24.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214928
Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 18.09.2019 – 18 Sa 1225/18
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, dass eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers in Bezug auf eine Leistung gegeben ist. Ist das Recht des Arbeitnehmers, neben seiner Tätigkeit noch eine Nebentätigkeit auszuüben, durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, besteht für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum, da lediglich eine Norm - die Betriebsvereinbarung - vollzogen werden muss.
2. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann jede Partei nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des Vertragspartners verpflichtet sein. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Daher kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer, der die Genehmigung zur Nebentätigkeit als Rechtsanwalt hat, bei der Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer die Umsetzung der erteilten Genehmigung durch Abgabe entsprechender Erklärungen zu ermöglichen.
3. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB ist nicht geeignet, eine Änderung des Arbeitsvertrages herbeizuführen. Ist der Arbeitnehmer als Gewerkschaftssekretär eingestellt worden, nicht aber als Syndikusanwalt, kann die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB nicht dazu herangezogen werden, dass der Arbeitgeber gegen seinen Willen Erklärungen abzugeben hat, die beim Arbeitnehmer durch Öffnung der Berufsausübung als Syndikusanwalt eine Arbeitsvertragsänderung bedeuten würde.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 25. Juli 2018 ‒ 10 Ca 48/18 ‒ unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Genehmigung einer Nebentätigkeit für den Kläger, als Rechtsanwalt tätig zu werden, als erteilt gilt.
Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main zu erklären: „ Herr A wird unwiderruflich die Ausübung des Anwaltsberufs gestattet. Für eilbedürftige und fristgebundene Tätigkeiten wird Herr A auch während der Arbeitszeit freigestellt.“
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 60%, die Beklagte 40% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt, um eine dafür gegenüber der Rechtsanwaltskammer abzugebende Erklärung des Arbeitgebers und zusätzlich um einen Anspruch des Klägers, dass die Beklagte ihm eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ermöglicht.
Beklagte ist die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Der 1982 geborene, verheiratete Kläger, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, arbeitet seit dem 01. März 2013 für die Beklagte im Landesbezirk Hessen als Gewerkschaftssekretär mit Rechtsschutzaufgaben in Vollzeit (mit 35 Wochenstunden). In § 3 des Arbeitsvertrages ist vereinbart, dass auf das Vertragsverhältnis u.a. die „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der ver.di“ (AAB) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Zur Wiedergabe des vollständigen Inhalts des Arbeitsvertrags der Parteien vom 14. Februar 2013 wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift verwiesen (Bl. 23-25 d.A.).
Der Kläger wird als Gewerkschaftssekretär mit Rechtsschutzaufgaben nach der Entgeltgruppe EG 7 vergütet. Diese Tätigkeit und ihre Anforderungen gemäß § 2 Ziff. 3 Gesamtbetriebsvereinbarung „Entgeltsystem“ (GBV Entgelt) sind in der Anlage 1 der GBV, dort EG 7.3.4, beschrieben (vgl. Anlage B21 zum Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2018, Bl. 360 f. d.A.).
Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Einstellung durch die Beklagte als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main zugelassen. Mit Ablauf seiner erfolgreichen Probezeit bei der Beklagten gab er auf deren Aufforderung seine Zulassung als Rechtsanwalt zurück (vgl. Schreiben der Beklagten vom 02. September 2013, Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 27 d.A.).
Mit zwei Schreiben vom 22. November 2017 beantragte der Kläger beim Landesbezirk Hessen, Personalabteilung, die Genehmigung einer selbständigen anwaltlichen Tätigkeit als Nebentätigkeit gemäß § 19 AAB (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 28-30 d.A.) und die Unterzeichnung einer „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin / Syndikusrechtsanwalt“ (folgend: Tätigkeitsbeschreibung, Anlage B4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05. April 2018, Bl. 89 d.A.). Auf den Inhalt beider Schreiben wird Bezug genommen.
Der Kläger erklärte in seinem Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt, er werde keine Mandate von Gewerkschaftsmitgliedern, auch anderer Gewerkschaften, annehmen, soweit das Anliegen vom gewerkschaftlichen Rechtsschutz umfasst sei, keine tendenzwidrigen Tätigkeiten ausüben, anfänglich allerhöchstens 5-10 Stunden wöchentlich als Anwalt tätig sein und die werktägliche Höchstarbeitszeit gemäß § 3 ArbZG beachten. Diesem Schreiben war der Entwurf einer vom Kläger als Freistellungserklärung bezeichneten „Erklärung“ (vgl.Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 31 d.A.) beigefügt, um deren Unterzeichnung der Kläger bat, um seine Zulassung als Rechtsanwalt beantragen zu können.
In dem weiteren Schreiben vom 22. November 2017 (Anlage B4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05. April 2018, Bl. 89 d.A.) war in der Betreffzeile „Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft“ angeführt. Beigefügt war jedoch die vom Kläger bereits ausgefüllte und unterschriebene Tätigkeitsbeschreibung, mit der die Beklagte bestätigen sollte, dass der Kläger für sie als Syndikusrechtsanwalt tätig sei. Auf den Inhalt der Tätigkeitsbeschreibung wird vollständig verwiesen (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 32-34 d.A.).
Die Beklagte reagierte gegenüber dem Kläger nicht schriftlich innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Anträge in der Personalabteilung des Landesbezirks Hessen.
Mit E-Mail vom 22. Dezember 2017 an die Personalabteilung erinnerte der Kläger an die Bearbeitung seiner Anträge (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 35 d.A.). Da die Beklagte dazu nicht Stellung nahm, erinnerte der Kläger durch E-Mail vom 15. Januar 2018 an die Personalabteilung erneut an die Bearbeitung und wies darauf hin, dass die Nebentätigkeit wegen Fristablaufs als genehmigt gelte (Anlage K5 zur Klageschrift, Bl. 36 d.A.). Mit einem Schreiben vom 09. Januar 2018 lehnte die Beklagte die Genehmigung einer Nebentätigkeit ab und begründete dies. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen (Anlage K6 zur Klageschrift Bl. 37-39 d.A.). Mit einem weiteren Schreiben vom 09. Januar 2018 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger zu bestätigen, dass er für sie als Syndikusrechtsanwalt tätig sei. Er sei als Gewerkschaftssekretär eingestellt und als gewerkschaftlicher Interessenvertreter tendenzbezogenen und arbeitsvertraglich weisungsabhängig tätig (Anlage K7 zur Klageschrift, Bl. 40 d.A.). Beide Schreiben gingen dem Kläger am 16. Januar 2018 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom 18. Januar 2018 widerrief die Beklagte vorsorglich etwaige wegen Fristablaufs erteilte Genehmigungen für eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt sowie auf Zulassung als Syndikusanwalt (vgl. Anlage K8 zur Klageschrift, Bl. 41 ff. d.A.).
In § 19 AAB (Stand Januar 2017) ist geregelt (vgl. Anlage B5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05. April 2018, Bl. 93 ff., 99 d.A.):
„(1) Beschäftigte dürfen Nebenbeschäftigungen gegen Entgelt nur mit schriftlicher Genehmigung übernehmen.
Die Genehmigung darf nur verweigert werden, wenn durch die Ausübung der Nebentätigkeit die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung beeinträchtigt wird, insbesondere wenn das Ausmaß der Nebentätigkeit dazu führt, dass die Tätigkeit im Hauptarbeitsverhältnis nicht mehr im erforderlichen Umfang ausgeübt werden kann oder wenn es sich um unerlaubte Konkurrenztätigkeit handelt.
