· Fachbeitrag · Schätzungsbescheid
Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens der Finanzbehörde
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin
Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Versicherungsvertretern infolge von Schätzungsbescheiden zu niedrige Steuern festgesetzt wurden, besteht für ein Sammelauskunftsersuchen an einen Verein der Versicherungswirtschaft, der Daten zu Versicherungsvertretern erhebt, ein hinreichender Anlass (FG Hamburg 18.4.13, 1 K 89/12, Abruf-Nr. 132069). |
Sachverhalt
Der Kläger ist eine insbesondere auf den Verbraucherschutz abzielende Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Versicherungswirtschaft. Er hat nach § 2 Ziff. 1 seiner Satzung den Zweck zu erreichen, dass nur vertrauenswürdige Personen Versicherungs-, Bauspar- und sonstige Finanzdienstleistungsprodukte vermitteln. Hierzu unterhält er einen Auskunftsverkehr mit seinen Mitgliedern und deren Mitgliedsunternehmen.
Der Kläger speicherte über alle im Außendienst tätigen Vermittler diejenigen Informationen, die eine Beurteilung von deren Verlässlichkeit erlaubten. Hierzu gehörten Informationen darüber, für welche Versicherungsgesellschaft die jeweiligen Versicherungsvertreter bzw. -makler tätig waren. Informationen über die Höhe ihrer Einkünfte erhielt der Kläger nicht.
Eine Steufa ermittelte anhand der Gewerbekennzahl für Versicherungsmakler sowie der Kennzahl für Schätzungsbescheide aufgrund der Nichterfüllung der Erklärungspflichten in den VZ 2006 bis 2009 für ihren Bereich insgesamt 251 Personen. Diese Zahl entsprach knapp 5 % der lokalen Steuerpflichtigen mit der gespeicherten Gewerbekennzahl für Versicherungsmakler. Die Finanzverwaltung ersuchte den Kläger daraufhin, bezogen auf die von dem Beklagten ermittelten Personen, um Auskunft über alle Versicherungsunternehmen, für die diese Personen tätig sind oder waren und den Zeitraum der Tätigkeit bei dieser Gesellschaft bzw. diesen Gesellschaften.
Entscheidungsgründe
Das mit Bescheid gestellte Auskunftsersuchen ist nach Ansicht des FG rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die Steufa handelte im Rahmen ihrer Aufgabe zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle gemäß § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO. Hierbei war sie befugt, gemäß § 208 Abs. 1 S. 2 AO, § 92 S. 1 AO, § 93 Abs. 1 S. 1 AO das Auskunftsersuchen an den Kläger zu stellen. Der Beklagte handelte auch im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens.
Praxishinweis
Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle umfasst Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen und -sachverhalten. Vorliegend müssen die Versicherungsmakler die Schätzungsbescheide gegen sich ergehen lassen. Denn es bestehen erfahrungsgemäß Anhaltspunkte dafür, dass diese Personen Steuertatbestände verwirklicht haben, wobei sich die Anhaltspunkte allerdings noch nicht zu einem steuerstrafrechtlichen Verdacht verdichtet haben. Die Steufa darf jedoch nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO erst dann tätig werden, wenn hierfür ein hinreichender Anlass besteht. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objekts oder der Höhe des Werts) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung - auch konkreten Erfahrungen für bestimmte Gebiete - die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Ermittlungen „ins Blaue hinein“, Rasterfahndungen oder Ausforschungsdurchsuchungen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steufa im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH 19.2.09, II R 61/07, PStR 09, 274).