· Fachbeitrag · Umsatzsteuerhinterziehung
Tatmehrheit: USt-Voranmeldung und versuchte USt-Jahreserklärung
von RD David Roth, LL.M. oec., Köln
| Steuerhinterziehung mittels USt-Voranmeldungen ist i. d. R. eine mitbestrafte Vortat zur nachfolgenden USt-Jahressteuerhinterziehung. Abweichend von diesem Grundsatz stellt der BGH nun aber klar, dass bei nur versuchter USt-Jahressteuerhinterziehung Tatmehrheit vorliegen kann. |
Sachverhalt
Der Angeklagte (A) reichte 2016 monatlich unzutreffende USt-Voranmeldungen ein. Das FA stimmte diesen zu und zahlte entstandene Erstattungsbeträge aus. In der USt-Jahreserklärung 2016 machte der A einen weiteren, die Summe der USt-Voranmeldungen (und erfolgten Auszahlungen) übersteigenden Erstattungsbetrag von über 16.000 EUR geltend. Der Jahreserklärung stimmte das FA nicht mehr zu. Eine Auszahlung des überschießenden Betrags erfolgte daher nicht mehr. Das LG hat die USt-Voranmeldungen 2016 jeweils als selbstständige vollendete Taten (§ 53 StGB) der Steuerhinterziehung gewertet. Mangels Zustimmung des FA zu der eingereichten USt-Jahreserklärung 2016 hat es den A diesbezüglich wegen versuchter Steuerhinterziehung verurteilt und im Rahmen der Strafzumessung nur den überschießenden Betrag, der zur Auszahlung hätte kommen sollen, berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
Der BGH (6.10.21, 1 StR 297/21, Abruf-Nr. 227023) bestätigt die Entscheidung. Zwar liegt nach der neueren Rechtsprechung des Senats im Verhältnis von USt-Voranmeldung und USt-Jahreserklärung regelmäßig Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat vor (BGH 13.7.17, 1 StR 536/16, PStR 18, 29; BGH 25.10.18, 1 StR 7/18, PStR 19, 101; BGH 25.7.19, 1 StR 556/18, wistra 19, 458).
Die Voraussetzungen einer Mitbestrafung unrichtiger USt-Voranmeldungen als Vortaten durch die Abgabe einer unrichtigen USt-Jahreserklärung waren hier nach Ansicht des BGH allerdings nicht gegeben, weil der Unrechtsgehalt der vollendeten Vortaten mit Auszahlung tatsächlich nicht bestehender Erstattungsbeträge von der ‒ hier lediglich versuchten ‒ Haupttat (USt-Jahreserklärung) nicht vollständig erfasst wurde.
Soweit (wie hier) bereits in Form des Erlangens nicht gerechtfertigter Steuervorteile ein Taterfolg eingetreten ist, kommt dessen Unrechtsgehalt bei der Bestrafung einer nachfolgend lediglich versuchten Hinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen USt-Jahreserklärung nicht zum Ausdruck. Damit liegt in der versuchten Tat auch nicht das Schwergewicht des Unrechts des Gesamtgeschehens. Dem steht laut BGH nicht entgegen, dass der Unrechtsgehalt der unrichtigen USt-Jahreserklärung insofern über den der USt-Voranmeldungen hinausging, als mit ihr insgesamt eine noch weitergehende Hinterziehung als mit den Voranmeldungen erstrebt wurde. Die Taten standen damit letztendlich im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander.
Für die Strafzumessung weist der BGH allerdings darauf hin, dass die in Tatmehrheit zueinanderstehenden Taten einen sich teilweise überschneidenden Schuldgehalt aufweisen. Dies habe der Tatrichter (mildernd) etwa dadurch in den Blick zu nehmen, dass hinsichtlich der nachfolgenden Versuchstat lediglich der gegenüber den USt-Voranmeldungen neu hinzukommende Schuldgehalt in die Zumessung der Einzelstrafe eingestellt wird. Vorliegend hatte das LG bei der Strafzumessung für die in der Abgabe einer unrichtigen USt-Jahreserklärung liegende versuchte Steuerhinterziehung richtigerweise daher nur den gegenüber den Voranmeldungen überschießenden, nicht ausgezahlten Erstattungsbetrag angesetzt.
Relevanz für die Praxis
Mit der Entscheidung schränkt der BGH seine bisherige Rechtsprechung ein, wonach USt-Voranmeldungen regelmäßig mitbestrafte Vortaten zu USt-Jahreserklärungen darstellen. Bei nur versuchter Jahressteuerhinterziehung (unabhängig davon, ob ggü. den USt-Voranmeldungen überschießende Beträge enthalten sind) stellen USt-Voranmeldungen, die zu unberechtigten Auszahlungen geführt haben, keine mitbestrafte Vortat dar. Vielmehr sind beide Taten tatmehrheitlich abzuurteilen.
Unklar bleibt, ob der BGH dies auch im Fall von unrichtigen USt-Voranmeldungen ebenso sieht, die nur zu bloßen Steuerbelastungsminderungen (und nicht zu unberechtigten Erstattungen/Auszahlungen) geführt haben. Grundsätzlich liegt auch in diesen Konstellationen ein vollwertiger Taterfolg auf Voranmeldungs-Tatbestandsebene vor. Eine Übertragung der Argumentation des BGH auf solche „Nichtauszahlungsfälle“ erscheint folglich vertretbar, zumal es (neben dem Erklärungsdelikts-Charakter des § 370 AO) auch wirtschaftlich betrachtet gleich strafwürdig erscheint, ob unberechtigte USt-Auszahlungen oder unberechtigt zu niedrige USt-Zahllasten erschlichen werden. Beide Vorgehensweisen schädigen das Steueraufkommen als von § 370 AO geschütztes Rechtsgut in gleicher Weise.
Allerdings betont der BGH in seiner Entscheidung explizit das „Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile“ in Form der „Auszahlung tatsächlich nicht bestehender Erstattungsbeträge“. Solchen Auszahlungsbeträgen soll daher wohl besonderes Gewicht ‒ jedenfalls nach Ansicht des BGH ‒ zukommen. Indem solche Auszahlungen auf Voranmeldungsebene hervorgehoben werden, könnte konkurrenzrechtlich (entgegen der bisherigen BGH-Rechtsprechung) ggf. auch im Vollendungs-Fall Tatmehrheit angedacht werden, wenn auf Voranmeldungsebene unberechtigte Erstattungen erwirkt wurden, auf vollendeter Jahressteuerebene aber lediglich Steuerminderungsbeträge entstanden sind.
MERKE | Wichtig für den Verteidiger ist der Hinweis, dass bei der konkreten Strafzumessung der tatmehrheitlich begangenen Jahreserklärung (strafmildernd) nur der überschießende Verkürzungsbetrag zu berücksichtigen ist. Liegen keinerlei überschießende Beträge vor, dürften sogar nur sehr milde Einzelstrafen oder eine Einstellung gem. § 154 StPO hinsichtlich der Jahreserklärung sachgerecht sein, wenn nicht gar eine „mitbestrafte Nachtat“ zu thematisieren wäre. |