(2) Eine Nebentätigkeit darf nicht im Widerspruch zu dem Zweck, den Aufgaben und Zielen von ver.di im Sinne des § 5 der Satzung von ver.di stehen.
(3) Ändern sich nach erteilter Genehmigung die Umstände derart, dass nunmehr ein Grund zur Verweigerung der Genehmigung gegeben wäre, so kann die Genehmigung widerrufen werden.
(4) Genehmigung und Widerruf unterliegen der Mitbestimmung gemäß § 4 der Vereinbarung zur Erweiterten Mitbestimmung.
(5) Einzelheiten regelt die „Gesamtbetriebsvereinbarung zu Nebentätigkeiten“.
In der Gesamtbetriebsvereinbarung Nebentätigkeit (GBV Nebentätigkeit, s. Anlage B9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05. April 2018, Bl. 111-113 d.A.) ist auszugsweise bestimmt:
„I. Präambel:
§ 19 AAB regelt die Grundsätze für die Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen.
Die nachfolgenden konkretisierenden Regelungen sind nach Auffassung des Gesamtbetriebsrats und des Bundesvorstandes erforderlich, um bei der Anwendung dieser Bestimmungen Rechtssicherheit für die ver.di Beschäftigten zu schaffen.
(…)
III. Definitionen: Arbeitsleistung im Hauptarbeitsverhältnis, Nebentätigkeit, Ehrenämter und politische Mandate
(…)
2. Nebentätigkeit:
Hierbei handelt es sich um eine entgeltliche Tätigkeit die ein/e Arbeitnehmer/in zusätzlich neben ihrem/seinem Arbeitsverhältnis bei ver.di ausübt.
(…)
IV. Behandlung der Tätigkeiten gemäß III.1-4:
(…)
Zu III.2:
Sämtliche Nebentätigkeiten im Sinne von III.2 dürfen nur außerhalb der Arbeitszeit ausgeübt werden.
Es gilt § 19 AAB. Demgemäß sind sämtliche konkurrenz- und tendenzwidrige Tätigkeiten zu unterlassen (vgl. auch § 60 HGB).
Nebentätigkeiten sind rechtzeitig vor Aufnahme der jeweiligen Tätigkeit, mindestens jedoch in der Regel drei Wochen vorher, gegenüber der zuständigen Personalabteilung anzuzeigen und gemäß § 19 AAB die Genehmigung zu beantragen.
Erfolgt nicht innerhalb von drei Wochen ‒ gerechnet ab dem Eingang bei der zuständigen Personalabteilung ‒ eine schriftliche Bescheidung dieses Antrags, so gilt er als genehmigt.
(…).“
Die Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main gibt in ihrem „Merkblatt zur Ausübung einer sonstigen beruflichen Tätigkeit“ auszugsweise folgenden Hinweis (vgl. Anlage K10 zum Schriftsatz des Klägers vom 16. April 2018, Bl. 159 f. d.A.):
„(…)
Zur Prüfung der Vereinbarkeit der anderweitigen Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf bedarf es
(…)
3. bei unselbständiger Tätigkeit der Vorlage eine Erklärung Ihres Arbeitgebers auf dessen Briefpapier, die mindestens von einem zur Vertretung befugten Organmitglied unterzeichnet ist, mit folgendem Wortlaut:
„Frau/Herr …… wird unwiderruflich die Ausübung des Anwaltsberufs gestattet. Für eilbedürftige und fristgebundene anwaltliche Tätigkeiten wird Frau/Herr …… auch während der Arbeitszeit freigestellt.“
(…)“
Die Beklagte beschäftigt Gewerkschaftssekretärinnen und Gewerkschaftssekretäre mit Rechtsschutzaufgaben oder in anderen Tätigkeiten, welche eine Nebentätigkeit als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt ausüben. Teilweise verfügen diese Personen über eine Zulassung als Fachanwalt/in für Arbeitsrecht. Das gilt auch für den Landesbezirk Hessen.
Die Beklagte hat außerdem Gewerkschaftssekretären und Gewerkschaftssekretären mit Rechtsschutzaufgaben oder in anderen Tätigkeiten ermöglicht, als Syndikusanwalt/in dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte beizutreten.
Der Kläger erhob am 07. Februar 2018 Klage bei dem Arbeitsgericht Offenbach gegen die Beklagte auf Erteilung einer unwiderruflichen Genehmigung für eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt und Abgabe von Erklärungen gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, seine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt gelte bereits als genehmigt, da die Beklagte seinen Antrag nicht innerhalb von drei Wochen beschieden habe. Die angestrebte Nebentätigkeit falle unter § 19 AAB und sei damit genehmigungsfähig. Da seine Zulassung als Rechtsanwalt ohne die erforderliche Freistellungserklärung nicht möglich sei, erfasse die Genehmigungsfiktion auch die Freistellungserklärung. Ein wirksamer Widerruf der Genehmigung durch die Beklagte sei nicht erfolgt. Hilfsweise sei die Beklagte verpflichtet, ihm die begehrte Genehmigung und die damit zusammenhängenden Erklärungen zu erteilen. Es bestehe kein sachlicher Grund, ihm die Zulassung als Rechtsanwalt zu verwehren, da bundesweit mindestens 47 Rechtssekretäre/innen über eine Zulassung als Rechtsanwalt/in und/oder Syndikusrechtsanwalt/in verfügten. Hinsichtlich der vom Kläger angeführten Rechtssekretärinnen und Rechtssekretäre wird auf dessen Aufstellung im Schriftsatz vom 16. April 2018, Seite 7-10 (Bl. 125-128 d.A.) verwiesen. Der Kläger hat weiter geltend gemacht, die AAB und die GBV Nebentätigkeit seien in allen Landesbezirken gleich anzuwenden. Die Beklagte dürfe sich nicht auf eine unterschiedliche Auslegung und Handhabung durch die einzelnen Landesbezirke berufen. Gleichzeitig mache sie nämlich auch geltend, dass bundeseinheitliche „Empfehlungen“ angewandt würden. Der Kläger hat gemeint, es sei schließlich nicht zu befürchten, dass er eine unzulässige Konkurrenztätigkeit ausüben werde. Er hat behauptet, die Beklagte beschäftige auch Arbeitnehmer, die als Rechtsanwalt/in in Nebentätigkeit die Zulassung als Fachanwalt/in für Arbeitsrecht erlangt hätten.
In Bezug auf seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt hat der Kläger die Ansicht vertreten, er könne dies nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verlangen. Die Beklagte habe zudem durch die E-Mail des Leiters der Bundesrechtsabteilung an die Rechtssekretär/innen vom 29. November 2016 (Anlage B16 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. Mai 2018, Bl. 226 d.A) auf die Möglichkeit der Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bzw. Syndikusrechtsanwalt hingewiesen. Er hat behauptet, die Beklagte beschäftige mindestens 19 Arbeitnehmer/innen als Syndikusrechtsanwalt/in, sie habe auch nach Erhebung seiner Klage weiteren Kolleginnen und Kollegen die Zulassung ermöglicht. Wegen der vom Kläger genannten Syndikusrechtsanwält/innen wird die weitere Aufstellung in seinem Schriftsatz vom 16. April 2018, dort Seite 34 f. (Bl. 152 f. d.A.) Bezug genommen. Die vom Kläger angeführten Personen sind nach der Aufstellung überwiegend, jedoch nicht ausschließlich, als Gewerkschaftssekretär/innen im Rechtsschutz tätig.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Weiter hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, dass der Kläger nicht mit den Gewerkschaftssekretärinnen und Gewerkschaftssekretären im Rechtsschutz vergleichbar sei, denen eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt/in genehmigt wurde. Diese Genehmigungen beruhten darauf, dass die Beschäftigten in Teilzeit oder nur befristet tätig seien, teilweise seien die Genehmigungen auch noch von ihren Vorgängerorganisationen erteilt worden. Weitere Mitarbeiter/innen hätten zudem eine so genannte Unterwerfungserklärung unterzeichnet (vgl. Anlage B19 zum Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2018, Bl. 353 f. d.A.).
