Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kontrovers

    Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Berater ‒ was dabei zu beachten ist

    von RAin Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur., FAin StR, FAin StrR, Ecovis L+C, Würzburg und RD a. D. Dr. Henning Wenzel, Tremsbüttel

    | In der Juristerei kann man oft unterschiedlicher Ansicht sein. In der Rubrik „Kontrovers“ beleuchten zwei Experten ein Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Alles ist streitbar. Berufsträger verharmlosen oder ignorieren oft eine eigene Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Hierdurch gefährden sie ihre Existenzgrundlage, da an einer Verurteilung zahlreiche Folgeentscheidungen (Widerruf der Zulassung, Haftungsfragen usw.) gekoppelt sind. Was sollte vorbeugend beachtet und wie sollte verteidigt werden? Dazu einige Überlegungen: |

     

    »RD a. D. Dr. Henning Wenzel: Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Berater (Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare Lohnsteuerhilfevereine usw.) ist nicht die Regel, aber auch nicht die Ausnahme. Immer wieder werden Haftungs- oder Ermittlungsverfahren geführt. Neben den privaten Folgen (Verurteilung mit Vorstrafe) sind die berufsrechtlichen Folgen (Widerruf der Zulassung, Haftungsfragen z. B. FA, Mandanten oder Sozietät) weitreichend.

     

    Die Beihilfe gem. § 27 StGB wird tatbestandlich maßgeblich durch zwei Ebenen geprägt: Im objektiven Tatbestand sind die Hilfeleistung des Teilnehmers zur vorsätzlich rechtswidrigen Haupttat und im subjektiven Tatbestand der doppelte Gehilfenvorsatz zu prüfen. Nach gefestigter Rechtsprechung kann so gut wie jede Beratungsleistung eine objektive Hilfeleistung zu einer Steuerhinterziehung sein; dadurch besteht objektiv die Gefahr, in eine Steuerhinterziehung des Mandanten hineingezogen zu werden. Das alleinige notwendige Korrektiv ist der doppelte Vorsatz. Dieser birgt jedoch bei Berufsträgern die Gefahr, dass bei einer mangelnden geständigen Einlassung der Vorsatz aus den äußeren Tatumständen hergeleitet wird (ausführlich Wenzel, NWB 11, 3449, 3451 ff.).

     

    Für den Berater ist es deshalb wichtig, sich rechtzeitig und umfassend innerhalb seiner Kanzleiorganisation abzusichern. Aus meiner Sicht ist ein zentraler Baustein die sorgfältige Dokumentation der Beratungsvorgänge (z. B. die Handakte zu Beratungsleistungen, Schulungen des Mandanten usw.). Dabei sind vor allem die Mandatsverhältnisse problematisch, in denen der Mandant seinen eigenen Obliegenheiten nicht oder nicht genügend sorgfältig nachkommt (unvollständige Kassenaufzeichnungen, lückenhafte Belegsammlungen, verspätete Mitteilungen, unplausible Rohgewinnaufschlagssätze usw.); deshalb sollte immer wieder neu beurteilt werden, ob das Binnenverhältnis zum Mandanten verbessert werden kann, um seine steuerliche Zuverlässigkeit zu erhöhen (vgl. ausführlich Schneider, NWB 24, 1192 ff.). Im Zweifel ist die Reißleine zu ziehen, um sich selbst zu schützen, wenn das Binnenverhältnis nicht professionalisiert werden kann und es bei (erheblichen) Lücken, Unvollständigkeiten oder Ungenauigkeiten bleibt. Schätzungen durch Steuerberater sind strikt zu unterlassen, das ist die Aufgabe des FA (so auch Schneider, a. a. O., 1200); solche Schätzungen können explizit den Vorsatz begründen (vgl. Wenzel, a. a. O., 3453 f.). Erkennbar unklare Buchungen sind nicht vom Berater weiter zu verwenden.

     

    PRAXISTIPP | Bei Ermittlungen gegen den Berater sollte von Anfang an ein Strafverteidiger hinzugezogen werden, der gezielt und strukturiert die Verteidigung bezüglich der Vorsatzfragen übernimmt.

     

    »RAin Dr. Janika Sievert: In der Verteidigung von Steuerberatern oder Berufshelfern wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eines Mandanten kann oft effektiv gearbeitet werden. Um zu bewerten, ob eine strafbare Beihilfehandlung oder noch eine berufstypische, straflose Beraterleistung vorliegt, kann auf die umfassende Rechtsprechung des BGH zurückgegriffen werden (etwa BGH, 21.12.16, 1 StR 112/16, dazu Lampe, PStR 19, 123 f.). Beihilfe zur Steuerhinterziehung liegt vor, wenn der Berater erkennt, dass das Risiko einer Steuerhinterziehung sehr hoch ist, aber trotzdem weiterhin dem Mandanten hilft, der offensichtlich die Straftat begehen will. Weiterhin soll keine straflose Beraterleistung mehr vorliegen, wenn sich für den Berater die Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung des Mandanten so sehr verdichtet haben, dass er ein positives Wissen nur noch vermeiden kann, indem er die Augen verschließt und lieber nicht weiter nachfragt.

     

    Im ersten Fall ist die Sache klar: Der Berater muss den Mandanten darauf hinweisen, dass er zur „Hinterziehungs-Beratung“ nicht bereit ist. Soweit der Mandant bereits Steuern hinterzogen hat, muss der Berater zur Selbstanzeige raten. Ohne das Einverständnis des Mandanten darf und muss der Berater aber keine Selbstanzeige einreichen. Bei einem beratungsresistenten Mandanten muss der Berater das Mandat umgehend beenden, um eine eigene Strafbarkeit zu vermeiden; auch wenn es finanziell vielleicht schmerzt und es sich um ein langjähriges Mandatsverhältnis handelt.

     

    Der zweite Fall kommt in der Praxis vermutlich noch häufiger vor: Berater, die „Bauchschmerzen“ bekommen, wenn der Mandant den Sachverhalt schildert, oder von „Vorahnungen“ geplagt werden, aber dennoch in Tradition der „Drei Affen“ weiter beraten. Auch den Mitarbeitern sollte stets signalisiert werden, dass sie sich bei Bedenken immer an den Berufsträger wenden können und sie mit einer Entscheidung nicht alleine gelassen werden. Das Risiko der eigenen Strafverfolgung sollte niemals einer Mandatsbeziehung oder dem Umsatz untergeordnet werden.

     

    Immer wieder gibt es jedoch auch Fälle, in denen eher von einer „Beihilfe Plus“ durch den Berater ‒ an der Grenze zur Tatherrschaft ‒ gesprochen werden muss. So z. B., wenn der Berater nach abgeschlossener BP den Hinweis des Prüfers, die Feststellungen auch für die Folgejahre zu übernehmen, ignoriert und den Mandanten mitteilt, hierzu bestehe keine Pflicht. Oder wenn der Berater die Mandanten aktiv auffordert, Belege der privaten Lebensführung in der Buchhaltung des Unternehmens zu erfassen, da man „Sollbruchstellen“ für die Prüfung einbauen müsse. Hier eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie aufzubauen, kann tatsächlich schwierig werden.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 260 | ID 50151839