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  • · Fachbeitrag · Insolvenz

    Haftung des GmbH-Geschäftsführers - Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde

    von Prof. Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Krause & Kollegen, Berlin

    Legt der Geschäftsführer keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten vor, kann die Finanzbehörde im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 80 % ausgehen. Bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis ist die Verletzung der dem Haftungsschuldner obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung zu berücksichtigen (FG München 22.5.12, 2 K 3459/09, Abruf-Nr. 123700).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Das FG München hat über die Klage eines GmbH-Geschäftsführers entschieden, der sich gegen die Haftungsinanspruchnahme für Steuerverbindlichkeiten der insolventen GmbH wehrte. Die Klage blieb überwiegend erfolglos. Insbesondere kam eine Haftungsbegrenzung aufgrund einer internen Aufgabenverteilung nicht in Betracht, weil hierfür die Aufgabenzuweisung klar und eindeutig, d.h. in schriftlicher Form, festgelegt worden sein muss. Dies war vorliegend nicht der Fall.

     

    Praxishinweis

    Die Vertreter juristischer Personen müssen gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 AO deren steuerliche Pflichten erfüllen (z.B. der GmbH-Geschäftsführer). Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i.V. mit § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten (§ 34 Abs. 1 S. 2 AO). Gemäß § 69 AO haften sie, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Hieraus ergeben sich folgende Handlungs- bzw. Haftungsmaßstäbe:

     

    • Grob fahrlässig i.S. des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt.

     

    • Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 S. 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind.

     

    • Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen. Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen.

     

    • Der Umfang der Haftung nach § 69 AO ist auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt.

     

    • Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d.h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig.

     

    • Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrags (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einstehen muss.

     

    • Das FA muss unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote feststellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO).

     

    • Zur Feststellung der Haftungssumme kann das FA vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO).

     

    • Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt grundsätzlich das FA. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht.

     

    • Legt der Geschäftsführer keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten vor, kann die Finanzbehörde im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 80 % ausgehen. Bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis ist die Verletzung der dem Haftungsschuldner obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung zu berücksichtigen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Ott, 10 wichtige Regeln für den GmbH-Geschäftsführer in der Krise, PStR 06, 230 ff.
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 118 | ID 36140160