätigkeit als Allgemeinmediziner, zum anderen die als Arbeitsmediziner. Die Veräußerung des allgemeinmedizinischen Praxisteils ist damit eine umsatzsteuerfreie (Teil-) Geschäftsveräußerung im Ganzen.

     

    Wesensmäßig verschieden sind Tätigkeiten vor allem dann, wenn sie üblicherweise nicht von einer Person ausgeübt werden können, weil sie eine unterschiedliche Berufsausbildung und in der Regel einen unterschiedlichen Werdegang erfordern (BFH 27.4.78 IV R 102/74, BStBl II 78, 562) oder weil sie sich nach den Kunden und nach der Art der Aufgaben unterscheiden (BFH 4.11.04 IV R 17/03, BStBl II 05, 208) Dies wird z. B. für einen Allgemeinarzt, der zugleich Betriebsarzt ist, angenommen.

     

    2.2 Veräußerung einer Teilpraxis ohne Teilbetriebscharakter

    Wesensverschiedene Tätigkeiten liegen jedoch nicht vor:

     

     

    • bei Allgemeinmedizin nach schulmedizinischen Methoden einerseits und unter Anwendung der Psychotherapie und der traditionellen chinesischen Medizin andererseits (FG Münster 29.8.01, 8 K 6534/98 E),

     

     

    • bei einer Großtier- und Kleintierbehandlung durch einen Tierarzt (BFH 29.10.92, IV R 16/91)

     

     

    Überörtlich tätige Zweigpraxen können als Teilpraxen umsatzsteuerfrei veräußert werden, wenn sie mit eigenem Personal ausgestattet sind und einen eigenen Patientenkreis haben.

     

    • Sachverhalt 4: Verkauf eines unselbstständigen Praxisteils

    Dr. A verkauft die Kassenarztpraxis, er behandelt aber weiter seine Privatpatienten und ist noch als Arbeitsmediziner tätig.

     

    Die Veräußerung einer Kassenarztpraxis erfüllt nicht die Merkmale eines Teilbetriebs (z. B. BFH 6.3.97, IV R 28/96; FG Hamburg 5.4.11, 6 K 191/10), da sich strukturell gesehen die Behandlung von privat versicherten Patienten und die Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten gleichen. Der Patientenstamm wird nämlich hier mit denselben Mitarbeitern und medizinischen Geräten in denselben Räumen versorgt. Verkauft Dr. A nach ein paar Jahren auch seine Privatpraxis, liegt darin allerdings eine Geschäftsaufgabe im Ganzen vor.

     

    3. Veräußerung von Praxisvermögen

    Bei Veräußerung von Gegenständen des Praxisvermögens ist § 4 Nr. 28 UStG zu beachten.

     

    3.1 Veräußerung von Praxisinventar

    § 4 Nr. 28 UStG befreit die Lieferungen von Gegenständen von der Umsatzsteuer, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist oder wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach den Nummern 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. Hierunter fällt auch Nr. 14 - die Befreiungsvorschrift für Heilbehandlungen von Ärzten und Zahnärzten.

     

    • Sachverhalt 5: Verkauf materieller Praxisgegenstände

    Dr. A hat ausschließlich umsatzsteuerfreie Umsätze und verkauft ein gebrauchtes Ultraschallgerät. Der Verkauf ist nach § 4 Nr. 28 UStG umsatzsteuerfrei.

     

    Dr. A findet keinen Käufer für seine Praxis und verkauft nach und nach das Praxisvermögen. Die Verkäufe sind nach § 4 Nr. 28 UStG umsatzsteuerfrei.

     

    Abwandlung: Zahnarzt Dr. Z veräußert einen Behandlungsstuhl, der nur für umsatzsteuerpflichtige Behandlungen verwendet wurde. Der Erlös ist umsatzsteuerpflichtig.

     

    Beim Verkauf von Praxisinventar oder einzelnen Geräten hängt die Umsatzsteuerfreiheit also von der Verwendung dieser Gegenstände ab. Nur wenn der Arzt diese Gegenstände ausschließlich für seine umsatzsteuerfreien heilberuflichen Tätigkeiten genutzt hat, fällt auch beim Verkauf keine Umsatzsteuer an. Werden Geräte jedoch teilweise für zum Beispiel steuerpflichtige Schönheitsoperationen und teilweise für steuerfreie heilberufliche Leistungen verwendet, so ist der Veräußerungserlös insgesamt umsatzsteuerpflichtig. Dies gilt auch, wenn die Gegenstände nicht im Rahmen einer Veräußerung des Teils einer Praxis verkauft werden, z. B. bei einer Ersatzinvestition.

