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  • · Fachbeitrag · SchwarzArbG

    Baugewerbe: Haftung des Geschäftsführers bei Schwarzlohnzahlungen

    von RA Dirk Petri, FA StrR, Brüssow & Petri, Köln

    | Im Bereich des lohnintensiven Baugewerbes schließt sich der Senat des zur Entscheidung berufenen FG Köln (24.10.12, 15 K 66/12, Abruf-Nr. 130698 , EFG 13, 654) bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen in Form der Schwarzarbeit ausdrücklich der Rechtsprechung des BGH (10.11.09, 1 StR 283/09, PStR 10, 31 ; wistra 10, 148) an, wonach grundsätzlich zwei Drittel des Nettoumsatzes als Nettolohnsumme zu veranschlagen sind. |

    1. Sachverhalt (FG Köln 24.10.12, 15 K 66/12)

    Die Klägerin K war Geschäftsführerin einer GmbH. Anlässlich gemeinsamer Ermittlungen stellten Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden fest, dass die GmbH auf ihren Baustellen eine unbekannte Anzahl von Personen beschäftigte, ohne die sozialversicherungsrechtlichen oder steuerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen. Als Folge der Ermittlungen schätzte die Steuerfahndung die Lohnsteuerbeträge gemäß § 162 AO. Grundlage hierfür waren die seitens der GmbH erklärten steuerpflichtigen Umsätze und die in den Gewinnermittlungen berücksichtigen Aufwendungen für Fremdleistungen. Die Differenz zwischen beiden Beträgen sind jeweils mit 66,6 % als Lohnsumme angesetzt worden. Sodann ergingen Haftungsbescheide gegen die GmbH (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG) als auch gegen K (§§ 34, 69 und 71 AO). Im Einspruchs- und Klageverfahren vertritt K die Auffassung, dass das FA das Vollstreckungsverfahren gegen die GmbH nicht ernsthaft betrieben habe; auch könne sich das FA nicht auf den Haftungsbescheid gegenüber der GmbH berufen. Denn die vom FA vorgenommene Schätzung sei fehlerhaft, da es die Lohnsumme mit 66,6 % des Rohgewinns als Nettolohnsumme ansehe.

    2. Inanspruchnahme der K als ehemalige Geschäftsführerin

    Der Senat bestätigt die Inanspruchnahme der K als ehemalige Geschäftsführerin einer GmbH für die LSt, SolZ und Kirchensteuer ebenso wie für die Säumniszuschläge als - dem Grunde wie der Höhe nach - tatbestandgemäß und ermessensgerecht. Dies folgt für die LSt und SolZ aus § 69 S. 1 AO, § 34 Abs. 1 AO und aus § 71 AO, § 191 Abs. 1 S. 1 AO, § 35 Abs. 1 GmbHG; auch wenn die Haftung nach § 71 AO ausdrücklich nur die Haftung für verkürzte Steuern, Steuervorteile und Hinterziehungszinsen vorsieht (Niedersächsisches FG 5.12.05, 11 V 280/04, EFG 06, 698; FG Hamburg 9.11.93, VII 26/88, EFG 94, 687; Sächsisches FG 21.1.04, 7 K 1712/99, Abruf-Nr. 131873), haftet K auch für die Säumniszuschläge gemäß § 69 S. 1 AO, § 34 Abs. 1 AO, § 191 Abs. 1 S. 1 AO, § 35 Abs. 1 GmbHG. Und auch wenn gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land NRW - KiStG NRW - die Vorschriften des Fünften Teils Zweiter Abschnitt der AO (Straf- und Bußgeldvorschriften) nicht anzuwenden sind, besteht zwar bereits dem Grunde nach insoweit keine Haftung gemäß §§ 71, 370 AO betreffend der KiSt in NRW (Jatzke in Beermann, AO, § 71 AO Rn. 15, m.w.N.; Gaast-de Haan, DStZ 92, 525; a.A. Hummert, DStZ 93, 112), weil die Verkürzung vom Steuerstraftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) gemäß § 8 Abs. 2 KiStG NRW ausdrücklich ausgeschlossen wird (BGH 17.4.08, 5 StR 547/07, PStR 08, 151); allerdings haftet K für die KiSt dann als Geschäftsführerin nach § 8 Abs. 1 KiStG NRW (§ 69 S. 1 AO, § 34 Abs. 1 AO, § 191 Abs. 1 S. 1 AO, § 35 GmbHG).

     

    Ebenso bestätigt der Senat die Haftung der K für die LSt, SolZ und die KiSt, für die die GmbH ihrerseits in Haftung genommen worden ist. Denn gemäß § 69 S. 1 AO, § 35 Abs. 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer einer GmbH als deren gesetzlicher Vertreter, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung seiner ihm durch § 34 Abs. 1 AO auferlegten steuerlichen Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

     

    Nach § 71 AO, § 370 Abs. 1 AO kann der Geschäftsführer auch als Steuerhinterzieher in Haftung genommen werden, wenn er durch unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben in abzugebenden Steueranmeldungen oder -erklärungen für die von ihm vertretene GmbH nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, indem er auf diese Weise die nicht ordnungsgemäß angemeldeten bzw. erklärten Steuern zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Liquidität oder zur Verbesserung des Betriebsergebnisses der Gesellschaft dem FA vorenthält (BFH 8.11.94, VII R 1/93, BFH/NV 95, 657). Insbesondere aus folgenden Gründen sah der Senat die Inhaftungnahme der K als begründet an:

     

    • Eine vorsätzliche haftungsbegründende Steuerhinterziehung liegt stets vor, wenn der Geschäftsführer Schwarzlöhne an die Arbeitnehmer der von ihm geführten GmbH ausgezahlt hat, um dem Steuergläubiger die entsprechenden Lohnsteuerbeträge dauerhaft zu entziehen.

