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  • · Fachbeitrag · Datenschutz

    Datenschutzrechtliche Belehrung versäumt ‒ folglich rechtswidrig durchsucht?

    von Kanat Akin, Oberregierungsrat, Europajurist (Univ. Würzburg), Hauptsachgebietsleiter Steuerfahndung Bayreuth

    | Mit Wirkung vom 26.11.19 wurde die StPO um § 500 StPO ergänzt. Dieser erklärt den dritten Teil des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) für entsprechend anwendbar, soweit öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich der StPO personenbezogene Daten verarbeiten. Wie sich diese Entscheidung des Gesetzgebers auf die Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung auswirken kann, war Gegenstand eines Beschlusses des LG Kiel. |

     

    Sachverhalt

    Ein Streifenwagen bemerkte gegen 22:00 Uhr auf dem Kundenparkplatz einer Sparkassen-Filiale ein Kfz. Die Polizeibeamten traten an die beiden Insassen heran, um die Personalien festzustellen. Sie stellten beim Ausweis des Beschwerdeführers B fest, dass dieser nach Marihuana roch. Der Polizeibeamte fragte ihn, ob er in dessen Bauchtasche schauen dürfe. Der B willigte ein. Darin befanden sich eine Ecstasy-Tablette und Marihuana. Daraufhin fragte der Polizeibeamte den B, ob er in den Kofferraum sehen dürfe. Auch darin willigte der B ein. Im Kofferraum wurden zwei Kilogramm Marihuana gefunden. Daraufhin durchsuchten die Beamten den M. Es erfolgte die Kontaktaufnahme mit dem Jour-Staatsanwalt, der die Durchsuchung des übrigen Kfz und die Wohnungen von B und M anordnete. Der B begehrte erfolglos beim AG festzustellen, dass die Durchsuchung des Kofferraums rechtswidrig gewesen sei. Das LG hat die Entscheidung des AG aufgehoben und die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung des Kofferraums festgestellt.

     

    Entscheidungsgründe

    Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden, § 105 Abs. 1 StPO (LG Kiel 19.8.21, 10 Qs 43/21, Abruf-Nr. 243331). Eine Anordnung durch den Ermittlungsrichter liegt hier nicht vor. Ob diese Anordnung durch die Polizei als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 1 Nr. 3 Landesverordnung über Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft Schleswig-Holstein) rechtmäßig gewesen wäre, ist nicht Teil der Entscheidung. Entsprechend einer Antwort der Landesregierung von Schleswig-Holstein (Drs. 17/2050) ist der richterliche Bereitschaftsdienst bis spätestens 21:00 Uhr erreichbar. Da die Durchsuchung jedoch weder richterlich noch staatsanwaltschaftlich angeordnet wurde, kann dies dahinstehen.

     

    Der Umstand, dass es an einer richterlichen Durchsuchungsanordnung bzw. einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen mangelt, führt nicht per se dazu, dass die Durchsuchung rechtswidrig ist. Entsprechend dem Grundsatz „volenti non fit inuria“ kann der Betroffene darin einwilligen, § 500 Abs. 1 StPO i. V. m. § 51 Abs. 3 BDSG.

     

    Die Einwilligung des B ist aber gem. § 51 Abs. 3 und Abs. 4 BDSG sowohl mangels Belehrung (§ 51 Abs. 3 BDSG) als auch wegen fehlenden Hinweises auf den Zweck der Vereinbarung (§ 51 Abs. 4 BDSG) unwirksam. Nachdem der B nicht gem. § 51 Abs. 3 BDSG darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass er seine Einwilligung jederzeit ex nunc widerrufen kann, ist die Einwilligung in die Durchsuchung des Kofferraums rechtswidrig gewesen. Die Rechtswidrigkeit folgt auch aus dem Umstand, dass der B nicht auf den Zweck der Datenverarbeitung hingewiesen wurde, § 51 Abs. 4 BDSG.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Anwendbarkeit der §§ 45 ff. BDSG und damit verbundene Unklarheiten können in den Ermittlungsbehörden zu Unsicherheiten führen. Wie verhält es sich z. B., wenn man vom Durchsuchungsbeschluss keinen Gebrauch macht, weil der Betroffene ‒ auf Nachfrage ‒ mit der Durchsuchung einverstanden ist? In welcher Form muss eingewilligt werden und wie ist dies zu dokumentieren? Für die erste Frage gilt m. E., dass die Belehrung gem. § 51 Abs. 3 BDSG unterbleiben kann. Ein Richter hat sich bereits mit dem Sachverhalt befasst und die Durchsuchung wird, namentlich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, nicht gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt.

     

    Die Einwilligung in eine strafprozessuale Maßnahme ist die Ausnahme, vgl. etwa § 81c Abs. 3 S. 5, § 81h Abs. 4 StPO. Die StPO normiert einen Katalog an Eingriffs- bzw. Ermittlungsmaßnahmen, die sowohl ohne als auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden können. Die Frage, ob der Betroffene mit der Durchsuchung einverstanden ist, ist lediglich Resultat des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BVerfG 29.11.04, 2 BvR 1034/02). Es ist daher, entgegen der Ansicht des Landgerichts Kiel, davon auszugehen, dass hier die sowohl in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/4671, 44) als auch in § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO verlangte Subsidiarität des BDSG zum Tragen kommt. Folglich ist die Einwilligung nicht an § 51 Abs. 3 BDSG zu messen. Sofern man jedoch der entstehenden Rechtsunsicherheit Rechnung tragen will, sollten die Belehrungsformulare und insbesondere die Niederschrift zur Durchsuchung um die Anforderungen des § 51 BDSG angepasst werden.

     

    PRAXISTIPP | Die obersten Finanzbehörden der Länder haben in Nr. 65 der Anweisungen zum Straf-und Bußgeldverfahren 2023/2024 Stellung zur Entscheidung des LG Kiel genommen. Die Anweisung an die Bußgeld- und Strafsachen- und die Steuerfahndungsstellen schließt sich der Entscheidung an. Es wird verlangt, dass der Betroffene auf das Widerrufsrecht seiner Einwilligung gem. § 500 Abs. 1 StPO i. V. m. § 51 Abs. 3 BDSG hinzuweisen ist. Fehlen Durchsuchungszeugen, sei es zweckmäßig, das Einverständnis schriftlich zu dokumentieren. Der Wortlaut der Anweisung lässt offen, ob die Einwilligung als mildere Maßnahme ebenfalls an § 51 Abs. 3 BDSG zu messen ist. Davon ist aufgrund der obigen Ausführungen und der grundsätzlichen „Einwilligungsfreiheit“ der StPO nicht auszugehen. Folglich gelten die Anforderungen des § 51 Abs. 3 BDSG allenfalls, wenn kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 248 | ID 49994648