· Fachbeitrag · Gesetzentwurf
Gesetz zur Bekämpfung von Steuerstraftaten im Bankenbereich
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin
| Die Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben den »Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Steuerstraftaten im Bankenbereich« vorgelegt (Drucks. 462/13). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll in die Lage versetzt werden, gegen Banken einzuschreiten, in denen Steuerstraftaten gehäuft auftreten. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der BaFin ein Katalog von Maßnahmen bis hin zum Entzug der Erlaubnis, Bankgeschäfte zu betreiben, an die Hand gegeben. |
1. Geplante Änderungen im Gesetz über das Kreditwesen
Schon heute besteht die Möglichkeit, steuerstrafrechtliche Fehlverhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der bankbezogenen Tätigkeit stehen, durch eine (erhebliche) Geldbuße zu ahnden (LG Düsseldorf 21.11.11, 10 KLs 14/11, wistra 13, 80). Den Verfassern des Gesetzentwurfs geht dies anscheinend aber nicht weit genug. Deshalb soll im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) in § 8 Abs. 2 KWG ein neuer Satz 2 eingefügt werden: „In Fällen des § 35 Absatz 2 Nummer 7 und 8 teilen die Finanzbehörden die nach § 30 Abgabenordnung geschützten Verhältnisse des Instituts oder Dritter mit, soweit dies zur Durchführung eines Verfahrens nach §§ 35, 36 erforderlich ist.“ Nach der neuen Nr. 7 und Nr. 8 in § 35 Abs. 2 KWG kann die Zulassung zum Geschäftsbetrieb aufgehoben werden, wenn
- „durch vertretungsberechtigte Organe des Instituts oder sonstige Personen, die für das Institut verantwortlich handeln, nachhaltig Steuerstraftaten i.S. des § 370 AO begangen wurden oder diese an derartigen Straftaten teilgenommen oder Dritte zu deren Steuerstraftaten angestiftet oder Dritten Beihilfe geleistet haben und das Institut diese strafbaren Handlungen begünstigt hat oder im Rahmen der Geschäftsorganisation über kein angemessenes Risikomanagement beziehungsweise nicht über Verfahren und Grundsätze verfügt, die der Verhinderung von derartigen strafbaren Handlungen dienen“ (Nr. 7);
- „das Institut seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach der AO, insbesondere nach den § 93 Abs. 1 AO, § 97 AO, § 138 Abs. 2 AO und § 200 Abs. 1 AO wiederholt nicht nachkommt.“ (Nr. 8).
In § 36 KWG sollen in der Überschrift zusätzlich die Worte „aufsichtsrechtliche Maßnahmen bei Steuerstraftaten“ eingefügt werden. Ferner wird in § 36 KWG ein neuer Abs. 4 eingefügt: „Wurden in einem abgrenzbaren Teil eines Instituts wie z.B. einem Tochterunternehmen, einem Geschäftsbereich oder einer Zweigstelle im In- oder Ausland in einer Vielzahl von Fällen Steuerstraftaten i.S. des § 369 AO begangen, kann die Bundesanstalt die Schließung dieses Teils oder die Abberufung der für diesen Teil verantwortlichen Personen anordnen.“
2. Allgemeine Überlegungen
Die Verfasser des Entwurfs weisen darauf hin, dass sich gezeigt habe, dass teilweise in Banken „Steuersparmodelle auch über den gesetzlich erlaubten Rahmen hinaus“ angeboten bzw. die Kunden bei solchen Modellen unterstützt werden. Das Spektrum der Aktivitäten sei vielfältig und reiche bis zur Entwicklung komplizierter Modelle zur Steuerumgehung mit Auslandsbezug. In vielen Fällen sei der Tatbestand der Anstiftung bzw. Beihilfe zu Steuerstraftaten (§ 370 AO, §§ 26, 27 StGB) durch die Mitarbeiter erfüllt (Drucks. 462/13, S. 3).
Gehen diese Aktivitäten über Einzelfälle hinaus, genügt es nach Ansicht der eingangs benannten Bundesländer nicht mehr, die individuellen Mitarbeiter zur Rechenschaft zu ziehen. In diesem Fall seien vielmehr Maßnahmen gegen das Institut selbst angezeigt, um der Begehung von Steuerstraftaten für die Zukunft vorzubeugen. Es sei daher angezeigt, auch das KWG entsprechend zu ändern bzw. zu ergänzen.
