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  • · Fachbeitrag · Selbstanzeigenberatung

    Steuerstrafrechtliche Beratung von Kreditinstituten im Zusammenhang mit Cum-ex-Trades

    von RA, FA StrR, Dr. Bernd Groß, LL.M., Frankfurt am Main

    | Gegen Ende des letzten Jahres ist mit der Frage der steuerlichen Folgen sogenannter Cum-ex-Trades ein Thema in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, das mit einiger Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren (weiter) strafrechtlich aufgearbeitet werden wird. Auch für die involvierten Kreditinstitute und Berater bestehen hier erhebliche Risiken. Die Reduzierung der Risiken durch adäquate und vorausschauende Beratung ist die Kernaufgabe steuerstrafrechtlicher Berater. Nur so lassen sich strafrechtliche Ermittlungen und damit einhergehend Reputationsschäden vermeiden. |

    1. Das legale Grundmodell des Dividendenstrippings

    Das Ende der 1980er Jahre entwickelte Grundmodell des Dividendenstrippings basiert darauf, dass ausländischen Dividendenberechtigten im Gegensatz zu deutschen Berechtigten eine Anrechnung der in Deutschland bereits entrichteten Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer verwehrt bleibt. Daher erwerben Makler mit Sitz im Inland die von ausländischen Inhabern gehaltenen Aktien mit Dividendenberechtigung, um diese kurz nach der Dividendenauszahlung nach Abzug eines entsprechenden Kursabschlags wieder an den vorherigen Inhaber zurückzuveräußern. Auf diese Weise wird die den ausländischen Dividendenberechtigten verwehrte Anrechnung von Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer durch den zwischengeschalteten inländischen Makler realisiert und im Wege des vergünstigten Rückkaufs partiell an den ausländischen Aktionär weitergegeben (Anzinger, RdF 12, 394; zu den im Einzelnen unterschiedlichen Untermodellen: Unfried, DStR 00, 993).

     

    Der BFH erklärte dieses Gestaltungsmodell mit einem Urteil aus dem Jahre 1999 entgegen der zuvor von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung für steuerlich voll realisierbar (BFH 15.12.99, I R 29/97, NZG 00, 1093; BFH 20.11.07, I R 85/05, BStBl II 13, 287). Strafrechtliche Konsequenzen waren und sind in Bezug auf diese Geschäfte daher ausgeschlossen. Der Entscheidung des BFH wurde indes teilweise auch entnommen, dass bei börsengehandelten Aktien das wirtschaftliche Eigentum an diesen bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts übergehe (so Anzinger, RdF 12, 394). Diese Interpretation ermöglichte es, bei gedeckten Leerverkäufen um den Dividendenstichtag mehreren Beteiligten das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien zuzurechnen.

    2. Modell der mehrfachen Kapitalertragsteuererstattung

    Eine Reihe von Kreditinstituten und steuerlichen Beratern machten sich zunutze, dass nach deutschem Steuerrecht die dividendenausschüttende Gesellschaft jeweils unmittelbar zum Steuerabzug auf Rechnung des Dividendengläubigers verpflichtet ist und diesem gleichzeitig von seiner Depotbank eine Bescheinigung des auf ihn entfallenen Steuerabzugs ausgestellt wird. Auf Grundlage dieser Bescheinigung findet anschließend bei der steuerlichen Veranlagung des Aktionärs eine Anrechnung bzw. Erstattung der bereits gezahlten Steuern statt.

     

    Bei dem gedeckten Leerverkauf sammelverwahrter Aktien, bei dem der Leerverkäufer die Aktien zwar selbst nicht besitzt, über diese jedoch ein schuldrechtliches Deckungsgeschäft abschließt, konnte es in der Vergangenheit dazu kommen, dass sowohl dem sachenrechtlichen Eigentümer der Aktie als auch dem Leerkäufer aufgrund einer unvollständigen Informationserhebung durch die Wertpapiersammelbank (in Deutschland die Clearstream Banking Frankfurt AG) entsprechende Steuerbescheinigungen ausgestellt wurden. In der Folge kam es dann zur doppelten Anrechnung bzw. Erstattung der nur einmal abgeführten Kapitalertragsteuer (Bruns, DStR 10, 2061, 2062 f.; Desens, DStZ 12, 142).

