· Fachbeitrag · Vollstreckung
Noch einmal: Gläubiger kann Abgabe einer Steuererklärung durch Schuldner nicht erzwingen
von Dipl.-Finanzwirt (FH) Manfred Schmidt-Beyer, ORR a.D., Horst
| Vermutet der Gläubiger Steuererstattungsansprüche des Schuldners aus durch Lohnsteuerabzug überzahlter Einkommensteuer, liegt es nahe, gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für die mutmaßlichen Ansprüche zu erwirken. Häufig muss der Gläubiger aus der Drittschuldnererklärung des FA jedoch zur Kenntnis nehmen, dass der Anspruch dem Grunde nach zwar anerkannt wird, der Schuldner allerdings für den in Rede stehenden Zeitraum keine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch Abgabe einer Steuererklärung beantragt hat. |
1. BGH hatte Rechtsposition des Gläubigers zunächst gestärkt
Mit Beschluss des BGH vom 12.12.03 (IXa ZB 115/03, NJW 04, 954) ist die Rechtsposition des Gläubigers in solchen Fällen zunächst gestärkt worden: Unter bestimmten Voraussetzungen hielt der BGH den Gläubiger schon aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses für ermächtigt, im Wege der Ersatzvornahme die Antragsbefugnis des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG an Stelle des Schuldners auszuüben, mithin die ausstehende Steuererklärung zu erstellen, zu unterschreiben und dem FA einzureichen.
2. BGH gibt seine Rechtsprechung auf
Diese Rechtslage hatte allerdings nur bis zur Entscheidung des BGH vom 27.3.08 (VII ZB 70/06, VE 08, 100) Bestand. Unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung hat der BGH mit beachtlichen Gründen entschieden, dass der Gläubiger durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss weder zur Vornahme von Verfahrenshandlungen für den Schuldner ermächtigt ist, noch der Schuldner durch den Gläubiger zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet werden kann. Die beachtlichen Gründe in der Entscheidung des BGH sind:
- Aus der Rechtsstellung des Steuerpflichtigen im Steuerfestsetzungsverfahren folgt, dass die Abgabe von Steuererklärungen eine unvertretbare Handlung ist, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann.
- Auch wenn im Vollstreckungsverfahren eine zivilrechtliche Verpflichtung des Schuldners bestehen würde, die Steuererklärung zu erstellen, zu unterschreiben und dem FA einzureichen, wäre dieses - mangels wirtschaftlicher Leistungskraft - nur durch die Anordnung von Zwangshaft gemäß § 888 ZPO im Rahmen der analogen Heranziehung der Hilfsvollstreckung aus § 836 Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO durchsetzbar; eine Analogie genügt allerdings nicht dem Gesetzesvorbehalt für freiheitsentziehende Maßnahmen.
3. Aktuelle Entscheidung des LG Bochum
Im Fall des LG Bochum (27.11.13, 3 O 276/13, PStR 14, 33) hat der Kläger eine Verurteilung der Schuldnerin zur Unterschriftsleistung unter die von ihm erstellte Steuererklärung und Abgabe an das FA zu erreichen versucht. Auf dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung konnte die Klage nicht erfolgreich sein. Insoweit ergibt sich aus dieser Entscheidung keine neue Rechtsentwicklung.
Bemerkenswert ist allerdings ein Teil der Begründung: Wie bei den BGH-Entscheidungen hatte sich das LG Bochum mit einem Fall der Antragsveranlagung auseinandergesetzt.
4. LG Bochum liefert falsche Begründung
Das Gericht hat zur Frage, ob die Rechtslage auch im Fall der Verpflichtung zur Abgabe von Erklärungen Bestand hat, Hilfsüberlegungen angestellt, die nicht völlig korrekt begründet sind. Im Fall der Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen - für Einkommensteuererklärungen ergibt sich diese Pflicht aus § 25 Abs. 3 EStG, § 56 EStDV i.V. mit § 149 Abs. 2 AO -, geht das Gericht davon aus, dass dem FA durch den Steuergesetzgeber nur verhältnismäßig moderate Mittel anhand gegeben wurden, um die Abgabeverpflichtung durchzusetzen. In diesem Zusammenhang hat das Gericht unter anderem §§ 233 und 240 AO erwähnt und dabei verkannt, dass diese Vorschriften nicht schon im Festsetzungs-, sondern erst im Erhebungsverfahren einschlägig sind.
Die Möglichkeit der Verhängung von zu § 888 ZPO vergleichbaren Zwangsmitteln wird verneint. Hier hat das Gericht nicht erkannt, dass dem FA durch die Regelungen in §§ 328 ff. AO (Zwangsmittel) sowie § 152 AO (Verspätungszuschlag) Mittel zur Verfügung stehen, die man durchaus als nachdrücklich bezeichnen kann.
Für das Urteil war diese unzutreffende Begründung deshalb nicht tragend, weil ein Fall der Pflichtabgabe nicht zur Entscheidung anstand. Fraglich kann allenfalls sein, ob das Gericht eine Änderung der Rechtsposition des Gläubigers bei zutreffender Einordnung der dem FA zustehenden Zwangsmittel anerkannt hätte. Das ist angesichts der Gründe des BGH-Beschlusses vom 27.3.08 (a.a.O.) zu verneinen: Eine Ersatzvornahme durch den Gläubiger kommt nach wie vor nicht in Betracht; an den überzeugenden Argumenten gegen die Möglichkeit der Anordnung zivilrechtlicher Zwangsmaßnahmen ändert sich ebenfalls nichts.
Weiterführender Hinweis
- Goebel, BGH gibt Rechtsprechung zur Pfändung von Steuererstattungsansprüchen auf, VE 08, 100 ff.