     

    PRAXISHINWEIS | Aus Vereinfachungsgründen kann die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG auch in den Fällen in Anspruch genommen werden, in denen der Unternehmer die Gegenstände in geringfügigem Umfang (höchstens 5 %) für Tätigkeiten verwendet hat, die nicht nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG befreit sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Unternehmer für diese Gegenstände darauf verzichtet, einen anteiligen Vorsteuerabzug vorzunehmen (A. 4.28.1 Abs. 2 UStAE).

     

    3.2 Veräußerung immaterieller Praxisgüter

    Demgegenüber ist der Verkauf des isolierten Patientenstamms oder einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter, etwa spezieller radiologischer Software, immer umsatzsteuerpflichtig. Ob der Arzt diese Wirtschaftsgüter für umsatzsteuerpflichtige oder nur für umsatzsteuerfreie heilberufliche Leistungen verwendet hat, ist unerheblich. Da der Patientenstamm den wesentlichsten Teil des Praxiswerts ausmacht, kann es teuer werden, wenn der Patientenstamm zurückbehalten und erst später veräußert wird.

     

    Bis zur EuGH-Entscheidung war die isolierte Übertragung eines immateriellen Wirtschaftsguts (z.B. Praxiswert, Patientenstamm) umsatzsteuerlich eine nach § 4 Nr. 28 UStG umsatzsteuerfreie Lieferung. 2009 hatte der EuGH jedoch entschieden, dass Dienstleistungen, Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen, Übertragungen immaterieller Wirtschaftsgüter, wie etwa Firmenwert und Kundenstamm, sonstige Leistung sind. Seither ist die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG darauf nicht mehr anwendbar.

     

    4. Sonderfälle

    Die hier betrachteten Sonderfälle sind der Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung, die Entschädigung für eine Praxisstilllegung und die Förderung des freiwilligen Verzichts auf die Zulassung.

     

    4.1 Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung

    Ein Vertragsarzt kann in einem Planungsbereich mit Zulassungsbeschränkungen auf seine Zulassung verzichten, um in einem MVZ (§ 103 Abs. 4a SGB V) oder bei einem Vertragsarzt (§ 103 Abs. 4b SGB V) zu arbeiten. Der Zulassungsausschuss muss die Anstellung genehmigen, wenn die vertragsärztliche Versorgung nicht gefährdet wird.

     

    • Sachverhalt 6: Verzicht auf die Zulassung gegen Anstellung

    Dr. B hat noch seine Zulassung als Vertragsarzt. Die Praxis für Allgemeinmedizin ist aufgelöst. Dr. B möchte als angestellter Arzt in einem MVZ arbeiten und verzichtet zugunsten der Anstellung auf die Zulassung (§ 103 Abs. 4a SGB V).

     

    Der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt ist ertragsteuerlich grundsätzlich kein selbstständiges Wirtschaftsgut, sondern ein wertbildender Faktor des Praxiswerts, wenn sich der Kaufpreis für die Arztpraxis ausschließlich am Verkehrswert orientiert. Die Vertragsarztzulassung kann jedoch zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht werden. Sie wird damit zu einem selbstständigen nicht abnutzbaren immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert (BFH 9. 8.11, VIII R 13/08). Verzichtet der Arzt daher auf seine Zulassung und erhält er ein Entgelt dafür, realisiert er ertragsteuerlich einen Veräußerungsgewinn, der steuerbegünstigt ist, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Das MVZ erwirbt ein immaterielles Wirtschaftsgut, das es nicht abschreiben kann.