     

    Hierzu kam es auch aufgrund der Erwartung der Marktteilnehmer, bereits mit Abschluss des (Leer-)Kaufvertrags die Dividendenberechtigung zu erwerben, auch wenn die Umbuchung des Eigentums durch die Clearstream Banking Frankfurt AG erst nach dem Dividendenstichtag vorgenommen wird. Daher erfolgte die Dividendenzahlung zwar an den zum Stichtag tatsächlich sachenrechtlich Berechtigten, jedoch nahm die Clearstream Banking Frankfurt AG in der Folge eine Dividendenregulierung vor: Der Käufer erhielt eine Dividendenkompensationsleistung in Höhe der Originaldividende, die in gleicher Höhe dem Verkäufer als Belastung in Rechnung gestellt wurde (Rau, DStR 10, 1267). Weil diese Regulierungszahlungen von den Depotbanken fälschlicherweise als Dividenden identifiziert wurden, erhielt neben dem sachenrechtlich Berechtigten auch der Leerkäufer eine Steuerbescheinigung.

     

    Diese Praxis wurde für inländische Sachverhalte bereits durch eine Gesetzesänderung im Jahre 2007 abgestellt, nach der auch die Ausgleichszahlung als Kapitalertrag qualifiziert und das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren einzubeziehen ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG, § 44 Abs. 1 S. 3 EStG i.V. mit § 52 Abs. 53 S. 2 EStG). Bis 2011 war es jedoch bei Einschaltung einer ausländischen Depotbank möglich, mehrere Bescheinigungen von nur einmal entrichteter Kapitalertragsteuer zu erlangen. Es gab hier einen regelrechten Wettlauf zwischen Gesetzgeber und „Gestaltern“. Die Kreativität bei der Ausgestaltung der Geschäfte kannte keine Grenzen.

    3. Der Beschluss des FG Hessen vom 8.10.12

    In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem FG Hessen ging es um die Frage, ob Anrechnungsverfügungen geändert werden durften und die zunächst steuermindernd berücksichtigten Kapitalertragsteuern zu Recht nicht auf die Körperschaftsteuerschuld angerechnet werden. Das Gericht hat bereits ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte verneint (FG Hessen 8.10.12, 4 V 1661/11, DStRE 12, 1549; sehr kritisch hierzu Englisch, RdF 12, 425 ff.). Das FG führt aus, dass die Beweislast für die Erhebung der Kapitalertragsteuer denjenigen trifft, der die Anrechnung begehrt. Eine Anrechnungsbescheinigung der Bank nach § 45a Abs. 2 EStG stellt einen Anscheinsbeweis dar. Weil im vorliegenden Fall die Bank die Bescheinigung aber widerrufen hat, entfalle bereits die Beweisvermutung. Wenn der Widerruf mit der Begründung erfolgt, dass wegen der Einschaltung einer ausländischen Depotbank Zweifel am Einbehalt der Steuer bestehen, kann die Bescheinigung keinen Beweiswert mehr erbringen.

     

    Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass, weil sich der Fiskus beim Einzug der Kapitalertragsteuer des Schuldners der Kapitalerträge als Verwaltungsgehilfen bediene, es geboten sei, das Risiko der Nichtabführung bei erfolgtem Einbehalt dem Fiskus aufzubürden. Dies gelte aber nur, wenn die Kapitalertragsteuer tatsächlich einbehalten werde. Eine solche Pflicht bestehe nur bei inländischen Instituten (§ 44 Abs. 1 S. 3 EStG). Bei einem ausländischen Institut sei eine Einordnung als Verwaltungshelfer des Fiskus hingegen fernliegend. Weiter führt das Gericht aus, dass eine Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung nach § 45a Abs. 3 S. 1 EStG nicht besteht, wenn die Kapitalertragsteuer nicht gezahlt worden sei, weil Zweck der Bescheinigung der Nachweis einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer sei. Noch deutlicher nimmt der Beschluss zu der These Stellung, die Kapitalertragsteuer sei wegen der gesetzlichen Regelung auch gegebenenfalls doppelt anzurechnen, obwohl sie nur einmal abgeführt wurde: Diese Auffassung sei abwegig.