Wegen des Antrags des Klägers, als Syndikusrechtsanwalt zugelassen zu werden hat die Beklagte die Ansicht vertreten, dass der Kläger keinen Anspruch auf die gewünschte Tätigkeitsbeschreibung habe, da er als Gewerkschaftssekretär eingestellt worden sei und daher eine Änderung seines Arbeitsvertrages begehre. Bei Abschluss und Änderung von Arbeitsverträgen gelte die Vertragsfreiheit, so dass sie nicht an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sei. Die Beklagte hat behauptet, die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt/in sei in den vergangenen Jahren uneinheitlich und teilweise ohne genauere Prüfung der rechtlichen Konsequenzen erfolgt. Dies werde mittlerweile aber so nicht mehr unterstützt, eine bundeseinheitliche Klärung solle erfolgen.
Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2018 stattgegeben (Bl. 476-484 d.A.). Der Kläger habe einen Anspruch auf die begehrte Genehmigung für eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Unstreitig arbeiteten für die Beklagte Rechtssekretär/innen, die über eine Rechtsanwaltszulassung verfügten und denen die Beklagte eine Genehmigung erteilt haben müsse. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei betriebsübergreifend anzuwenden. Die Beklagte habe ihre Darlegungslast, dass es einen sachlichen Grund für die vorgenommene Differenzierung gebe, nicht vollständig erfüllt. Dies gelte hilfsweise auch ausschließlich auf den Landesbezirk Hessen bezogen. Es könne nicht für alle vom Kläger benannten Mitarbeiter festgestellt werden, dass diese in Teilzeit ohne Arbeitszeitvorgabe arbeiteten. Es dürfe deshalb dahinstehen, ob die begehrte Genehmigung bereits nach der Regelung zur III.2 der GBV als erteilt gelte. Die Beklagte sei auch verpflichtet, dem Kläger die begehrte Freistellungserklärung zu erteilen. Denn diese sei erforderlich, damit der Kläger die Zulassung als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main erhalten könne.
Schließlich habe der Kläger nach den Grundsätzen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch Anspruch auf Erteilung der Tätigkeitsbeschreibung, welche er für eine Zulassung als Syndikusanwalt benötige. Die Beklagte habe keinen sachlichen Grund angeführt, warum sie bestimmten Rechtssekretären die Zulassung als Syndikusanwalt ermögliche, nicht jedoch dem Kläger. Damit könne sich die Beklagte nicht mehr auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit berufen.
Zur Wiedergabe des vollständigen Inhalts der Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen (Bl. 71-80 d.A.). Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird zusätzlich auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Gegen das Urteil, welches der Beklagten am 20. August 2018 zugestellt wurde, hat diese mit am 14. September 2018 bei dem Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung durch am Montag, dem 26. November 2018, bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem sie zuvor rechtzeitig die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt hatte.
Die Beklagte wendet ein, das Arbeitsgericht habe sie entgegen § 19 Abs. 3 AAB zu einer unwiderruflichen Nebentätigkeitserlaubnis verurteilt. Damit werde sie zu einer Änderung des Arbeitsvertrages verpflichtet. Ein solcher Eingriff, welcher der Nebentätigkeit einen Vorrang vor dem Hauptarbeitsverhältnis einräume, werde von § 19 AAB nicht gedeckt. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht anwendbar. Die verschiedenen Rechtsanwaltskammern in Deutschland stellten unterschiedliche Anforderungen an die Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Außerdem arbeiteten die von dem Arbeitsgericht als vergleichbar herangezogenen Gewerkschaftssekretärinnen und Gewerkschaftssekretäre zu unterschiedlichen Bedingungen. Schon daher scheide eine Vergleichbarkeit aus. Die vom Kläger verlangte Freistellungsbescheinigung brauche von ihr nicht erteilt zu werden, da der Kläger in Vollzeit arbeite und innerhalb des Landesbezirks eine Vollzeittätigkeit als nicht vereinbar mit einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt/in angesehen werde.
Die Beklagte macht vorsorglich weiter geltend, dass die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nur auf den Landesbezirk Hessen bezogen werden dürfe, da sie personelle Entscheidungen autark und auf der Grundlage eines selbst erstellten Personalkosten-Haushaltsplans treffe.
Die Beklagte widerspricht der Klageerweiterung in der Berufung um den Antrag auf Feststellung, dass die Nebentätigkeitsgenehmigung als erteilt gelte.
Die Beklagte behauptet, im Landesbezirk Hessen sei kein Gewerkschaftssekretär/in in Vollzeit tätig, der/die eine Zulassung als Rechtsanwalt/in und/oder Syndikusrechtsanwalt/in besitze. In Bezug auf ihre Verurteilung, dem Kläger die Zulassung als Syndikusanwalt durch Abgabe einer Tätigkeitsbeschreibung zu ermöglichen, ist die Beklagte der Ansicht, sie dürfe nicht zu einer Änderung des mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrags verurteilt werden. Der Kläger sei nicht als Syndikusrechtsanwalt eingestellt worden und werde so nicht beschäftigt. Sie verweist darauf, dass ‒ unstreitig ‒ der Landesrechtsschutzleiter im Landesbezirk Hessen nicht als Rechtsanwalt zugelassen werden könne. Der Kläger arbeitete weisungsabhängig, dies werde durch die Rechtsschutzrichtlinie (Anlage B13 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. Mai 2018, Bl. 208-215 d.A.) nicht ausgeschlossen.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt zuletzt,
Eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt werde von § 19 AAB erfasst und führe zu keiner Änderung des Arbeitsvertrags. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei anwendbar. Die Beklagte habe durch die von ihr erteilten Nebentätigkeitsgenehmigungen eine eigenständige Ordnung geschaffen, die sie gleichmäßig auf alle Beschäftigten anzuwenden habe. Es existiere kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ihrer Gewerkschaftssekretärinnen und Gewerkschaftssekretäre. Auch sei unbeachtlich, dass die von verschiedenen Rechtsanwaltskammern verlangten Freistellungserklärungen einen geringfügig abweichenden Wortlaut hätten. Die Erklärungen dienten alle dem Zweck, die Vereinbarkeit der nicht anwaltlichen Tätigkeit mit dem Beruf des Rechtsanwalts herzustellen. Die Erklärung habe lediglich eine zeitliche Dimension.
Der Kläger behauptet, dass die Beklagte noch weitere Jurist/innen beschäftige, die als Rechtsanwalt/in und/oder Syndikusrechtsanwalt/in zugelassen seien (vgl. Namensliste Seite 4 der Berufungserwiderung, Bl. 606 d.A., und Namensliste Seite 10 f. des Schriftsatzes vom 23. August 2019, Bl. 878 d. A.).
Er ist der Auffassung, die „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin / Syndikusrechtsanwalt“ führe zu keiner Änderung des Arbeitsvertrages, sondern gebe lediglich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit wieder, welche auch aus der Rechtsschutzrichtlinie folge. Er arbeite fachlich nicht weisungsunterworfen und schon jetzt wie ein Syndikusanwalt. Hilfsweise stimme er einer Änderung seines Arbeitsvertrags zu.
