· Fachbeitrag · Zollkodex
Unrichtige Angaben in der CN-Erklärung: Strafbarkeit des Versenders?
von RA Prof. Dr. Jürgen Weidemann, Dortmund/Bochum
| In PStR 12, 42 wird die Auffassung vertreten, dass das unrichtige Ausfüllen der CN-Erklärung (Zollinhaltserklärung) nur dann den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt, wenn die Post die Sendung gestellt. Gestellt die Post nicht, ist die unrichtige Angabe nicht gegenüber der Finanzbehörde gemacht, womit der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO entfällt. |
1. Memo: Die Natur der Zollinhaltserklärung
Nach Art. 237 Abs. 1 A b) ZK-DVO gelten im Postverkehr Waren als angemeldet, wenn sie mit einer Zollinhaltserklärung befördert werden. Nach § 5 Abs. 1 ZollVG legt die Deutsche Post AG Sendungen der zuständigen Zollstelle zur Nachprüfung vor, bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Waren unter Verstoß gegen Einfuhr-, Durchfuhr- oder Ausfuhrverbote in den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes gebracht werden. Die Post ist für die Beförderung, Lagerung und Gestellung von Postsendungen zuständig. Sie ist befugt, Zollanmeldungen in Vertretung des Empfängers abzugeben. Auf der Grundlage von Art. 38 Abs. 4 ZK sind durch § 5 Abs. 1 Nr. 2b ZollV Postpaketsendungen mit einem Wert von nicht mehr als 22 EUR von der Beförderungspflicht des Art. 38 Abs. 1 ZK und der daran anknüpfenden Gestellungspflicht befreit.
Die Post prüft in eigener Regie, ob die Sendung gestellungsfrei ist; nur wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte i.S. von § 5 Abs. 1 S. 1 ZollVG bestehen, wenn z.B. erkennbar die Erklärung mit dem Inhalt der Sendung nicht übereinstimmt, gestellt sie. Die Zollinhaltserklärung ist also zunächst eine vom Versender gegenüber der Post abgegebene Erklärung, die der Post die Beurteilung ermöglicht, ob sie gestellen muss. Die Zollinhaltserklärung gilt als Zollanmeldung, wenn alle vom Zoll verlangten Angaben auf den Formularen und den Belegen ersichtlich sind. Deshalb ist die Zollinhaltserklärung, wenn sie zur Kenntnis der Zollbehörde gelangt, eine „vereinfachte Zollanmeldung“, jedenfalls eine Erklärung gegenüber einer Finanzbehörde. Die Zollinhaltserklärung ist also beides: Erklärung gegenüber der Post und - wenn sie von der Post zusammen mit der Ware dem Zoll vorgelegt wird - auch Erklärung gegenüber der Finanzbehörde i.S. von § 370 Abs. 1 AO.
2. Auffassung der Zollverwaltung
Auch die Zollverwaltung ist der Ansicht, dass die unrichtigen Angabe nicht gegenüber der Finanzbehörde gemacht wurden, wenn die Post nicht gestellt. Nach Auffassung der Zollverwaltung erfüllt der Versender in derartigen Fällen aber den Versuchstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, denn man könne davon ausgehen, dass der Versender sich bei Aufgabe der Sendung zur Post vorstellte, dass die CN-Erklärung den Zollbehörden zugehen werde und dadurch Eingangsabgaben verkürzt würden. Die Zollverwaltung leitet das aus den Ausfüllhinweisen des Formulars ab. Ihnen könne der Versender entnehmen, dass die Erklärung des Versenders Grundlage der Verzollung sein werde. Diese Auffassung entspringt offenbar der Not, angesichts der diffusen abgabenrechtlichen Regelung nun doch eine Strafbarkeit des Versenders zu begründen. Die Post im Abgangsland überprüft die CN-Erklärung. Wenn die deutsche Post als Empfänger die Erklärung dem Zoll nur bei entsprechendem Verdacht vorlegt, kann man nicht unterstellen, dass der Versender die Weiterleitung der CN-Erklärung an eine deutsche Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 AO) in seinen Vorsatz aufnimmt. Die Vorstellung, die Erklärung werde Grundlage der Verzollung, reicht nicht, denn der Steuerhinterziehungstatbestand stellt nun einmal auf das „Angaben machen“ gegenüber einer Finanzbehörde - oder einer anderen, jedenfalls aber deutschen Behörde - ab. Versuchsstrafbarkeit wird sich nur in Ausnahmefällen ergeben: Jedenfalls ist dies Tatfrage, d.h. der subjektive Tatbestand muss im Einzelfall ermittelt und kann nicht aus Ausfüllungshinweisen abgeleitet werden.
Zutreffend verneint die Zollverwaltung im Ergebnis mittelbare Täterschaft der Steuerhinterziehung im Fall des Versenders, indem er den betreffenden Postbediensteten als vorsatzloses Werkzeug veranlasst, die Sendung nicht zu gestellen. Indessen macht sich die Verwaltung die Argumentation unnötig schwer, weil sie von der Unterlassungsvariante des Steuerhinterziehungstatbestands, also § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, ausgeht und damit zwangsläufig bei der Frage des Sonderdeliktscharakters anlandet, den sie wiederum zutreffend mit der ganz herrschenden Meinung (dagegen Bender/Möller/Retemeyer, Zoll- und Verbrauchsteuerstrafrecht, 26. Aufl., C III, Rn. 121 ff.) bejaht, womit der Unterlassungstatbestand mangels Handlungspflicht des Versenders entfällt.
Indessen ist die zur Debatte stehende Verhinderung der Gestellung durch die Post nicht Unterlassung, sondern Handlung (Abwendung einer „rettenden Kausalkette“, nämlich der Gestellung und damit der zutreffenden Abgabenfestsetzung). Damit kommt nicht das Sonderdelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, sondern der Jedermannstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht. Dessen Erfüllung scheitert nicht am Sonderdeliktscharakter des Unterlassungstatbestands, sondern an dem Erfordernis der besonderen Handlungsmodalität des Begehungsdelikts: Der Täter muss Angaben gegenüber einer Finanzbehörde machen, sodass die bloße kausale Gestellungsverhinderung, wenn sie nicht durch das „Angaben machen …“ geschieht, den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt. Die Angaben gegenüber der Post - die noch nicht einmal Behörde, geschweige denn Finanz- oder andere Behörde ist - sind hierzu nicht einschlägig.
PRAXISHINWEIS | Die Strafbarkeit des Versenders wird regelmäßig am Fehlen des Vorsatzes scheitern, auch in den Fällen, die den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen, denn dem Versender wird kaum nachzuweisen sein, dass er sich vorstellte, mit der Abgabe der CN-Erklärung Angaben gegenüber einer Finanzbehörde zu machen. |
Weiterführende Hinweise
- Weidemann, Abgabe einer unrichtigen Zollinhaltserklärung, PStR 12, 42 ff.
- Möller/Retemeyer, Ameisenschmuggel im Postverkehr, PStR 12, 174