3. Aktuelle Rechtslage ist unbefriedigend
Die geplanten Änderungen des KWG sollen es der BaFin ermöglichen, gegen Institute einzuschreiten, in denen durch vertretungsberechtigte Organe oder sonstige Personen, die für das Institut verantwortlich handeln, nachhaltig Steuerstraftaten begangen wurden oder zu Steuerstraftaten Dritter Beihilfe geleistet wurde. Zu diesem Zweck soll der BaFin ein Katalog von Maßnahmen bis hin zur Aufhebung der Erlaubnis an die Hand gegeben.
Gegenwärtig kann die Erlaubnis für ein Institut nach § 35 Abs. 2 Nr. 3 KWG aufgehoben werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würden. § 33 Abs. 1 KWG Nr. 2 KWG führt hierzu Tatsachen an, die die Unzuverlässigkeit von Geschäftsleitern betreffen. Bereits heute wird insoweit in der Literatur (Wegner, PStR 09, 10 ff. m.w.N.) darauf hingewiesen, dass diese Voraussetzungen auch dann gegeben sind, wenn schwerwiegende Ordnungsverstöße - einschließlich Steuervergehen - vorliegen.
Allerdings muss es sich - worauf die Entwurfsverfasser zutreffend hinweisen - um Steuervergehen der Geschäftsleiter selbst handeln. Steuervergehen von Mitarbeitern im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Institut begründen einen individuellen Schuldvorwurf gegen den Geschäftsleiter nach sanktionsrechtlichen Maßstäben nur dann, wenn dem Geschäftsleiter z.B. eine Aufsichtspflichtverletzung i.S. von § 130 OWiG zugewiesen werden kann.
Aber selbst dies dürfte für das Institut regelmäßig keine nachteiligen Konsequenzen nach sich ziehen, weil dann als milderes Mittel die Entlassung des Geschäftsleiters nach § 36 Abs. 1 KWG zur Verfügung steht. Dies erachten die eingangs benannten Länder für unbefriedigend und nicht ausreichend, um den erforderlichen Druck auf die Institute auszuüben, damit auch diese aktiv darauf hinwirken, dass Steuerhinterziehungen unterbleiben.
4. Hinweise zu den geplanten Änderungen im Einzelnen
Werden die Regeln - wie geplant - umgesetzt, würde dies zu einer Ausweitung des Handlungsinstrumentariums der Bankenaufsicht führen. Das institutsbezogene Risikopotenzial würde sich erweitern.
4.1 Mitteilungen durch die Finanzverwaltung
Werden gegen Inhaber oder Geschäftsleiter von Instituten sowie gegen Inhaber bedeutender Beteiligungen von Instituten oder deren gesetzliche oder satzungsmäßige Vertreter oder persönlich haftende Gesellschafter oder gegen Personen, die die Geschäfte einer Finanzholding-Gesellschaft oder einer gemischten Finanzholding-Gesellschaft tatsächlich führen, ein Steuerstrafverfahren eingeleitet oder unterbleibt dies auf Grund einer Selbstanzeige nach § 371 AO, steht § 30 AO Mitteilungen an die BaFin über das Verfahren und über den zugrunde liegenden Sachverhalt bereits heute nicht entgegen; Gleiches gilt, wenn sich das Verfahren gegen Personen richtet, die das Vergehen als Bedienstete eines Instituts oder eines Inhabers einer bedeutenden Beteiligung an einem Institut begangen haben (§ 8 Abs. 2 KWG). Mit anderen Worten: Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) ist in diesen Fällen bereits durchbrochen.
Gleichwohl sollen die Änderungen des § 8 KWG erforderlich sein, um die BaFin in die Lage zu versetzen, die nötigen Informationen zur Durchführung von Verfahren nach den §§ 35, 36 KWG von den Finanzbehörden zu erlangen (Drucks. 462/13, S. 5).
4.2 Erlöschen und Aufhebung der Erlaubnis
Die Änderungen des § 35 Abs. 2 KWG haben zum Ziel, die Einhaltung von Steuervorschriften seitens der Institute ebenso sicherzustellen wie die Kooperation mit den deutschen Steuerbehörden.
Die neue Nr. 7 in § 35 Abs. 2 KWG knüpft an die Regelungsgegenstände des § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG an (Verstöße gegen das WpHG) und um Verstöße gegen das Steuerstrafrecht ergänzt. Sprachlich und systematisch wäre dies nicht einfach durch eine Ergänzung in § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG möglich, da diese Norm an das „Verhalten von Instituten“ anknüpft, während im Steuerstrafrecht Taten natürlicher Personen unter Strafe gestellt sind. § 35 Abs. 2 Nr. 7 KWG soll an Straftaten von vertretungsberechtigten Organen und sonstigen Personen anknüpfen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für das Institut „verantwortlich“ handeln. Wann eine Person für eine Bank „verantwortlich“ handelt, wird nicht näher definiert und könnte zu erheblichem Streitpotenzial führen.