In Bezug auf die von der Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2019 erhobenen Bedenken gegen die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Ansprüche des Klägers macht dieser geltend: Die Beklagte vollziehe nicht Normen, sondern treffe eine verteilende Entscheidung, wenn sie Nebentätigkeitsgenehmigungen erteile. Dies sei zumindest der Fall, wenn sie anwaltliche Tätigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zulasse.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 27. März 2019 und 18. September 2019 (Bl. 816, 897 f. d.A.) Bezug genommen.
Die Parteien führen weitere Rechtsstreite um Schadensersatz wegen entgangenem Verdienst aus einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt (Arbeitsgericht Offenbach am Main ‒ 10 Ca 411/18, nunmehr Hess. LAG ‒ 18 Sa 793/19), Auskunftspflichten der Beklagten (Arbeitsgericht Offenbach am Main ‒ 10 Ca 410/18, kein Berufungsverfahren) und Schadensersatz wegen einer Versetzung (Arbeitsgericht Offenbach am Main ‒ 10 Ca 58/19, nunmehr Hess. LAG ‒18 Sa 1113/19).
Entscheidungsgründe
I.
Die gem. §§ 64 Abs. 2 b), 8 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist fristgerecht und ordnungsgemäß eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist teilweise erfolgreich. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die durch die Tätigkeitsbeschreibung vorgegebene Willenserklärung zur Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt abzugeben und die schrifliche Erklärung an den Kläger herauszugeben.
Die Berufung ist überwiegend unbegründet, soweit die Beklagte dem Kläger keine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt genehmigen will. Es kann offen bleiben, ob sie dazu verpflichtet wäre. Die Nebentätigkeitsgenehmigung gilt bereits als erteilt und wurde nicht wirksam widerrufen. Deshalb hat die Beklagte auch gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main ‒ entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers ‒ zu bestätigen, dass dem Kläger die Ausübung des Anwaltsberufs gestattet wird. Der weitergehende Hauptantrag des Klägers ist nicht berechtigt. In diesem Umfang ist die Entscheidung des Arbeitgerichts ebenfalls abzuändern.
II.
Der Kläger hat in dem Berufungsverfahren zulässige Klageänderungen vorgenommen. Die zuletzt verfolgten Klageanträge sind zulässig.
1.
Der Kläger hat auf die Berufung der Beklagten mit der Berufungsbeantwortung einen Feststellungsantrag als Hilfsantrag angekündigt (ursprünglicher Berufungsantrag zu 4), mit dem er klären will, ob die Nebentätigkeitsgenehmigung als Rechtsanwalt nach Ziff. IV. zu Ziff. III.2 GBV Nebentätigkeit schon als erteilt gilt und er deshalb die Erteilung einer Genehmigung nicht mehr beantragen muss. Die Ergänzung der Leistungsklage um eine Feststellungsklage, mit der die Entbehrlichkeit der beantragten Leistung festgestellt werden soll, bildet hier keine Klageänderung durch Klageerweiterung, sondern wird von § 264 Nr. 2 ZPO erfasst.
Die Fiktion der Genehmigung führt dazu, dass diese als bereits erteilt angesehen wird. Das ist eine Beschränkung gegenüber der Leistungsklage. Der Anspruch auf die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung gemäß § 19 AAB ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt auszulegen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sofern die Nebentätigkeit die betrieblichen Interessen nicht beeinträchtigt (vgl.BAG Beschluss vom 13. Mai 2015 ‒ 2 ABR 38/14 ‒ NZA 2016, 116, Rz. 21; BAG Urteil vom 13. März 2003 ‒ 6 AZR 585/01 ‒ NZA 2003, 976, Rz. 21). Unterstellt man für die Prüfung der Zulässigkeit des geänderten Antrags, dass der Arbeitgeber bei einem wirksamen und vollständigen Antrag darauf verzichtet hat, gegen die Nebentätigkeit innerhalb der für die Prüfung vereinbarten Frist Verbotsgründe geltend zu machen, gilt die Erlaubnis als erteilt. Diese Feststellung bildet gegenüber einem Leistungsantrag, der eine Prüfung der betrieblichen Interessen erfordert, ein Minus (vgl.BAG Urteil vom 05. Juni 2019 ‒ 10 AZR 100/18 (F) ‒ NZA 2019, 1308 [BAG 28.03.2019 - 8 AZR 366/16], Rz. 15; BAG Urteil vom 14. September 2016 ‒ 4 AZR 456/14 ‒ NZA-RR 2017, 202, Rz.15; BAG Urteil vom 01. Februar 2006 ‒ 5 AZR 187/05 ‒ NZA 2006, 563, Rz. 15; LAG Hamm Urteil vom 14. Mai 2014 ‒ 2 Sa 1652/13 ‒ ZIP 2015, 193, Rz. 39).
Die Voraussetzungen einer Anschlussberufung zur Klageänderung gemäß §§ 524, 533 ZPO waren daher nicht zu prüfen. Zudem ist der durch die Berufungskammer zu berücksichtigende Sachverhalt (§ 67 ArbGG) durch den Hilfsantrag nicht erweitert worden. Der Kläger strebt weiterhin nur die Zurückweisung der Berufung der Beklagten an.
Der Kläger hat dann zulässig in der Verhandlung vom 18. September 2019 (Sitzungsniederschrift Bl. 897 f.d.A.) den Hilfsantrag durch den ‒ zunächst als Antrag zu 5) angekündigten ‒ zusätzlichen Hilfsantrag weiter beschränkt, indem er auf das Wort „unwiderruflich“ verzichtet hat. Auch dies fällt unter § 264 Nr. 2 ZPO.
Die schließlich auf den Hinweis der Kammer geänderte Staffelung der Anträge (Feststellungsantrag, hilfsweise weiterer Feststellungsantrag, äußerst hilfsweise Leistungantrag) bildet ebenfalls keine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO.
2.
Für die Feststellungsanträge besteht auch das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Für den Fall, dass die Nebentätigkeitsgenehmigung als erteilt gilt, muss keine Prüfung mehr stattfinden, ob und ggfalls in welchem Umfang eine Nebentätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt, der auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig sein will, die betrieblichen Interessen der Beklagten beeinträchtigt, wie sie in diesem Rechtsstreit geltend macht. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, dass er die Genehmigung noch erlangen muss. Es besteht kein Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage, mit der ein ‒ qualitativ ‒ beschränkter Antrag verfolgt wird (vgl.BAG Urteil vom 05. Juni 2019 ‒ 10 AZR 100/18 (F) ‒ NZA 2019, 1308 [BAG 28.03.2019 - 8 AZR 366/16], Rz. 15).
3.
Der in der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2019 zusätzlich gestellte Hilfsantrag zur Erklärung gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main (Sitzungsniederschrift Bl. 897 f. d.A.) wird von § 264 Nr. 1 ZPO erfasst. Die Kammer hat mit den Parteien erörtert, ob die von dem Kläger begehrte „Freistellungserklärung“, die von der Beklagten gegenüber der Rechtsanwaltskammer bei Obsiegen abzugeben wäre, als Wissens- oder Willenserklärung zu qualifizieren ist und nach § 888 ZPO zu vollstrecken oder nach § 894 ZPO mit Rechtskraft als abgegeben fingiert wird.