    4. Strafrechtliche Bewertung

    Im Zusammenhang mit Cum-ex-Trades laufen bereits erste strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Diese richten sich zum einen gegen Steuerpflichtige selbst, zum anderen auch gegen steuerliche Berater, die an der Konzeption der Geschäfte beteiligt waren. Auch eine deutsche Großbank ist medienwirksam durchsucht worden, weil einige Mitarbeiter dieser Bank Beschuldigte sind. Vor dem Hintergrund der vom BGH (2.12.08, 1 StR 416/08, NJW 09, 528; BGH 7.2.12, 1 StR 525/11, NJW 12, 1458) eingeführten Millionengrenze geht es für die Betroffenen ohne Zweifel um die berufliche Existenz. Im Rahmen der Verteidigung kann zum einen das Vorbringen von steuerlichen Erwägungen gegen die Ansicht der Finanzverwaltung, des FG Hessen und der Strafverfolgungsbehörden gegebenenfalls erfolgversprechend sein. Zum anderen wird man jeweils die individuellen Kenntnisstände und Verantwortungsbereiche in den Vordergrund zu rücken haben.

     

    Etwas anderes gilt indes bei der Beratung im Zusammenhang mit Cum-ex-Trades-Fällen, die derzeit noch nicht Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sind. Sowohl für die Frage, ob eine Verpflichtung zur Abgabe einer Berichtigungserklärung gemäß § 153 AO besteht, als auch für die Frage, ob die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu empfehlen ist, ist der Weg des geringsten Risikos zu wählen. Das bedeutet, dass zunächst eine steuerliche und strafrechtliche Bewertung des Sachverhalts unter Zugrundelegung der steuerlichen Erwägungen des FG Hessen zu erfolgen hat.

     

    Es erscheint naheliegend, dass Strafverfolgungsbehörden und Gerichte bei dem Beteiligten, der zum Stichtag nicht sachenrechtlich Berechtigter war, der aber dennoch eine Steuerbescheinigung erhält und diese zur Reduzierung seiner Steuerlast nutzt, eine Verkürzung der Steuer und damit den Anfangsverdacht einer Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 AO annehmen werden.

     

    In diesem Zusammenhang ist auch auf die rechtliche Beurteilung von Cum-ex-Trades durch die Bundesregierung hinzuweisen. In ihrer Antwort vom 24.5.13 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (BT-Drucks. 17/13638) hat diese dezidiert zur Rechtslage Stellung genommen. Neben Ausführungen zur steuerlichen Behandlung, die in dem Fazit „Es existiert daher keine Gesetzeslücke, sondern die betriebenen Modelle sind illegal“ (BT-Drucks. 17/13638, S. 12) münden, hat die Bundesregierung auch explizite Ausführungen zu steuerstrafrechtlichen Aspekten der Geschäfte gemacht.

     

    Danach komme eine Strafbarkeit des Leerkäufers wegen Steuerhinterziehung in Betracht, wenn der Leerkäufer eine Anrechnung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer geltend mache, sofern der Erwerb aus einem über ein ausländisches Institut abgewickelten Leerverkauf stamme und er sich bewusst war, dass er aus einem Leerverkauf erworben hat, bei dem keine Kapitalertragsteuer auf die Kompensationsleistung erhoben wurde und wenn er die Finanzbehörde über den Umstand des Leerverkaufs in Unkenntnis gelassen hat. Für Leerverkäufer sieht die Bundesregierung eine mögliche Strafbarkeit wegen Anstiftung (§ 26 StGB) oder wegen Beihilfe (§ 27 StGB) (siehe BT-Drucks. 17/13638, S. 16).

     

    Zu weiteren Mitwirkenden führt die Bundesregierung aus: „Personen, die die Konzepte für die Leerverkaufsgestaltungen anderen Personen zur Durchführung empfohlen haben, kommen als Anstifter zur Steuerhinterziehung in Betracht. Bei anderen Personen, die unter Kenntnis der Umstände Beiträge zum Gelingen der Leerverkaufsgestaltungen leisten, kommt eine Strafbarkeit wegen Beihilfe in Betracht“ (BT-Drucks. 17/13638, S. 16). Wenngleich die Bundesregierung zutreffend darauf hinweist, dass die Prüfung der Voraussetzungen in jedem Einzelfall den Gerichten obliegt, ist zu erwarten, dass Staatsanwaltschaften das als Aufforderung verstehen werden, entsprechende Ermittlungsverfahren einzuleiten.

