· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Anforderungen an Strafurteil
von RiOLG Alexander Meyberg, München
Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die Urteilsfeststellungen nachvollziehen lassen, ob bzw. in welcher Höhe es zu einer Steuerverkürzung gekommen ist (BGH 16.5.13, 1 StR 68/13, Abruf-Nr. 132144). |
Sachverhalt
Das LG hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in mehreren Fällen unter Einbeziehung einer anderen, bereits rechtskräftigen Bewährungsstrafe zu 2 Jahren und 6 Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Er hatte u.a. dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer D-GmbH Scheinrechnungen über angeblich erbrachte Ingenieurleistungen erteilt, die dieser tatplangemäß zu Unrecht zum Betriebsausgabenabzug bei Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie zum Vorsteuerabzug nutzte. Die Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der BGH hat einen Fall der Umsatzsteuerhinterziehung wegen Verjährung selbst eingestellt (§ 206a StPO; zur Verjährung - BGH 31.5.11, 1 StR 189/11, PStR 11, 243). Darüber hinaus hat er den Schuld- und die Einzelstrafaussprüche in 6 Fällen aufgehoben, in denen der Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Erteilen von Scheinrechnungen verurteilt worden war. Hierüber wie auch über den ebenfalls aufgehobenen Gesamtstrafausspruch muss jetzt ein neuer Tatrichter entscheiden.
Der BGH moniert, dass den Feststellungen des LG nicht ausreichend zu entnehmen sei, ob bzw. in welcher Höhe es zu Steuerverkürzungen gekommen ist. Insbesondere aus den schwer verständlichen tabellarischen Aufstellungen lasse sich die Berechnung nicht nachvollziehen. Die ausgeführten Hinterziehungsbeträge ließen sich allein mit den mitgeteilten Rechnungsbeträgen aus den zur Verfügung gestellten Scheinrechnungen nicht erklären. So könne letztlich nicht geprüft werden, ob es überhaupt zu einer Steuerverkürzung gekommen ist, zu der der Angeklagte Beihilfe geleistet haben könnte.
Es liege zudem nicht fern, dass Teilbeträge einer vom Haupttäter verkürzten Steuer nicht auf der Verwendung der vom Angeklagten erstellten Scheinrechnungen beruhen. Verkürzungsbeträge, die auf anderen unrichtigen Angaben des Haupttäters beruhen, können dem Angeklagten aber nicht ohne Weiteres zugerechnet werden.
Praxishinweis
Nicht selten hat die Revision eines Angeklagten Erfolg, weil ein Urteil wegen Steuerhinterziehung nicht den Darstellungsanforderungen genügt (Jäger, StraFo 06, 477; auch BGH 22.5.12, 1 StR 103/12, PStR 12, 189 - erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft). In ständiger Rechtsprechung betont der BGH, dass sich bei der Steuerhinterziehung, bei der die Blankettnorm des § 370 AO nur zusammen mit den sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die maßgebliche Strafvorschrift bildet, aus den Feststellungen ergeben muss, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (BGH 12.5.09, 1 StR 718/08, NJW 09, 2546). Dabei muss das Gericht die geschuldete Steuer (Soll-Steuer) bestimmen und der festgesetzten Steuer (Ist-Steuer) gegenüber stellen.
Hierzu sind zunächst die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen festzustellen. Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) müssen die Urteilsgründe die Daten der (unrichtigen) Erklärung und der daraufhin erfolgten Steuerfestsetzung enthalten sowie diejenigen Parameter, die die Grundlage für eine zutreffende Steuerberechnung bilden. Liegt dem Angeklagten Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) zur Last, sind zunächst die Umstände festzustellen, aus denen sich ergibt, dass der Angeklagte zur Abgabe der fraglichen Steuererklärungen verpflichtet war (BGH 9.4.12, 1 StR 586/12, PStR 13, 142 ff.). Sodann sind in den Urteilsgründen die Tatsachen mitzuteilen, aus denen sich die Höhe der durch die pflichtwidrige Nichtabgabe der Erklärungen hinterzogenen Steuer ergibt. Dabei ist ein ergangener Schätzbescheid zu berücksichtigen (BGH 22.8.12, 1 StR 317/12, wistra 13, 65).
Hierauf aufbauend ist die Soll-Steuer zu bestimmen. Diese Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters (zur Schätzung - BGH 28.7.10, 1 StR 643/09, PStR 10, 235). Die bloße Bezugnahme auf Ergebnisse von Betriebs- oder Fahndungsprüfberichten ist nicht ausreichend (BGH 13.7.11, 1 StR 154/11, BFH/NV 11, 1823). Im Urteil muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil als Rechtsanwendung ihm obliegende - Steuerberechnung durchgeführt hat (BGH 25.3.10, 1 StR 52/10, wistra 10, 228).
Das gilt auch bei einem - z.B. im Rahmen eines „Deals“ - geständigen Angeklagten. Zwar kann auch ein steuerlich nicht versierter Angeklagter regelmäßig das reine „Zahlenwerk“ - etwa den Umsatz, die Betriebseinnahmen oder die Betriebsausgaben - aus eigener Kenntnis bekunden (BGH 11.8.10, 1 StR 199/10, NStZ-RR 10, 376). Dies ist eine Frage der Beweiswürdigung, also der Frage, auf welcher Grundlage das Tatgericht die Besteuerungsgrundlagen festgestellt hat. Hierzu kann neben einem Geständnis auch auf Angaben von Finanzbeamten über die tatsächlichen Gegebenheiten rekurriert werden. Demgegenüber kann auch bei einem geständigen Angeklagten die Darstellung steuerlich erheblicher Tatsachen regelmäßig nicht verkürzt erfolgen, weil die Subsumtion sonst nicht mehr nachprüfbar ist (BGH 11.8.10, a.a.O.). Eine Steuerberechnung kann nur ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn sich das Geständnis auch auf die Berechnung der hinterzogenen Steuern bezieht und der Angeklagte hinreichend sachkundig und deswegen hierzu in der Lage ist (BGH 25.10.00, 5 StR 399/00, NStZ 01, 200 m.w.N.). Dass dies der Fall ist, muss sich dann aber auch aus den Urteilsgründen ergeben. Überdies kann die Darstellung des eigentlichen Berechnungsvorgangs auch in diesen Fällen die Nachvollziehbarkeit des Urteils erleichtern; sie bietet zudem die Möglichkeit zu kontrollieren, ob alle steuerlich erheblichen Tatsachen im angefochtenen Urteil festgestellt sind (BGH 12.5.09, 1 StR 718/08, PStR 09, 177).