Der Hilfsantrag zu der so genannten Freistellungserklärung deckt ‒ bei gegenüber dem Hauptantrag unverändertem Sachverhalt ‒ die rechtliche Bewertung ab, dass die gewünschte Erklärung unter § 894 ZPO zu subsumieren ist.
4.
Der im Berufungsverfahren unverändert gebliebene Klageantrag zu 3), mit dem der Kläger erreichen will, dass er bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main auch als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wird, ist auslegungsbedürftig.
Der Kläger hat die Tätigkeitsbeschreibung (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 32-34 d.A.) bereits vollständig ausgefüllt und selbst unterzeichnet. Die Beklagte soll diese unter „IV. Einbeziehung in den Arbeitsvertrag“ unterschreiben. Ebenfalls unterzeichnen soll sie die in dem Vordruck vorgesehene Erklärung gegenüber der Rechtsanwaltskammer, dass sie in einer möglichen öffentlich-rechtlichen Streitigkeit um die Zulassung (§ 46a Abs. 2 Satz 3 BRAO) auf eine Beteiligung gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verzichtet. Dies sind Willenserklärungen, durch welche Tatsachen behauptet und auf eigene Rechte verzichtet wird (vgl.BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 30, 33). Damit ist der Anwendungsbereich von § 894 ZPO betroffen. Durch die beantragte „Unterzeichnung“ durch ein zur Vertretung befugtes Organmitglied sollen die Erklärungen von der Beklagten als eigene Erklärungen abgegeben werden. Die beantragte Herausgabe der vom Kläger ausgefüllten Tätigkeitsbeschreibung wäre demgegenüber nach § 889 ZPO zu vollstrecken. Es liegen also drei voneinander zu unterscheidende Anträge vor. Legt man deshalb den Anträge des Kläger zu 3.) so aus, dass er von der Beklagten die Annahme seines Angebots verlangt, die Angaben der Tätigkeitsbeschreibung in den Arbeitsvertrag der Parteien einzubeziehen (1), gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main vorab auf das Recht der Beteiligung an einer möglichen öffentlich-rechtlichen Streitigkeit zu verzichten (2) und die vom Kläger selbst ausgefüllte Tätigkeitsbeschreibung ‒ nach Unterschriftsleistung ‒ herauszugeben (3), sind diese Anträge zulässig.
III.
Der Kläger ist berechtigt, eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt auszuüben. Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen nicht begründet.
1.
Die Beklagte hat dem Kläger diese Nebentätigkeit erlaubt, da sie seinen Antrag vom 22. November 2017 auf Erteilung einer Genehmigung, in Nebentätigkeit als Anwalt tätig zu werden, nicht innerhalb der in Ziff. IV. zu Ziff. III.2 GBV Nebentätigkeit bestimmten Frist von drei Wochen abgelehnt hat.
a)
Der Antrag des Klägers fällt in den Anwendungsbereich von § 19 AAB. Durch die Norm sind keine Nebentätigkeiten ausgenommen.
Die GBV Nebentätigkeit vom 11. Dezember 2012 (Anlage B9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05. April 2018, Bl. 111-113 d.A) hat die vorherige Gesamtbetriebsvereinbarung zu § 19 AAB vom Dezember 2008 (vgl. Anlage B14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. Mai 2018, Bl. 216 f. d.A.) abgelöst. In § 1 der abgelösten GBV war ausdrücklich ein Anspruch auf Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt für Teilzeitbeschäftigte geregelt. Die Parteien haben übereinstimmend in der Verhandlung vom 27. März 2019 dargelegt, dass der Umstand, dass diese Bestimmung nicht fortgeführt wurde, nicht bedeutet, dass eine anwaltliche Nebentägkeit von § 19 AAB nun nicht mehr erfasst werden sollte.
b)
Der Antrag des Klägers genügt den Anforderungen, die nach § 19 AAB i.V.m. GBV Nebentätigkeit an einen solchen Antrag zu stellen sind.
Ein Antrag muss ausreichende Angaben enthalten, um der Beklagten die Prüfung zu ermöglichen, ob sie in der nach Ziff. IV. zu Ziff. III.2 GBV Nebentätigkeit bestimmten Frist von drei Wochen die Genehmigung erteilt, ablehnt oder zunächst wegen Bedenken mit dem/der Arbeitnehmer/in über Art und Umfang der geplanten Nebentätigkeit spricht. Die Beklagte hat in der Information zu der am 01. Januar 2013 in Kraft getretenen GBV Nebentätigkeit sogar nur angeführt, dass „Art und der zeitliche Umfang der beantragten Nebentätigkeit“ anzugeben sei (vgl. ver.di personal info Nr. 3/2013, „1.3.2 Verfahren“, Anlage K15 zum Schriftsatz des Klägers vom 09. Juli 2018, Bl. 418-420 d.A.).
Der Kläger hat angeben, dass er als Rechtsanwalt mit Sitz in Frankfurt selbständig arbeiten, in welchem zeitlichen Umfang er durchschnittlich täglich bzw. wöchentlich tätig werden will und welche Mandate er nicht übernehmen werde. Außerdem hat er erklärt, keine tendenzwidrigen Tätigkeiten ausüben zu wollen und erläutert, wie er die Vereinbarkeit von Hauptberuf und Nebentätigkeit bei Terminskollisionen, fristgebundenen Arbeiten unter Berücksichtigung von § 3 ArbZG für durchführbar hält.
Der Kläger hat den Antrag schließlich an die für ihn zuständige Personalabteilung des Landesbezirks Hessen gerichtet.
c)
Es ist unstreitig, dass die Beklagte den Antrag des Klägers vom 22. November 2017 nicht fristgerecht innerhalb von drei Wochen nach Eingang bei der Personalabteilung abgelehnt hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Genehmigungsfiktion nach Ziff. IV. zu Ziff. III.2 GBV Nebentätigkeit nicht entgegen, dass der Antrag „nicht genehmigungsfähig“ sei. Die Genehmigungsfiktion tritt nicht nur für solche Anträge ein, die von der Beklagten genehmigt werden müssten. Die Regelung enthält keine solche Einschränkung. Eine solche Fiktion wäre auch überflüssig, da § 19 AAB als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu verstehen ist, eine Genehmigung also ohnehin als erteilt anzunehmen ist, sofern die Nebentätigkeit die betrieblichen Interessen nicht beinträchtigt. Der von der Beklagten herangezogene Vergleich mit einem Urlaubsantrag, welcher erfolge, obwohl kein Urlaubsanspruch (mehr) bestehe, trifft nicht zu. Die Regelung in Ziff. IV. zu Ziff. III.2 GBV Nebentätigkeit dient vielmehr der Vereinfachung sowie dem Interesse des/der Beschäftigten an einer zügigen Entscheidung durch seine Arbeitgeberin. Reagiert diese nicht innerhalb der Frist, kann der gestellte Antrag nicht mehr abgelehnt werden.
2.
Der in der Berufung als Hauptantrag gestellte Antrag auf Feststellung, dass dem Kläger eineunwiderruflicheGenehmigung einer Nebentätigkeit als Anwalt als erteilt gilt, ist jedoch unbegründet.
In § 19 Abs. 4 und 5 AAB ist bestimmt, dass eine Nebentätigkeitsgenehmigung unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden kann. Daher gilt die Nebentätigkeit als Rechtsanwalt dem Kläger nicht unwiderruflich erteilt. Eine derartige Feststellung kann auf der Grundlage von § 19 AAB i.V.m. Ziff. IV. zu Ziff. III.2 GBV Nebentätigkeit nicht getroffen werden.