     

    Aus Sicht der Verfassers stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: Erkennt der Steuerpflichtige, dass er über Belege verfügt, die den tatsächlichen Sachverhalt nicht zutreffend abbilden und die auch nicht aus formalen Gründen einen Steueranspruch begründen (diese steuerliche Vorfrage ist noch nicht abschließend geklärt), dann spricht auf der Ebene des objektiven Tatbestands einiges dafür, eine strafbare Handlung anzunehmen, wenn er diesen Beleg gleichwohl bei seiner Steuererklärung einreicht. Es käme wohl auch niemand auf die Idee, dass es steuerlich nicht zu beanstanden wäre, wenn ein Steuerpflichtiger bewusst eine fehlerhafte Erträgnisaufstellung einer ausländischen Bank im Rahmen seiner Steuererklärung einreicht. Entscheidend dürfte hierbei sein, dass in der Steuererklärung wohl nicht die Tatsache „ich verfüge über eine Steuerbescheinigung“, sondern die Tatsache „folgende Kapitalertragsteuer wurde entrichtet“ erklärt wird. Diese Erklärung ist objektiv unzutreffend und zwar unabhängig davon, was die Bescheinigung ausweist.

     

    Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung kommt indes nur in Betracht, wenn der Täter vorsätzlich und schuldhaft handelt. Dies bedeutet zum einen, dass er wissen muss, dass die Bescheinigung falsch ist und dass er hieraus zum anderen auch die zutreffenden Schlussfolgerungen zieht. Von besonderer Bedeutung wird zudem sein, ob im Einzelfall die vielfältige Einbindung von renommierten Beratern nicht auch für die Annahme eines Tatbestandsirrtums (§16 StGB) oder Verbotsirrtums (§ 17 StGB) sprechen könnte.

    5. Mitwirkung der Kreditinstitute

    Für Bankinstitute und deren Mitarbeiter ist von Bedeutung, ob die Ausstellung unrichtiger Steuerbescheinigungen aufgrund solcher Leerverkäufe um den Dividendenstichtag strafrechtlich relevant ist. Unstreitig erscheint zunächst, dass die fehlerhafte Ausstellung der Steuerbescheinigungen, soweit diese auf Systemfehler zurückgehen, per se keine strafbare Handlung darstellt.

     

    Je nachdem, in welcher Weise Mitarbeiter in die Gestaltung der Geschäftsvorfälle eingebunden sind und die Bank finanziell an der Steuerersparnis partizipiert, kommt allerdings auch für deren Verantwortliche eine Strafbarkeit wegen Mittäterschaft oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 AO in Betracht. Hierbei ist insbesondere der Eigenhandel in den Blick zu nehmen, weil sich hier unmittelbare Auswirkungen auf die eigene Steuererklärung der Bank ergeben.

     

    Wickelt eine Bank lediglich die Geschäfte als neutrale Geschäfte ab, gelten die obigen Ausführungen. Wenn sich allerdings Mitarbeiter der Bank in Kenntnis eines späteren Gebrauchs der fehlerhaften Bescheinigung an Geschäften beteiligen, durch die die Bescheinigungen erstellt werden, wird im Einzelfall genau zu prüfen sein, ob hierdurch eine Beihilfehandlung begangen worden sein kann. Noch deutlicher sind die Fälle, in denen die Initiative für derartige Geschäfte von den Bankmitarbeitern ausgeht und die auf diese Weise erlangten steuerlichen Vorteile zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden. Daher muss insbesondere die Unternehmenskommunikation dahingehend überprüft werden, ob Anhaltspunkte für die Initiierung derartiger Geschäfte vorhanden sind. Wesentliches Indiz sind auch erzielte Gewinne, die sich nur durch die mehrfache Erstattung der Steuern erklären lassen.

     

    Im Wesentlichen werden in derartigen Ermittlungsverfahren Tatsachenfragen entscheidend sein. Insoweit sind aber die Ausführungen des FG Hessen (8.10.12, a.a.O.) in den Blick zu nehmen, wonach die Gestaltung im konkreten Fall für ein arglistiges Verhalten i.S. des § 130 Abs. 3 AO sprechen soll. Ungeachtet der Frage, ob das FG Hessen hier § 130 Abs. 3 AO zutreffend anwendet (Englisch, RdF 12, 425 ff.), sind diese Wertungen jedenfalls im Ansatz auch auf die Vorsatzfeststellung im Strafrecht übertragbar.