     

    • Ist die Inhaftungnahme des Geschäftsführers sowohl nach § 71 AO als auch nach § 69 S. 1 AO dem Grunde nach berechtigt, sind für die Höhe der Inhaftungnahme im Falle der Lohnsteuerhinterziehung durch Schwarzlohnzahlung die hinterzogenen Abzugssteuerbeträge maßgeblich; diese können auch nach § 162 AO geschätzt werden.

     

    • Einer besonderen Begründung des Entschließungsermessens („Vorprägung des Ermessens“) bedarf es im Regelfall nicht, wenn die Inhaftungnahme des Geschäftsführers wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung erfolgt; gleiches gilt bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen das Lohnsteueranmeldungs- u. Abführungsgebot des § 41a Abs. 1 EStG, welche bei Schwarzlohnzahlungen indiziert ist.

     

    • Hieran ändert auch nichts die bestehende Gesamtschuldnerschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 44 Abs. 1 AO, § 42d Abs. 3 S. 1 EStG, § 38 Abs. 2 S. 1 EStG) bei nicht abgeführter bzw. hinterzogener LSt etwas, da die Finanzbehörden hier ihr Auswahlermessen nicht darzulegen hat, wenn es um eine größere Anzahl von - namentlich nicht bekannten - Arbeitnehmern geht.

    3. Praxishinweis

    Nach Auffassung des Senats halten die seitens der Finanzbehörden aufgrund der Schätzungsmethoden des BGH (10.11.09, 1 StR 283/09, wistra 10, 148) bei Schwarzlohnzahlungen ermittelten LSt und Annexsteuern regelmäßig einer Überprüfung Stand, sofern das Ergebnis schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig ist. Unterbleibt also die Mitwirkung des Steuerpflichtigen, gehen Unwägbarkeiten, die einer solchen abstrakten Berechnungsmethode immanent sind, immer zulasten des Steuerpflichtigen.

     

    In der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG 20.3.07, 2 BvR 162/07, Abruf-Nr. 132143) ist anerkannt, dass tatgerichtliche Feststellungen auf tragfähige Schätzgrundlagen gestützt werden dürfen. Bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme darf allerdings nicht vorschnell auf eine Schätzung der Lohnquote in Form eines Anteils an der Nettolohnsumme ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand bereits vorliegender oder noch erhebbarer Beweismittel möglich erscheint. Beweismittel sind im Baugewerbe insbesondere die Ausgangsrechnungen auf der Grundlage der Einheitspreise. Vollständig erfasste Ausgangsrechnungen können daher ein aussagekräftiges Indiz zur Ermittlung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden sein. Die so ermittelten Arbeitsstunden dienen dann ihrerseits als Grundlage für die Berechnung des geleisteten Schwarzlohns, indem sie mit den gezahlten Stundenlöhnen multipliziert werden. Hierbei können branchenübliche oder tarifvertragliche Stundenlöhne zugrunde gelegt werden.

     

    Unabhängig davon dürfen nicht zulasten des Steuerpflichtigen bei der Berechnung der vorenthaltenen SVB auch Teile des Lohns, die für den SVB abgeführt worden waren, von der Hochrechnung auf einen Bruttolohn erfasst werden. Zwar ist eine Hochrechnung der Schwarzlohnsumme nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV auch dann zulässig, wenn ein Unternehmer lediglich teilweise Schwarzlohnzahlungen leistet. Insoweit kann aber nur die (Schwarz-)Lohnsumme hochgerechnet werden, die nicht angemeldet und für die daher auch keine SVB und LSt abgeführt wurden. Demgegenüber darf der Teil der Lohnsumme, der gemeldet und für den SVB und LSt abgeführt worden waren, bei der Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV nicht mit einbezogen werden. Dies würde im Ergebnis zu einer doppelten Hinzurechnung von Arbeitnehmeranteilen und LSt zum Nettogehalt führen. Der Abzug der tatsächlich abgeführten SVB würde dies nicht ausgleichen. Der gemeldete Bruttolohn ist daher von der im Wege der Schätzung gewonnenen Lohnsumme abzuziehen. Insoweit ist zu beachten, ob es sich bei der im Wege der Schätzung gewonnenen Lohnsumme um eine Brutto- oder reine Nettolohnsumme handelt. Abhängig davon wird der Lohnsummenanteil, für den SVB und LSt gezahlt worden waren, netto oder brutto abzuziehen sein.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Lübbersmann, § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV: Nettolohnfiktion erfordert vorsätzliche Pflichtverletzung des Arbeitgebers, PStR 12, 171
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 209 | ID 39442290