3.
Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag, der auf den Zusatz „unwiderruflich“ verzichtet, enspricht dagegen der durch den Fristablauf eingetretenen Rechtslage. Wie ausgeführt, gilt dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt als erteilt. Der Hilfsantrag ist daher begründet.
4.
Der weiter hilfsweise gestellte Leistungsantrag, welcher dem Hauptantrag des Klägers in erster Instanz entspricht, ist im Berufungsverfahren nicht mehr zur Entscheidung angefallen, soweit er auf § 19 AAB gestützt wird. Insoweit hat die Kammer nicht zu entscheiden, ob dem Kläger nach § 19 AAB i.V.m. der GBV Nebentätigkeit diese Nebentätigkeit zu erlauben ist oder die Interessen der Beklagten dadurch zu sehr beeinträchtigt werden.
5.
Soweit der Kläger in der Verhandlung vom 18. September 2019 klargestellt hat, dass er den Leistungsantrag auf eine unwiderrufliche Genehmigung ausdrücklich auch ‒ wie das Arbeitsgericht Offenbach ‒ auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützt, ist die Berufung der Beklagten begründet.
Das Recht der Arbeitnehmer/innen der Beklagten, neben ihrer Tätigkeit für diese eine selbständige oder unselbständige Nebentätigkeit auszuüben, ist durch Betriebsvereinbarungen (AAB, GBV Nebentätigkeit) geregelt. Die Behandlung von Nebentätigkeiten und der darauf gerichteten Anträge vollzieht diese Normen. Daneben ist für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum, der eine verteilende Entscheidung der Arbeitgeberin in Bezug auf eine Leistung voraussetzen würde (vgl.ErfK/Preis, 19. Aufl., § 611a BGB Rz. 574a).
Die Überlegungen, die von dem Arbeitsgericht Offenbach und den Parteien zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer/innen angestellt wurden, können sich nur innerhalb der Prüfung des Anspruchs nach § 19 AAB auswirken, z.B. bei der Frage, nach welchen Maßstäben berechtigte Interessen der Beklagten oder bestimmte arbeitsvertraglich geschuldete Aufgaben es rechtfertigen, eine Nebentätigkeit nicht zu erlauben. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung wirkt dann als Rechtsausübungsschranke der Beklagten (vgl.ErfK/Preis, 19. Aufl., § 611a BGB Rz. 575).
Da dem Kläger nach den oben stehen Ausführungen eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt als genehmigt gilt, kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte ihm diese Genehmigung nach § 19 AAB i.V.m. der GBV Nebentätigkeit hätte erteilen müssen, wenn sie anderen, mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer/innen eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt/wältin erlaubte.
Offen bleiben kann daher auch, dass der so verstandene Leistungsantrag einen eigenständigen Antrag bildet und deshalb nicht in einem Verhältnis von Haupt- und Hilfsanträgen zu den auf § 19 AAB gestützten Anträgen stehen kann.
IV.
Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Abgabe einer so genannten Freistellungserklärung gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main ist ebenfalls nur teilweise erfolgreich.
1.
Der Hauptantrag des Klägers ist darauf gerichtet, dass die Beklagte eine ihrem Wortlaut nach vorgebenene Willenserklärung abgibt, die Abgabe schriftlich auf eigenem Briefpapier erfolgt und die Unterschrift eines vertretungsbefugten Organmitglieds trägt. Hierauf besteht kein Anspruch, die darauf gerichtete Verpflichtung durch das Urteil des Arbeitsgerichts war abzuändern.
Der Kläger besteht darauf, dass die Erklärung der Beklagten gegenüber der Rechtsanwaltskammer den Wortlaut hat, welchen die Kammer in ihrem „Merkblatt zur Ausübung einer sonstigen beruflichen Tätigkeit“ (Anlage K10 zum Schriftsatz des Klägers vom 16. April 2018, Bl. 159 f. d.A.) vorgibt. Die Beklagte habe die Erklärung abzugeben, welche von der Rechtsanwaltskammer gefordert werde, bei der er seine Zulassung beantragen müsse. Der Kläger hat dazu in der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2019 ergänzend ausgeführt, dass ihm die Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main bestätigt habe, dass jegliche Ergänzungen der Arbeitgeberseite dazu, wie man die geforderte „Freistellung“ verstehe oder umsetzen werde, zu einer Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führe. Danach verlangt der Kläger die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber einem Dritten (§ 894 ZPO), nicht die Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung dfen Wortlaut singemäß den Anforderungen der Anwaltskammer entspricht (§ 888 ZPO).
Wird ein Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 894 ZPO verurteilt, gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Es ist nicht erforderlich, dass der Schuldner die begehrte Willenserklärung zusätzlich schriftlich, auf eigenem Briefpapier und durch einen Organvertreter abgibt. Das rechtskräftige Urteil „ersetzt“ die Erklärung in der für sie erforderlichen Form (vgl.Zöller-Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 894 Rz. 6). Geht man davon aus, dass der Kläger wegen der eingetretenen Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt einen Anspruch gegenüber der Beklagten hat, dass diese seine Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer ermöglicht (siehe unten, IV. 2.), so kann dieser Anspruch nicht weitergehen als nach § 241 Abs. 2 BGB notwendig. Damit ist der Hauptantrag unbegündet, soweit der Kläger mehr als die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber einem Dritten verlangt.
2.
Der im Berufungsverfahren ergänzte Hilfsantrag, die so genannte Freistellungserklärung abzugeben, welche von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verlangt wird, ist begründet. Der Anspruch des Klägers besteht nach § 241 Abs. 2 BGB. Die Berufung der Beklagten ist insoweit erfolglos.
Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann jede Partei nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet sein. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers, soweit es um die Wahrung von Ansprüchen gegenüber Dritten geht (BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 24 f.; BAG Urteil vom 21. Februar 2017 ‒ 1 AZR 367/15 ‒ NZA 2017, 740, Rz. 17).
Die Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt ist wertlos, wenn der/die Arbeitgeber/in nicht die erforderlichen Erklärungen abgibt, welche zur Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer benötigt werden. Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger die Umsetzung der erteilten Genehmigung zu ermöglichen.
a)
Diese Verpflichtung wird auch unter Berücksichtigung der Interessen und Belange der Beklagten nicht dadurch eingeschränkt, dass die Rechtsanwaltskammer eine „unwiderrufliche“ Gestattung verlangt.
Der Begriff der „Unwiderruflichkeit“ ist auslegungsbedürftig. Er bezieht sich auf das Recht einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts im Anstellungsverhältnis zur Nutzung der Arbeitszeit für anwaltliche Zwecke. Es geht um die vorübergehende Freistellung von der hauptberuflichen Tätigkeit (vgl.BGH Urteil vom 07. November 2016 ‒ AnwZ (Brfg) 58/14 ‒ NJW-RR 2017, 439 [OLG München 30.11.2016 - 7 U 2038/16], Rz. 19; BGH Beschluss vom 09. November 2009 ‒ AnwZ (B) 83/08 ‒ NJW 2010, 29, Rz. 15). Damit unterscheidet sich die Erklärung der „Unwiderruflichkeit“, wie diese von der Rechtsanwaltskammer im Hinblick auf § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO gefordert wird, von dem Widerruflichkeitsvorbehalt, welcher nach § 19 AAB für eine erteilte oder fingierte Nebentätigkeitserlaubnis gilt.
