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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Auswirkungen der Neuregelung des § 398a AO bei Selbstanzeigen im Unternehmen

    von RA Philipp Külz und StB Timo Welling, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (BGBl I 14, 2415) wurden zu Beginn des Jahres 2015 auch die Anforderungen für das Absehen von der Verfolgung in besonderen Fällen nach § 398a AO erheblich verschärft. Die folgenden Ausführungen machen deutlich, dass die Neuerungen zu teilweise absurden Ergebnissen führen; für die Mandanten wird es nicht selten „günstiger“ sein, ein Strafverfahren auf sich zu nehmen, als eine Selbstanzeige abzugeben. |

     

    Frage des Steuerberaters: Mein Mandant ist zusammen mit zwei weiteren Personen Geschäftsführer einer GmbH. In der Geschäftsführersitzung Ende des Jahres 2014 teilte der für die Finanzen verantwortliche Geschäftsführer seinen Kollegen mit, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2013 nicht fristgerecht bis zum 31.12.14 (das FA hatte die Frist bis dahin verlängert) fertiggestellt werden könne, da insbesondere der mit der Erstellung betraute Mitarbeiter in laufende Projekte eingebunden sei und deshalb die Abgabe erst Ende März 2015 möglich wäre. Die für das Jahr 2013 deklarierte Umsatzsteuer lag bei 5 Mio. EUR, die Vorsteuer bei 3 Mio. EUR.

     

    Sämtliche Geschäftsführer hatten dieser Vorgehensweise zugestimmt; zur Überraschung der Beteiligten erfolgte wenige Wochen nach Abgabe der betreffenden Steuererklärung seitens der Finanzbehörden an alle Geschäftsführer die Mitteilung, dass die Wirksamkeit der eingereichten Selbstanzeige geprüft würde. Mein Mandant möchte wissen, welche Konsequenzen dies für ihn haben kann.

     

    Antwort des Verteidigers: Sofern der Mandant über die Anwendung des § 398a AO das Absehen von der Strafverfolgung erreichen möchte, wird er 1 Mio. EUR zugunsten der Staatskasse zahlen müssen.

     

    Durch die verspätete Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung haben die drei Geschäftsführer gemeinschaftlich handelnd eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB begangen. Die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung Ende März 2015 ist als Selbstanzeige zu werten und unterliegt folglich den Anforderungen des § 371 AO. Vorliegend ist von einem Hinterziehungsbetrag von 5 Mio. EUR auszugehen. Einer Berücksichtigung der Vorsteuer im Rahmen der Ermittlung der hinterzogenen Umsatzsteuer steht das Kompensationsverbot entgegen (u.a. BGH 2.11.95, 5 StR 414/95, NStZ-RR 96, 83).

     

    Mit Blick auf § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO tritt zunächst keine Straffreiheit ein, da der hinterzogene Betrag die normierte Grenze von 25.000 EUR deutlich übersteigt. In einem solchen Fall wird von einer Strafverfolgung gemäß § 398a Abs. 1 AO nur abgesehen, wenn neben den hinterzogenen Steuern und Hinterziehungszinsen auch ein „Zuschlag“ zugunsten der Staatskasse gezahlt wird. Dieser Zuschlag wurde mit der gesetzlichen Neuregelung gestaffelt und beginnt ab einem Hinterziehungsbetrag von 25.000 EUR mit 10 %, zwischen 100.000 EUR und 1 Mio. EUR liegt er bei 15 % und ab einem Betrag von mehr als 1 Mio. EUR sind 20 % der hinterzogenen Steuer zu entrichten.

     

    Während für die „alte“ Fassung des § 398a AO in der Literatur ausführlich diskutiert wurde, inwieweit das Kompensationsverbot im Rahmen des § 398a AO zur Anwendung kommt, hat der Gesetzgeber nun (nach BT-Drs. 18/3018, S. 15, lediglich klarstellend) in § 398a Abs. 2 AO festgehalten, dass die Bemessung des Hinterziehungsbetrags sich auch hier nach den Grundsätzen des § 370 Abs. 4 AO richtet. Daher ist davon auszugehen, dass die Finanzbehörde bei der Ermittlung des Hinterziehungsbetrags als Berechnungsgrundlage für den Zuschlag nach § 398a AO die Vorsteuer nicht zum Abzug bringen wird.

     

    Demnach wird hier durch den Mandanten voraussichtlich ein Zuschlag von 20 % der Hinterziehungssumme und somit ein Betrag von 1 Mio. EUR zu zahlen sein, sofern er über die Anwendung des § 398a AO ein Absehen von der Strafverfolgung erreichen möchte. Gleiches ist im Übrigen auch für die beiden weiteren Geschäftsführer zu erwarten. Während in der Literatur ausführlich diskutiert wird, wie der Zuschlag bei mehreren Tätern zu bemessen bzw. aufzuteilen ist, haben zumindest nach Ansicht des LG Aachen (27.8.14, 86 Qs 11/14, PStR 14, 273) sämtliche Täter jeweils die vollständige Summe zu entrichten. Danach ist davon auszugehen, dass seitens der Finanzbehörden von allen drei Geschäftsführern jeweils ein Betrag von 1 Mio. EUR gefordert wird, sofern diese über § 398a AO Straffreiheit erlangen möchten.

     

    PRAXISHINWEIS | Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die Anwendung des § 398a AO gerade bei Selbstanzeigen durch Verantwortliche eines Unternehmens im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer (trotz der Einschränkungen durch Nr. 132 AStBV (St) 2014) zu Ergebnissen führt, die den finanziellen Ruin der Betroffenen zur Folge haben könnten.

     

    Vor diesem Hintergrund haben die Berater jeweils eine einzelfallbezogene Risikoabwägung zu treffen, inwieweit die Durchführung eines Strafverfahrens und die damit verbundenen Sanktionen für den Mandanten gegebenenfalls der bessere Weg sein könnten. Während eine Selbstanzeige zu den vorgenannten Auswirkungen führt, wird seitens der Ermittlungsbehörden im Zuge eines Strafverfahrens bei der Anwendung des § 153a StPO keine Auflage verhängt werden, die der Betroffene aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht begleichen kann.

     

    Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber § 398a AO zeitnah nochmals überarbeitet. Es kann schwerlich seiner Intention entsprechen, dass Berater ihren Mandanten etwa raten, die Zahlungsfrist des § 398a AO ablaufen zu lassen, um in den „Genuss“ eines Strafverfahrens zu gelangen.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Radermacher, Kompensationsverbot im Kontext der Selbstanzeigereform zum 1.1.15, PStR 14, 324 ff.
    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 133 | ID 43307551