· Fachbeitrag · Selbstanzeigenberatung
Unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Besteuerung von ausländischen Kapitalanlagen
von RA Matthias Kneissl, Dipl.-FW (FH), m2kw Rechtsanwälte, Stuttgart
| Der Beitrag gibt die bei der Bearbeitung von Selbstanzeigen häufig aufkommende Problematik wieder, ob die von ausländischen Kreditinstituten bei der Erstellung von Erträgnisaufstellungen regelmäßig in Ansatz gebrachte negative Marktrendite bei ausländischen Kapitalanlagen („Kick-In-Goals“, „Goals“), Auswirkungen auf die Wirksamkeit bzw. die abschließende Prüfung der Wirksamkeit einer Selbstanzeige hat. |
1. Berücksichtigung der negativen Marktrendite
Gemäß § 371 AO wird nicht bestraft, wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt und sofern die Steuerverkürzungen bereits eingetreten sind, die hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.
Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von negativen Marktrenditen, sofern diese zu laufenden negativen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG (2008) führen, drängt sich die Frage auf, ob ein Ansatz im Zuge der Selbstanzeige entsprechend den von den Kreditinstituten erstellten Erträgnisaufstellungen erfolgen sollte.
Insoweit hat das FG Düsseldorf mit Urteil vom 16.4.13 (13 K 2328/12 E, Abruf-Nr. 133182) entschieden, dass die einer Aktienanleihe ähnlichen ausländischen Kapitalanlagen keine der Fallgruppen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG in der Fassung des VZ 2008 erfüllen, da die Höhe der Erträge nicht von einem ungewissen Ereignis abhänge, sondern mit der Zahlung eines - eine Komponente aus Zins und Prämie enthaltenen - Coupons fest zugesagt werde und ein verdeckter Zins, dessen Erfassung die Regelung bezweckt, bei Aktienanleihen durch einen sich maximal auf den Nennbetrag der Inhaberschuldverschreibung belaufenden Rückzahlungsbetrag ausscheide. Ferner scheide der Ansatz der Marktrendite auch dann aus, wenn feststeht, dass es sich bei der Differenz zwischen Nominalbetrag und Veräußerungserlös um kein Nutzungsentgelt für die Kapitalüberlassung, sondern um einen teilweisen Ausfall des Kapitalstamms handele. Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (BFH Az. VIII R 31/13).
2. Selbstanzeigenberatung
Problematisch im Rahmen der Selbstanzeigenberatung ist folgender Fall: Der Sachbearbeiter folgt dem Ansatz der negativen Marktrendite und berücksichtigt insoweit laufende negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG (2008). Das führt - sollte das Urteil des FG Düsseldorf vom 16.4.13 (a.a.O.) vom BFH bestätigt werden - zwangsläufig zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung. Dabei können sich Auswirkungen auf die Selbstanzeige schon deshalb ergeben, wenn die Straf- und Bußgeldsachenstelle im Nachgang zur Änderung der Steuerbescheide bei der abschließenden Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige der Auffassung ist, dass der Ansatz der Marktrendite materiell-rechtlich unzutreffend ist, wenn insoweit je nach Ausgestaltung der einzelnen Kapitalanlage die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG (2008) nicht vorliegen und deshalb im Ergebnis eine höhere, als die vom Sachbearbeiter der Veranlagung festgesetzte Steuer, zu entrichten ist.
PRAXISHINWEIS | Vorausgesetzt die entsprechenden Erträgnisaufstellungen werden dem FA übermittelt, ist davon auszugehen, dass die Selbstanzeige vollständig ist und das FA auf dieser Grundlage den Sachverhalt ohne Weiteres aufklären kann, zumal die Kapitalerträge erklärt werden und eine Steuerfestsetzung möglich ist. Unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die negative Marktrendite nun der Besteuerung unterliegt oder nicht, können auf die Vollständigkeit und damit die Wirksamkeit der Selbstanzeige jedenfalls keinen Einfluss haben. |
Unklar ist dennoch, ob die zu niedrige Steuerfestsetzung aufgrund des gewählten Ansatzes der negativen Marktrendite Auswirkung auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige hat. Dabei kann Straffreiheit zunächst dann nicht eintreten, wenn Veranlagungsstelle und Straf- und Bußgeldsachenstelle verschiedene materiell-steuerrechtliche Ansätze verfolgen und nach Auffassung der Straf- und Bußgeldsachenstelle, die höheren hinterzogenen Steuern nicht vollständig entrichtet sind, da sich der hinterzogene Betrag dem geänderten Steuerbescheid aufgrund des Ansatzes der negativen Marktrendite nicht entnehmen lässt.
Jedoch kann die Straf- und Bußgeldsachenstelle den nachzuentrichtenden Betrag gemäß § 371 Abs. 3 AO gesondert bestimmen, wenn dieser nicht dem Zahlungsbetrag aus dem Steuerbescheid entspricht. Daraus folgt, dass Straffreiheit jedenfalls dann eintritt, wenn der Steuerpflichtige die höheren hinterzogenen Steuern aufgrund der Nichtberücksichtigung der negativen Marktrendite innerhalb der von Straf- und Bußgeldsachenstelle gesetzten angemessenen Frist entrichtet.
3. Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht gefährden
Um die Wirksamkeit einer Selbstanzeige nicht zu gefährden bzw. die Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige zeitnah abschließen zu können, sollte der Ansatz der negativen Marktrendite im Rahmen der Selbstanzeige im Zweifelsfall über die tatsächliche Ausgestaltung oder Besteuerung der ausländischen Kapitalanlage zunächst korrigiert werden. Insoweit kann im Nachgang zu einer Selbstanzeige und nach Festsetzung der höheren hinterzogenen Steuern durch die Veranlagung bzw. Bestimmung durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle, gegen den geänderten Steuerbescheid Einspruch eingelegt werden und gegebenenfalls Ruhen des Verfahrens unter Bezugnahme auf das anhängige Verfahren beantragt werden.