Die/der Arbeitgeber/in einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts hat für eine Nebentätigkeit in dieser Funktion zu erklären, dass die Ausübung der Hauptätigkeit „unwiderruflich“ zurücktreten darf, wenn die anwaltliche Tätigkeit es erfordert, dass eine Aufgabe sofort zu erledigen ist. Dies ist nicht identisch mit der Erklärung, dass die Nebentätigkeit als solche „unwiderruflich“ gestattet wird, also z.B. nicht widerrufen werden dürfte, weil sich die Hauptätigkeit nach zeitlichen Umfang, Inhalten oder Arbeitsort derart geändert hat, dass die Nebentätigkeit ‒ wegen der geänderten Umstände ‒ nicht mehr gestattet werden kann. Auch in der von dem Kläger vorgelegten Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main vom 06. Juli 2018 (Anlage K14 zum Schriftsatz des Klägers vom 09. Juli 2018, Bl. 417 d.A.) wird nur die Unwiderruflichkeit der Freistellung gefordert, nicht der Nebentätigkeitserlaubnis.
Lediglich ergänzend ist anzuführen, dass der Kläger daher auch nicht mit Erfolg geltend machen könnte, dass die Beklagte ihm eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt „nicht widerruflich i.S.d. § 19 Abs. 3 AAB“ erteilen müsste, weil sie anderen Arbeitnehmer/innen die „unwiderrufliche Ausübung des Anwaltsberufs“ gegenüber der jweiligen Rechtsanwaltskammer gestattete. Es handelt sich um Erlaubnisse mit unterschiedlichen Inhalten.
b)
Der Beklagten ist die Abgabe der Erklärung gegenüber der Rechtsanwaltskammer auch zumutbar. Der Kläger ist derzeit als Gewerkschaftssekretär mit Rechtsschutzaufgaben im Landesbezirk Hessen auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Darlegungen beider Parteien in der Gestaltung seiner Arbeitszeit im Wesentlichen frei. Er kann seine Arbeit unterbrechen und Terminskollisionen durch Verlegungsanträge und Absprachen mit Kolleginnen und Kollegen begegnen. Die Beklagte hat darüber hinaus sowohl im Landesbezirk Hessen als auch bundesweit Juristen/innen Nebentätigkeitserlaubnisse erteilt, die für sie in Vollzeit arbeiten. Es kann daher nicht angenommen werden, dass sie durch eine Freistellungserklärung für einen vollzeitig tätigen Rechtssekretär über die Grenze der Zumutbarkeit hinaus belastet wird. Sollte sich durch die Ausübung der Nebentätigkeit herausstellen, dass der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht ausreichend erfüllt, kann die Beklagte darauf innerhalb der Vertragsbeziehung reagieren, wie durch VI. GBV Nebentätigkeit vorgesehen.
V.
Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung wehrt, dem Kläger gemäß Ziff. 3 des Tenors des Urteils des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 25. Juli 2018 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu ermöglichen, indem sie die vom Kläger vorbereitete Tätigkeitsbeschreibung mit Erklärungen zum Vertragsverhältnis und eigenen Rechten unterzeichnet und herausgibt.
Wie dargestellt, ist das Begehren des Klägers in drei Anträge aufzugliedern, auf Abgabe einer Willenserklärung gegenüber dem Kläger, Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Rechtsanwaltskammer und der Herausgabe der Tätigkeitsbeschreibung an den Kläger.
1.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch gemäß § 241 Abs. 2 BGB darauf, dass sie ihn als Syndikusanwalt beschäftigt und dies gegenüber der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main bestätigt.
Damit ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Tätigkeitsbeschreibung zu unterschreiben und herauszugeben.
a)
Die Zulassung des Klägers als Syndikusanwalt dient seinen Versorgungs-interessen. Lässt ihn die Rechtsanwaltskammer als Syndikusrechtsanwalt zu, wird er gemäß § 46a Abs. 2 S. 4 BRAO von der Versicherungspflicht bei der Deutschen Rentenversicherung befreit. Voraussetzung für die Zulassung ist, dass der Kläger in seiner Haupttätigkeit für die Beklagte als Syndikusrechtsanwalt arbeitet. Diese Eigenschaft ist von einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt zu trennen. Ein Anspruch auf eine „Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt“ kann nicht auf § 19 AAB gestützt werden. Es geht um die Qualifikation der Haupttätigkeit für die Beklagte als Arbeitgeberin, nicht um eine selbständige Nebentätigkeit.
b)
Als Anspruchsgrundlage zur Abgabe der mit der Tätigkeitsbeschreibung vorgegebenen Erklärungen kommt daher grundsätzlich nur die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB in Betracht.
Mit einer Verurteilung zur Abgabe der notwendigen Erklärungen würde die Beklagte jedoch eine Änderung des Arbeitsvertrages der Parteien zustimmen. Dies kann der Kläger nach § 241 Abs. 2 BGB nicht fordern.
aa)
Der Kläger ist durch den Arbeitsvertrag vom 14. Februar 2013 als Gewerkschaftssekretär eingestellt worden (Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 23-25 d.A.). Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Klägers zutreffend ist, dass er in dieser Funktion „nicht anders als ein Syndikusrechtsanwalt“ arbeite, wie sich aus der Tätigkeitsbeschreibung für die Entgeltgruppe EG 7.3.4 „Gewerkschaftssekretär/in mit Rechtsschutzaufgaben“ ergebe (vgl. Anlage B21 zum Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2018, Bl. 360 f. d.A.). Die am Inhalt seiner Tätigkeit im Rechtsschutz orientierte Auslegung seines Arbeitsvertrags durch den Kläger klammert aus, dass die Beklagte durch die Annahme der Tätigkeitsbeschreibung einer Änderung des Arbeitsvertrags zustimmen würde (vgl.BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 35-42). Die Beklagte müsste auch die unter „IV: Einbeziehung in den Arbeitsvertrag“ vorgegebene Erklärung abgeben, dass die von ihr „unter II. und III. gemachten Angaben zutreffend (sind) und (…) Bestandteil des Arbeitsvertrages (werden)“ (vgl. Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 32-34 d.A.).
Der Kläger ist nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrags kein Syndikusrechtsanwalt. Es ist nicht zutreffend, dass seine fachliche Unabhängigkeit bei der Berufsausübung i.S.d. § 46 Abs. 3 BRAO vertraglich und tatsächlich gewährleistet ist. Er ist auch nicht im Rahmen der von ihm zu erbringenden Rechtsberatung und -vertretung den Pflichten des anwaltlichen Berufsrechts unterworfen, wie in den Ausführungen der Tätigkeitsbeschreibung zu „II. Fachliche Unabhängigkeit“ vorgegeben. Die Beklagte ist vielmehr gemäß § 2 des Arbeitsvertrages u.a. berechtigt, eine anderweitige Verwendung des Klägers anzuordnen, die seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entspricht. Der Kläger hat außerdem nach § 2 „in jeder Hinsicht die Interessen von ver.di zu wahren“.
bb)
Auf § 241 Abs. 2 BGB kann kein Anspruch gestützt werden, gegenüber Dritten unzutreffende Tatsachenbehauptungen abzugeben oder ‒ um zu erreichen, dass die Tatsachenbehauptungen zutreffend sind ‒ einer Vertragsänderung zuzustimmen (BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 48 ff.). Da die Beklagte den Kläger nicht als Syndikusrechtsanwalt angestellt hat, trägt sie auch nicht Nebenpflicht, ihm zur Wahrung seiner Interessen eine Änderung seines Arbeitsvertrages anzubieten, wonach er seine Aufgaben im Rechtsschutz als Syndikusrechtsanwalt erfüllt.
