· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Schätzung im Steuerstrafverfahren - ein Dauerbrenner
von LRD Max Rau, Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Köln
| In seinem Urteil zum Fall Schreiber hat sich der BGH auch mit der Frage befasst, welche steuerliche Gewinnermittlungsmethode strafrechtlich bei Ermittlung der Verkürzungsbeträge für gewerbliche Einkünfte anzuwenden ist. Erhebliche praktische Auswirkung hat dies vor allem bei Steuerfahndungsfällen, in denen es wegen einer fehlenden Buchführung zu einer Schätzung kommt ( BGH 6.9.11, 1 StR 633/10, wistra 12, 29 , Abruf-Nr. 113083 ). |
1. Sachverhalt der BGH-Entscheidung vom 6.9.11 (1 StR 633/10)
Der Steuerpflichtige hatte in den Jahren 1988 bis 1993 ihm über Tarnfimen zugeflossene Provisionen von mehr als 64 Mio. DM nicht erklärt. Das LG hatte ihn wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen verurteilt. Die vom LG vorgenommene Auslegung des Art. 23 DBA Kanada 1981 mit der Folge eines der Bundesrepublik zustehenden umfassenden Besteuerungsrechts wurde vom BGH im Hinblick auf die ungeklärte Frage der Ansässigkeit nicht geteilt und der Fall zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Der BGH hat zwar zumindest für die Einkünfte aus deutschen Quellen ein Besteuerungsrecht und damit die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach bejaht. Die Höhe der Steuerverkürzung könne jedoch noch nicht abschließend beurteilt werden; vielmehr bestehe bei Ansässigkeit in Kanada die Möglichkeit, dass sich das in Deutschland zu versteuernde Einkommen in einzelnen VZ soweit reduziere, das eine Hinterziehung vollständig entfalle. In diesem Zusammenhang könne sich für das LG die Notwendigkeit einer erneuten Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Gewinnermittlung ergeben.
2. Bestimmung des tatbestandlichen Schuldumfangs
Der BGH weist unter Bestätigung früherer Rechtsprechung (etwa BGH 19.7.07, 5 StR 251/07, wistra 07, 470) darauf hin, dass zunächst die Gewinnermittlungsmethode festzustellen sei, da nicht die verkürzten Steuern, sondern die je nach Gewinnermittlungsmethode maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen zu schätzen seien. Grundlage für die Schätzung sei daher, ob der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG, § 5 EStG) oder nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben zu bestimmen ist. Betriebsvermögensvergleich und Einnahme-Überschussrechnung (EÜR) seien zwei unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden. Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform habe nur Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine wirksame Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat. In einem solchen Fall bleibe es bei der Grundform des § 4 Abs. 1 EStG, also bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (BFH 19.3.09, IV R 57/07, BFHE 224, 513). Formal werde das Wahlrecht dabei allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt. In materiell-rechtlicher Hinsicht werde das Wahlrecht auch durch die in § 4 Abs. 3 S. 1 EStG genannten Voraussetzungen beschränkt (BFH 21.7.09, X R 46/08, BFH/NV 10, 186). Im vorliegenden Fall könne sich möglicherweise aus den vom Angeklagten eingereichten Steuererklärungen die Ausübung des Wahlrechts entnehmen lassen (vergleiche BFH 24.9.08, X R 58/06, BFHE 223, 80).
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