    6. Beratung von Kreditinstituten

    Aufgrund dieser Rechtslage müssen steuer- und strafrechtliche Berater unter Berücksichtigung der erheblichen Risiken für die Bank nach Klärung des Sachverhalts im Zweifel zur Abgabe einer Selbstanzeige bzw. Berichtigungserklärung gemäß § 153 AO für problematische Cum-ex-Trades im Eigenhandel raten. Ob § 371 AO oder § 153 AO anwendbar ist, hängt dabei insbesondere von der - häufig nachträglich nicht feststellbaren - Kenntnis von Mitarbeitern und Verantwortlichen der Bank ab. Aus Sicht der Bank ist es - da eine wirksame Nacherklärung aller Beteiligten, die als Leitungspersonen i.S. des § 30 Abs. 1 OWiG anzusehen sind, die Verhängung einer Verbandsgeldbuße ausschließt (hierzu Reichling, NJW 13, 2233 ff.) - ratsam in die Erstellung der Selbstanzeige jedenfalls alle gegebenenfalls involvierten Leitungspersonen einzubeziehen.

     

    Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Mitteilung der Tatsachen, die für die Finanzbehörde für die Bewertung des Verhaltens von Bankverantwortlichen erforderlich sind, nicht bedeutet, dass auf der Ebene des Steuerrechts die ungeprüfte Übernahme der Rechtsansicht der Finanzbehörden erfolgen muss. Vielmehr kann es durchaus - wie im Fall der Individualverteidigung - angezeigt sein, die steuerrechtliche Bewertung dieser Geschäfte durch die Finanzbehörden - gegebenenfalls auch auf dem Klageweg - anzugreifen. Allerdings dürfen auch hier keine falschen Angaben zum Sachverhalt erfolgen.

    7. Fazit und Ausblick

    Die strafrechtliche Aufarbeitung der beschriebenen Cum-ex-Trades hat gerade erst begonnen. Es ist zu erwarten, dass Strafverfolgungsbehörden ihre Ermittlungen auf weitere Kreditinstitute ausdehnen werden. Dabei wird sowohl der Eigenhandel als auch die „Vermarktung“ von Bankdienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Geschäften unter die Lupe genommen werden. Wegen der Konstellation mit zwischengeschalteten Maklern, die für ihre Einschaltung hohe Gewinne einstreichen, werden stets auch Ermittlungen dahingehend angestellt werden, ob Kick-Backs bei den Geschäften geflossen sind.

     

    Unabhängig von der Bewertung der Cum-ex-Trades als solchen zeigt die Behandlung dieser Geschäfte deutlich, dass bei steuerlichen „Gestaltungsmodellen“ der Handlungsspielraum enger wird. Immense strafrechtliche Risiken entstehen für alle Beteiligten. Strafverfolgungsbehörden schrecken nicht mehr davor zurück, derartige Verfahren mit großem Aufwand zu führen und die Gerichte sind immer seltener zur feinsinnigen juristischen Argumentation bereit, wenn der Sachverhalt insgesamt den Anschein des Missbrauchs erweckt. Aus strafrechtlicher Sicht muss die Kontrollfrage daher stets lauten: Kann das Gestaltungsmodell den Finanzbehörden wahrheitsgemäß und insbesondere vollständig mitgeteilt werden?

     

    • Lautet die Antwort ja, kann das Gestaltungsmodell angewandt und offengelegt werden, mit dem Risiko, dass das FA eine andere Auffassung vertritt.

     

    • Lautet die Antwort nein, weil das FA dies niemals akzeptieren wird, wenn es alle Details kennt, dann sollte aus strafrechtlicher Sicht dringend davon Abstand genommen werden.

     

    Mit anderen Worten: Wer glaubt einen Weg gefunden zu haben, mit dem man aus einem Hähnchen „drei Halbe“ machen kann, der ist gut beraten, diesen Weg der Finanzverwaltung transparent darzustellen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Adick, Keine Haftung von Bankmitarbeitern für Steuerhinterziehung anonymer Kunden, PStR 13, 146
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 296 | ID 42234822