· Fachbeitrag · Döner-Imbiss
Schwarzlöhne mindern Verkürzungsbeträge ‒ per Testkauf geschätzte Veräußerungserlöse sind zu begründen
von RD David Roth, LL.M. oec., Staatliches Rechnungsprüfungsamt Köln
| Neben der Bestätigung jüngster Rechtsprechungsänderungen hat der BGH entschieden, dass bei der Ermittlung der Verkürzungsbeträge gezahlte Schwarzlöhne mindernd berücksichtigt werden können. Außerdem müssen aus einzelnen Testkäufen abgeleitete durchschnittliche Verkaufserlöse besonders begründet werden, insbesondere wenn sie VZ-übergreifend gelten sollen. |
Sachverhalt
Der Angeklagte übernahm im Jahr 2009 einen Döner-Imbiss. Um Steuern zu verkürzen, traf er mit mehreren Lieferanten Vereinbarungen dahingehend, dass das Döner-Fleisch nur zum Teil in Rechnung gestellt, im Übrigen aber „schwarz“ geliefert werden sollte. Dem Angeklagten war es so möglich, mehr als die Hälfte der Dönerfleisch-Verkaufserlöse aus dem Imbiss in seiner Buchhaltung nicht zu erfassen. In den von ihm für die VZ 2010 bis 2013 jeweils zeitgleich abgegebenen USt-, ESt- und GewSt-Erklärungen verschwieg er die insoweit erzielten Umsätze und Gewinne. Zudem beschäftigte er Mitarbeiter „schwarz“ und zahlte diesen entsprechende Schwarzlöhne.
Entscheidungsgründe
Zunächst bestätigt der BGH (24.7.19, 1 StR 44/19, Abruf-Nr. 211291) seine Rechtsprechungsänderung (BGH 22.1.18, 1 StR 535/17, PStR 18, 292, Abruf-Nr. 204710) zur Frage der Konkurrenzverhältnisse zwischen mehreren durch aktives Tun begangenen Steuerhinterziehungen. Danach war hier ‒ trotz der zeitgleich abgegebenen USt-, ESt- und GewSt-Erklärungen ‒ Tatmehrheit (§ 53 StGB) anzunehmen.
MERKE | Die Möglichkeit der Annahme von Tateinheit (§ 52 StGB) bei zeitgleich abgegebenen Steuererklärungen wird so weitgehend auf erklärungslose Annexveranlagungen reduziert, deren Festsetzungen unmittelbar auf der Grundlage der Hauptsteuererklärungen erfolgen, wie etwa Solidaritätszuschlag und (soweit hinterziehbar) Kirchensteuer. |
Darüber hinaus war bei der Bemessung des Umsatzsteuerschadens die weitere Rechtsprechungsänderung (vgl. BGH 13.9.18, 1 StR 642/17, PStR 19, 4, Abruf-Nr. 205707) nachzuvollziehen, wonach Vorsteuer und USt ausnahmsweise (entgegen des eigentlich zu beachtenden Kompensationsverbots) bereits auf Tatbestandsebene verrechnet werden können. Die Nichterklärung der USt auf den steuerpflichtigen Ausgangsumsatz zieht die Nichtgeltendmachung des an sich bestehenden Vorsteueranspruchs aus dem nämlichen Wareneinkauf regelmäßig nach sich. Es besteht daher ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz. Dieser hat zur Folge, dass der Vorsteuervergütungsanspruch im Rahmen der Verkürzungsberechnung von Rechts wegen zu berücksichtigen ist.
MERKE | Maßgeblich für diese USt-/Vorsteuer-Verrechnung bereits auf Tatbestandsebene ist allerdings, dass auch die übrigen Voraussetzungen aus § 15 UStG ‒ insoweit die Vorlage einer Rechnung ‒ im maßgeblichen Besteuerungszeitraum gegeben sind. |
Weiterhin bemängelt der BGH, dass die Feststellungen zu den aus einzelnen Testkäufen abgeleiteten durchschnittlichen Verkaufspreisen lückenhaft waren. Das Tatgericht hatte insbesondere nicht eindeutig ausgeführt, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen es davon überzeugt war, dass die zugrunde gelegten Verkaufspreise bereits in den Jahren 2010 bis 2013 Gültigkeit hatten. Mögliche Preissteigerungen, wie die jährliche Inflation, hatte es in seine Berechnungen fälschlicherweise nicht berücksichtigt.
Zuletzt weist der BGH darauf hin, dass bei der Ermittlung der Verkürzungsbeträge für ESt und GewSt ‒ entgegen der Auffassung des LG ‒ die vom Angeklagten an seine Mitarbeiter gezahlten zusätzlichen „schwarzen“ Löhne im Rahmen der Schätzung der Betriebskosten zugunsten des Angeklagten in Ansatz zu bringen sind.
MERKE | Einer Gegenrechnung bislang nicht erklärter Steuerminderungsgründe steht zwar grundsätzlich das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 S. 3 AO) entgegen. Das Verbot gilt jedoch nicht ausnahmslos. Steuervorteile, die dem Täter schon aufgrund seiner richtigen Angaben oder jedenfalls auch dann ohne Weiteres zugestanden hätten, wenn er anstelle der unrichtigen, die der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht hätte, dürfen ihm nicht vorenthalten werden, soweit sie mit den falschen Angaben in einem unmittelbaren engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
Die vom BGH hier angenommene eindeutige Zuordnung der Schwarzlöhne zum schwarzen Weiterverkauf des (schwarz eingekauften) Döner-Fleischs erscheint m. E. allerdings zweifelhaft. So dürften die Schwarzlöhne nicht nur für die Herstellung des Döner gezahlt worden sein, sondern auch für den nicht schwarzerfolgten Verkauf anderer Produkte (z. B. Getränke, Pommes Frites, türkische Pizza) oder für ganz andere Arbeiten (z. B. Putzen des Ladenlokals). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die verkauften Döner diverse andere, offenbar nicht schwarz eingekaufte Produkte (z. B. Fladenbrot, Salat, Saucen) mit beinhalteten. Die Schwarzlohnzahlungen waren also wahrscheinlich nicht vollständig die Kehrseite der Schwarzverkäufe. Ggf. müsste deren Anteil am Dönerfleisch-Produkt im Schätzungsweg festgestellt werden.
Ob eine solche nur mittelbar im Wege einer mit Unsicherheiten behafteten Schätzung erfolgte Zuordnung ausreicht, um noch von einer hinreichend konkreten „unmittelbaren“ Zuordnung der steuermindernden zu den steuererhöhenden Tatsachen im Sinne eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs ausgehen zu können, ist m. E. jedoch höchst fraglich. |
Wichtig | Gleichwohl sollten Verteidiger die BGH-Entscheidung zum Anlass nehmen, vom Mandanten gezahlte Schwarzlöhne verkürzungsmindernd geltend zu machen.
Weiterführender Hinweis
- Schwarzarbeit: Vereitelt eine neue Regelungslücke die Hochrechnung auf den Bruttolohn?, PStR 19, 271