     

    Umsatzsteuerlich sind die Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht erfüllt, da keine Praxis mitübertragen wird. Auch wird ein immaterielles Wirtschaftsgut übertragen, weswegen § 4 Nr. 28 UStG (mangels Lieferung) nicht greift. Die Leistung ist mit dem Regelsteuersatz steuerpflichtig. Da das Entgelt ein Bruttoentgelt ist, muss die Umsatzsteuer herausgerechnet werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Zusammenhang mit dem Zulassungsverzicht zum Zweck der Anstellung ist auf eine Entscheidung des BSG (4.5.16, B 6 KA 21/15 R) hinzuweisen. Um die Umgehung der Vorschriften über die Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes zu erschweren, fordert das Gericht eine Mindesttätigkeitsdauer von drei Jahren im Angestelltenverhältnis. Wird diese Mindestdauer nicht eingehalten, kann die Stelle des angestellten Arztes nach dessen Ausscheiden nicht nachbesetzt werden (Engel, PFB 16, 261).

     

    4.2 Entschädigung für Praxisstilllegung (§ 103 Abs. 3a SGB V)

    Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes (oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben), ob ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. Stellt der Zulassungsausschuss fest, dass eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen - also bei Überversorgung - nicht erforderlich ist, soll er die Neubesetzung des Praxissitzes ablehnen. Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die KV dem Vertragsarzt (oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben) eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. Bei der Ermittlung des Verkehrswertes ist auf den Verkehrswert abzustellen, der bei Fortführung der Praxis maßgeblich wäre.

     

    • Sachverhalt 7: Verzicht auf Nachbesetzung

    Dr. C erhält eine Entschädigungszahlung nach § 103 Abs. 3a SGB V, weil der Zulassungsausschuss entschieden hat, kein Nachbesetzungsverfahren mehr durchzuführen.

     

    Was Umfang und Höhe der Entschädigung angeht, ist vieles noch unklar (vgl. Lindenau/Wildfeuer, PFB 15, 243; Christmann, PFB 15, 313). Klar ist nur, dass die Entschädigung sich nicht an einem am Markt erzielbaren Verkaufspreis orientiert, sondern am Verkehrswert. In welcher Weise der Verkehrswert einer Praxis zu ermitteln ist, ist dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen.

     

    PRAXISHINWEIS | Das BSG (14.12.11, B 6 KA 39/10 R) sieht zur Ermittlung des Verkehrswerts in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (9.2.11, XII ZR 40/09) eine modifizierte Ertragswertmethode als grundsätzlich geeignet an. Dabei wird neben dem Substanzwert einer Praxis, d. h. dem Zeitwert der bewertbaren Wirtschaftsgüter, der immaterielle Wert in Form eines Goodwill berücksichtigt (Mittelstaedt in Rüping/Mittelstaedt, Abgabe, Kauf und Bewertung psychotherapeutischer Praxen, 2008, 149 ff.). Auch die von Juristen der Ärztekammern und betriebswirtschaftlichen Beratern der KVen erarbeiteten „Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen“ vom 9.9.08 legen eine ertragswertorientierte Methode unter Berücksichtigung der Kosten zugrunde (DÄ 2008, A 2778, 2780). Eine Bemessung allein nach dem Substanzwert lässt zu Unrecht den vorhandenen immateriellen Wert einer Praxis unberücksichtigt.

     

    Auch die ertragsteuerliche und die umsatzsteuerliche Würdigung der Entschädigungszahlung ist noch zu klären. Auch wenn teilweise von einem „Praxisaufkauf“ durch die KV gesprochen wird, so handelt es sich nicht um einen Kaufvertrag. Das Gesetz selber spricht ja bereits von einer Entschädigung.

     

    Ertragsteuerlich kommt § 24 Nr. 1b EStG in Betracht. Danach gehören zu den Einkünften i. S. von § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt worden sind. Als außerordentliche Einkünfte fallen sie nach § 34 Abs. 1 i. V. mit § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG unter die Fünftel-Regelung. Gibt der Arzt die Praxis im Zusammenhang mit der abgelehnten Nachbesetzung auf, rechnet die Entschädigungszahlung m. E. zum Aufgabegewinn, sodass auch die Versteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz (56 %) in Betracht kommt (§ 34 Abs. 3 EStG).

     

    Die Umsatzsteuer ihrerseits knüpft an einen Leistungsaustausch an. Ein Leistungsaustausch setzt voraus, dass Leistender und Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht. Leistung und Gegenleistung müssen in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Das ist bei einer Entschädigung für die Stilllegung der Praxis offensichtlich nicht der Fall. Hier ist vielmehr von einer echten Schadensersatzleistung auszugehen, die nicht unter die Umsatzsteuer fällt. Im Falle einer echten Schadensersatzleistung fehlt es an einem Leistungsaustausch. Der Schadensersatz wird nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat.

