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  • · Nachricht · EuGH

    Intermediär: Anwaltsgeheimnis schlägt Meldepflicht

    | Der EuGH hat entschieden, dass sekundäre Melde- bzw. Unterrichtungspflichten, die einem RA zur Bekämpfung grenzüberschreitender aggressiver Steuergestaltung auferlegt werden, wegen Verstoß gegen das anwaltliche Berufsgeheimnis europarechtswidrig sind (8.12.22, C-694/20, Abruf-Nr. 232928 ). |

     

    In dem belgischen Ausgangsverfahren ging es um die Rechtmäßigkeit von Art. 8ab Abs. 5 der Richtlinie 2018/822 (Richtlinie vom 25.5.18 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, ABl. EU 5.6. 18, L 139/1 ff.). Die Regelung sieht Folgendes vor: Ein „Rechtsanwalt‑Intermediär“, der von der Meldepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen aufgrund des Schutzes der Verschwiegenheitspflicht befreit ist, bleibt gleichwohl verpflichtet, jeden anderen „Intermediär“ über dessen Meldepflichten gegenüber den Steuerbehörden zu unterrichten. Der EuGH erklärt diese sekundäre Unterrichtungspflicht für europarechtswidrig:

     

    Die Pflicht des Anwalts, die anderen beteiligten Intermediäre zu informieren, ist nicht erforderlich, um aggressive Steuergestaltung und Steuerbetrug zu bekämpfen. Denn die Steuerverwaltung wird durch die anderen Intermediäre ohnehin informiert. Die Verpflichtung verletzt zudem das Recht auf Achtung der Kommunikation mit dem Mandanten (Art. 7 EU-Grundrechtecharta). Durch die Vorschrift werden die anderen Beteiligten unzulässig von der Identität des Anwalts Kenntnis erlangen. Zudem erfahren sie von dessen Analyse, wonach die in Rede stehende Steuergestaltung meldepflichtig ist, sowie von der Tatsache, dass der Anwalt zu diesem Thema konsultiert wird. Da die anderen Intermediäre verpflichtet sind, die zuständigen Steuerbehörden über die Identität und die Mandatierung des Anwalts zu informieren, bewirkt die Regelung mittelbar einen weiteren Eingriff in das Recht auf Berufsgeheimnis.

     

    Beachten Sie | Die Entscheidung ist zwar zu belgischem Recht ergangen,allerdings erscheint es aufgrund des Urteils naheliegend, dass auch vergleichbare deutsche (Umsetzungs-)Regelungen bei zur Verschwiegenheit verpflichteten Anwälten nicht europarechtskonform sind (vgl. § 138f Abs. 6 AO, BMF-Schreiben 29.3.21, IV A 3 - S 0304/19/10006:010, IV B 1 - S 1317/19/10058:011, DOK 2021/0289747, BStBl. I 20, 519, „Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“, Rn. 72 ff.).

     

    Die EuGH-Entscheidung stärkt in jedem Fall das anwaltliche Berufsgeheimnis und dürfte auch etwaigen anderen Meldeverpflichtungen entgegengehalten werden können.(DR)

    Quelle: Ausgabe 04 / 2023 | Seite 76 | ID 48965135