· Fachbeitrag · Vollstreckungsverfahren
Gläubiger kann Abgabe einer Steuererklärung durch den Schuldner nicht erzwingen
RA Prof. Dr. Carsten Wegner, FA StrafR, Krause & Kollegen, Berlin
Selbst in dem Fall, in dem der Steuerpflichtige zur Abgabe einer Steuererklärung und zur Mitwirkung bei der Steuerfestsetzung des gegen ihn gerichteten Steuerzahlungsanspruchs verpflichtet ist, sind die verhältnismäßig massiv wirkenden Mittel von Zwangsgeld und Zwangshaft vom Gesetzgeber nicht in Erwägung gezogen worden (LG Bochum 27.11.13, 3 O 276/13, Abruf-Nr. 140084). |
Sachverhalt
Der Kläger versucht die Beklagte zur Mitwirkungshandlung zu verpflichten, damit er eine von ihm mit erhobenen Daten vorbereitete Steuererklärung über die Einkünfte der Beklagten im Kalenderjahr 2012 einreichen kann bzw. damit die Beklagte selbst die Erklärung beim FA anbringen kann. Zu diesem Zwecke ist die Steuererklärung von der Beklagten zu unterschreiben. Sie soll dazu verurteilt werden, die Erklärung zu unterschreiben und beim FA einzureichen. Der Kläger erhofft sich, dass die Beklagte nach seiner Berechnung eine Steuererstattung bekommen wird, auf die er dann wegen bestehender zivilrechtlicher Ansprüche Zugriff nehmen will.
Entscheidung
Das LG Bochum hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger sei zwar zuzugeben, dass nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Erwägungen zwischen Gläubiger und Schuldner besondere Sonderrechtsbeziehungen entstehen, die auch schuldrechtlichen Inhalt haben können. Mit den im Vollstreckungsverfahren existierenden besonderen Gegebenheiten werde man möglicherweise auch den Schuldner für verpflichtet halten können, von einer bewussten Schädigung des Gläubigers Abstand zu nehmen.
Das Gericht hat indessen Bedenken, ob Inhalt des zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden gesetzlichen Rechtsverhältnisses sein kann, dass die Beklagte (die Vollstreckungsschuldnerin) zur Unterzeichnung des Steuererklärungsvordrucks verpflichtet werden kann. Das Gericht habe dabei nicht nur zu berücksichtigen, dass ein Gläubiger zur Realisierung seiner Ansprüche einer möglichst effektiven Zwangsvollstreckung bedarf; es habe auch auf das Recht des Schuldners auf persönliche Freiheit und Handlungsfreiheit Rücksicht zu nehmen. Die Mitwirkung der Beklagten stehe im Spannungsfeld zwischen den Wirkungsbereichen dieser beiden Grundrechte, wobei die gegensätzlichen Schutzrichtungen kollidieren und eine Güterabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stattzufinden hat.
Praxishinweis
Eine vergleichbare Situation ergibt sich für den Finanzfiskus, wenn er den Anspruch auf die zu zahlende Steuer realisieren will. Auch er ist dabei auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen. Aber selbst wenn der Steuerpflichtige die Erklärung zwingend abgeben muss, hat der Steuergesetzgeber nur verhältnismäßig moderate Mittel gewählt, die einen mittelbaren Zwang auf den Steuerpflichtigen ausüben, die Steuererklärung abzugeben. Dazu gehört
- die Festsetzung eines Säumniszuschlags (§ 240 AO),
- die Verzinsung von Steuerforderungen (§ 233 AO) und schließlich
- die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen.
Von diesen Mitteln der Ausübung von Zwang kann die Finanzbehörde unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Gebrauch machen. Daraus entnimmt das Gericht, dass selbst in dem Fall, in dem der Steuerpflichtige zur Abgabe einer Steuererklärung und zur Mitwirkung bei der Steuerfestsetzung des gegen ihn gerichteten Steuerzahlungsanspruchs verpflichtet ist, die verhältnismäßig massiv wirkenden Mittel von Zwangsgeld und Zwangshaft vom Gesetzgeber nicht in Erwägung gezogen worden sind.
Daraus folgt für die zivilrechtliche Vollstreckung, dass bei der Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung konsequenterweise die Beklagte durch Zwangsgeld und für den Fall, dass das nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft anzuhalten wäre. Im Falle einer Vollstreckung des Klageantrags bliebe bei einer ohnehin finanziell angegriffenen Person deshalb bei zweckgerechter sinnvoller Auslegung der Vorschriften über die Zwangsmittel nur die Verhängung von Zwangshaft übrig. Das würde nach Ansicht des Gerichts nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum erstrebten Erfolg stehen.