· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen, wenn das Finanzamt Kenntnis hat
von RD David Roth, LL.M. oec., Staatl. Rechnungsprüfungsamt Köln
| Sind dem FA steuerlich erhebliche Tatsachen bereits bekannt, kann es nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg über diese Umstände nicht mehr nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO „in Unkenntnis gelassen werden“. Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen scheidet bei diesem Verständnis dann bereits auf Ebene des Tatbestands aus. |
Sachverhalt
Der Angeklagte A lebte von seiner Ehefrau getrennt. Obwohl er wegen Teilnahme am Lohnsteuerermäßigungsverfahren zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet war, gab er diese nicht fristgerecht ab, sodass weiterhin die im EDV-System gespeicherte Steuerklasse III fälschlicherweise zum Tragen kam. Allerdings war der Finanzverwaltung das Getrenntleben unabhängig vom konkreten Veranlagungsverfahren anderweitig bekannt geworden, wohl auch durch zeitlich zurückliegende Hinweise des A.
Entscheidungsgründe
Das OLG Oldenburg (10.7.18, 1 Ss 51/18, Abruf-Nr. 204892) hat die Verurteilung wegen versuchter Steuerhinterziehung im Hinblick auf das Getrenntleben aufgehoben. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wird bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Ob die Tatbestandsverwirklichung der Steuerverkürzung durch Unterlassen voraussetzt, dass die Finanzbehörde sich in Unkenntnis von den nicht offenbarten steuerlich relevanten Tatsachen befunden hat, und deshalb das ungeschriebene Merkmal einer „Unkenntnis“ der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt in den Tatbestand hineinzulesen ist, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden.
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