     

    4.3 Freiwilliger Verzicht auf die Zulassung (§ 105 Abs. 3 StGB V)

    Die KV können den freiwilligen Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt finanziell fördern. In einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, ist eine finanzielle Förderung auch durch den Aufkauf der Arztpraxis durch die KV möglich, wenn auf eine Ausschreibung zur Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 S. 1 SGB V verzichtet wird.

     

    Anders als im Entschädigungsfall des § 103 Abs. 3a SGB V spricht § 105 Abs. 3 SGB V hier explizit von einem „Aufkauf der Arztpraxis“. Geht man davon aus, dass es sich wirklich um einen Kauf handelt (und nicht um eine Stilllegunsgprämie), stellt sich die Frage, was die KV erwirbt. In der Regel wohl nur die Zulassung und nicht auch die Wirtschaftsgüter der Praxis.

     

    Hört der Arzt im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Ausschreibung zur Nachbesetzung ganz auf, ist von einer Betriebsaufgabe/-veräußerung auszugehen. Der Betrag für den „Aufkauf der Arztpraxis“ wäre in diesem Fall Teil des nach § 34 EStG begünstigten Aufgabe-/Veräußerungsgewinns. Behandelt er noch seine Privatpatienten weiter, ist hingegen von laufendem Praxisgewinn auszugehen.

     

    Umsatzsteuerlich kann schon allein deshalb keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen, weil die KV nicht die Absicht hat, die Praxis fortzuführen. Sinn ist ja gerade der Verzicht auf die Nachbesetzung. Mit der Zulassung wird dann ein immaterielles Wirtschaftsgut übertragen. Dieser Vorgang ist nicht nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei.

    5. Kleinunternehmerregelung

    Ist trotz allem Umsatzsteuer angefallen, sollte die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) geprüft werden. Sie gewährt Unternehmern eine Erleichterung, indem die für die ausgeführten Umsätze geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben wird. Kehrseite der Regelung ist allerdings, dass kein Vorsteuerabzug möglich ist.

     

    Die Regelung kann in Anspruch genommen werden, wenn der Gesamtumsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer

    • im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und
    • im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird.

     

    • Berechnung des maßgebenden Umsatzes

    Summe der steuerbaren Umsätze

    ./. Umsätze, die gemäß § 4 Nr. 8 lit. i, 9 lit. b und 11 bis 28 UStG steuerfrei sind

    ./. nach § 4 Nr. 8 lit. a bis h, 9 lit. a und 10 UStG steuerfreie Hilfsumsätze

    = Gesamtumsatz i. S. des § 19 Abs. 3 UStG

    ./. Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 19 Abs. 1 S. 2 UStG)

    = maßgebender Umsatz i. S. des § 19 Abs. 1 S. 1 UStG

     

    Wie dem Schema zu entnehmen ist, zählen die umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlungsleistungen nicht mit, sondern nur die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen, wie zum Beispiel gutachterliche Tätigkeiten. Auch Umsätze aus der Veräußerung von Anlagevermögen rechnen nicht mit. Was zum Anlagevermögen gehört, ist grundsätzlich nach einkommensteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen (A. 19.1 Abs. 6 UStAE). Hierzu gehört auch der Umsatz aus der Veräußerung eines Firmen- bzw. Praxiswerts (so zum Praxisverkauf eines Arztes siehe OFD Düsseldorf 10.2.84, UR 84, 266).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Praxisaufkauf - Die kalte Enteignung der Ärzte nach neuem Recht (Lindenau/Wildfeuer, PFB 15, 243)
    • Umsatzsteuer - Die Übertragung des Praxiswerts als Steuerfalle (Kreft, PFB 12, 209)
    • Umsatzsteuer bei Praxisveräußerung und Praxisumstrukturierungsmaßnahmen (Rower & Gut, 2014)
    • Praxisaufkauf - Rechtliche Fragen rund um die Zwangsstilllegung von Arztpraxen (Christmann, PFB 15, 313)
    • Umsatzsteuer - Praxiserweiterung und Praxisverkauf: Falsche Gestaltung löst teure Umsatzsteuer aus (Ziegler, PFB online, Beitrag vom 22.8.16)
    • Umsatzsteuer - Ärzte als Kleinunternehmer (Leonard, PFB 13, 299)

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 263 | ID 44209303