Das Spektrum möglicher Straftaten im Rahmen dieser beruflichen Tätigkeit reicht nach dem Verständnis der Entwurfsverfasser von „planvoll und systematisch im Rahmen des Geschäftsmodells des Instituts begangenen Taten bis zu Fällen, in denen einzelne Mitarbeiter ihre berufliche Position entgegen den Vorgaben eines Instituts für Straftaten missbraucht haben“ (Drucks. 462/13, S. 5). Dies soll aus dem Merkmal „nachhaltig“ folgen. Erfasst werden können u.a. strukturierte Umsatzsteuerverstöße, aber auch Sachverhalte zu Kapitalerträgen.
Eine weitere tatbestandliche Einschränkung folgt daraus, dass das Institut geeignete Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Straftaten unterlassen haben muss. § 35 Abs. 2 Nr. 7 KWG wäre deshalb nur dann anwendbar, wenn „mit Blick auf das gesamte Institut bedeutsame, also z.B. systematisch von einer Vielzahl von Mitarbeitern begangene Verstöße gegen das Steuerstrafrecht vorliegen“ (Drucks. 462/13, S. 5). Wann eine Vielzahl vorliegt wird gesetzlich nicht näher definiert; zu fordern wären aber mindestens 10 Personen.
Mit § 35 Abs. 2 Nr. 8 KWG soll klargestellt werden, dass das rechtswidrige Verweigern von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber den Finanzbehörden seitens eines Instituts ebenfalls in letzter Konsequenz die Aufhebung der Erlaubnis bedeuten kann. Auf diese Weise soll gesetzlich klargestellt werden, dass im Falle einer rechtswidrigen Verweigerungshaltung für das Kreditinstitut das Risiko der Aufhebung der Erlaubnis besteht. Welcher verwaltungsrechtlichen Feststellungen es zu diesem Merkmal bedarf, lässt sich dem vorgelegten Entwurf allerdings nicht entnehmen.
4.3 Abberufung von Geschäftsleitern/Teileinstellung
Die Änderungen in § 36 KWG haben zum Ziel, der BaFin bei dem gehäuften Auftreten von Steuerstraftaten im Rahmen des Geschäftsbetriebs eines Instituts mildere Mittel als die Aufhebung der Erlaubnis an die Hand zu geben. Deshalb ist entsprechend der Systematik des KWG zunächst die Abberufung von Geschäftsleitern vorgesehen.
PRAXISHINWEIS | Hierbei handelt es sich für den Betroffenen um ein starkes aufsichtsbehördliches Risiko, weshalb es bei entsprechenden Strafverfahren zwingend ist, den einvernehmlichen Verfahrensabschluss mit Ermittlungsbehörden z.B. nach § 153a StPO zwingend mit der BaFin abzustimmen. |
Mit § 36 Abs. 4 KWG n.F. würden der BaFin Maßnahmen unterhalb der Aufhebung der Erlaubnis bzw. des Abberufungsverlangens eingeräumt werden. Maßgeblich hierfür ist die Überlegung, dass es gerade bei großen Instituten unverhältnismäßig wäre, Maßnahmen gegen das gesamte Institut zu ergreifen, wenn die Verstöße sich auf eine oder mehrere Abteilungen oder Zweigstellen beschränken. Gerade bei Steuerdelikten sei dies insofern von Bedeutung, als z.B. Zweigstellen in Steueroasen in besonderem Maße die Möglichkeit bieten, in einer Vielzahl von Fällen Steuerstraftaten zu begehen (Drucks. 462/13, S. 7).
5. Praxishinweis
Ob sich der aktuelle Entwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchsetzen kann, ist gegenwärtig nicht verbindlich zu bewerten. Es wird aber deutlich, dass sich die Wahrnehmung von steuerstrafrechtlichen Fehlverhaltensweisen in den letzten Jahren erheblich verändert hat und es deshalb die Aufgabe eines jeden Verantwortlichen in einer Bank sein muss, national wie international Strukturen zu schaffen, die es verhindern, dass Mitarbeiter in kriminelle steuerstrafrechtliche Strukturen verwickelt sind.