2.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, an seiner Zulassung als Syndikusanwalt mitzuwirken, nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden.
a)
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar, wenn ein Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten, erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, oder wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (ErfK/Preis, 19. Aufl., § 611a BGB Rz. 580).
Die Mitwirkung eines Arbeitgebers an der Zulassung eines/r Mitarbeiter/in zum/r Syndikusrechtsanwalt/in, der/die nicht als Rechtsanwalt/in angestellt wurde, geht über die Gewährung einer Leistung hinaus. Wie ausgeführt, erfordert eine Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der in der Tätigkeitsbeschreibung vorgegebenen Erklärungen eine Änderung des Arbeitsvertrags der Parteien, da die Beklagte andernfalls zur Erklärung unwahrer Tatsachen verurteilt wurde. Die Kammer versteht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 2018 (‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161 [BAG 24.10.2018 - 10 AZR 69/18]) so, dass für eine Bescheinigung der „fachlich unabhängigen und eigenverantwortlichen anwaltlichen Tätigkeit im Arbeitsverhältnis“ i.S.d. § 46a Abs. 3 BRAO eine solche auch tatsächlich vereinbart sein muss.
Danach müsste der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abänderung seines Arbeitsvertrags besitzen.
b)
Ein solcher Anspruch wird vom arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gedeckt. Die Beklagte hat zwar anderen Arbeitnehmern mit der Befähigung zum Richteramt die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bzw. als Syndikusrechtsanwalt ermöglicht. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass dem eine verteilende Entscheidung der Arbeitgeberin zu Grunde liegt. Insoweit bezweifelt die Kammer, dass aus der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 2018 (‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161 [BAG 24.10.2018 - 10 AZR 69/18], Rz. 56) geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf Vertragsänderung besteht, wenn der/die Arbeitgeber/in offensichtlich bereit war, für andere Arbeitnehmer/innen die geforderten Erklärungen abzugeben.
Der Abschluss eines Arbeitsvertrags steht den Parteien grundsätzlich frei. Dies gilt auch für Änderungs- und Ergänzungsverträge (BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 51). Ein Änderungszwang als Ausnahme von diesem Grundsatz (vgl.ErfK-Preis, 19. Aufl., § 611a BGB Rz. 316 ff.) würde voraussetzen, dass die Beklagte den bei ihr beschäftigten Juristen/innen eine Tätigkeit als Synikusrechtsanwältin bzw. als Synikusrechtsanwalt als zusätzliche Leistung im Arbeitsverhältnis angeboten oder zumindest ermöglicht hat. Die Beklagte hat dazu vorgetragen, dass die Zulassungspraxis nach der gesetzlichen Neuregelung in der Vergangenheit uneinheitlich und teilweise ohne genauere Prüfung der rechtlichen Konsequenzen erfolgt sei. Dies werde mittlerweile aber so nicht mehr unterstützt, es solle eine bundeseinheitliche Klärung erfolgen. Danach besteht kein generalisierendes Prinzip einer Leistungsgewährung.
Etwas anderes kann aus dem Vortrag des Klägers nicht gefolgert werden. Dieser kann auf ihm bekannt gewordene Namen von Synikusrechtsanwältinnen bzw. Synikusrechtsanwälten verweisen. Darüber hinaus sind ihm die Tätigkeitsbeschreibungen von zwei Gewerkschäftssekretärinnen im Rechtsschutz bekannt, denen 2016 in anderen Landesbezirken eine Zulassung ermöglicht wurde (vgl. Anlage K17 zum Schrifsatz des Klägers vom 09. Juli 2018, Bl. 418-430 d.A.). Das genügt nicht, um annehmen zu können, dass die Beklagte nach einem erkennbaren, generalisierenden Prinzip bereit ist, Arbeitsvertragsänderngen bei den Beschäftigten im Rechtsschutz vorzunehmen, um diesen die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt/in und die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu eröffnen.
Auch der Umstand, dass die Beklagte „überhaupt“ Syndikusanwältinnen und -anwälte beschäftigt, ist nicht ausreichend. Es ist unklar, welche Anlässe in den konkreten Fällen bestanden, die Zulassung zu ermöglichen und ob und in welchem Umfang deshalb auch arbeitsvertragliche Vereinbarungen geändert wurden. Nicht alle von dem Kläger angeführen Personen sind darüber hinaus ‒ wie er ‒ als Gewerkschaftssekretär/in im Rechtsschutz tätig. Die auch vom Kläger angeführte E-Mail des Leiters der Bundesrechtsabteilung an die Rechtssekretär/innen vom 29. November 2016 (Anlage B16 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. Mai 2018, Bl. 226 d.A) enthält nicht die Zusage, dass die Beklagte eine Zulassung ermöglichen werde.
c)
Zusätzlich ist die Ablehnung eines Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Auffassung der Kammer auch darauf zu stützen, dass bei ‒ hilfsweiser ‒ Anwendung dieses Grundsatzes nur auf den Landesbezirk Hessen abgestellt werden dürfte.
Die Anpassung des Arbeitsvertrags eines/einer Rechtssekretär/in im gewerkschaftlichen Rechtsschutz (vgl.BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 51), um die Zulassung als Syndikusanwältin bzw. Syndikusanwalt zu ermöglichen, berührt die Organisation des Rechtsschutzes innerhalb eines Landesbezirks. Denn durch die notwendigen Vertragsänderungen hinsichtlich der fachlichen Tätigkeit wird auf die Ausübung des Weisungsrechts verzichtet (vgl.BAG Urteil vom 24. Oktober 2018 ‒ 10 AZR 69/18 ‒ NZA 2019, 161, Rz. 37). Der Rechtsschutz ist nach § 12 Ziff. 3 der Rechtsschutzrichtlinie (Anlage B13 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. Mai 2018, Bl. 208-215 d.A.) innerhalb des Bezirks durch Geschäftsführung, Rechtssekretäre/innen und den Fachbereichen gemeinsam verbindlich zu regeln. Dies erfordert eine gegenseitige fachliche Unterstützung und eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit. Die in den unterschiedlichen Landesbezirken dazu getroffenen internen Regelungen dürften nicht identisch sein. Änderungen hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Gewerkschaftssekretär/innen im Rechtsschutz können deshalb in unterschiedlichem Umfang die innere Organisation des Rechtsschutzes betreffen. Dies rechtfertigt es, bei einer möglichen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Entscheidung, die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt/in zu erlangen auf die Handhabung innerhalb eines Bezirks abzustellen, solange keine Entscheidung über eine bundeseinheitliche Regelung getroffen wurde.
Der Kläger hat für den Landesbezirk Hessen nur die Kollegin B mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin (seit August 2017) angeführt. Diese ist nicht im Rechtsschutz tätig. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer/innen im Landesbezirk Hessen die Zulassung ermöglicht wird.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Dabei hat die Kammer die auf die Nebentätigkeitserlaubnis bezogenen Anträge einerseits und die auf die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bezogenen Anträge andererseits als gleichwertig angesehen. Das höhere Obsiegen der Beklagten ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger mit den Anträgen in Bezug auf eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt und der dafür notwendigen Freistellungserklärung nicht vollständig erfolgreich war.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG erfolgt wegen der Rechtsfragen zur Qualifizierung und Auslegung der Anträge in Zusammenhang mit der Nebentätigkeitserlaubnis für einer Rechtsanwaltstätigkeit und zur Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf eine mögliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt/in zu erreichen.
Rechtsmittelinstanz: BAG - 10 AZR 662/19