Einigungsgebühr Die Einigungsgebühr nach dem RVG - künftig ein weites Feld von RA U.W. Hauskötter, Dortmund Eine der auffälligsten Änderungen durch das RVG ist die Einführung der Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 und 1004 VV RVG) an Stelle der Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO. Die neue Einigungsgebühr hat einen erweiterten Anwendungsbereich, die Voraussetzungen dafür sind niedriger als für die Vergleichsgebühr. Insbesondere für Anwälte mit Schwerpunkt im Bau- oder Familienrecht eröffnet die Einigungsgebühr eine wichtige Kompensationsfunktion für den in diesen Bereichen schmerzlichen Wegfall der Beweisgebühr. Der folgende Beitrag stellt die wesentlichen Aspekte dar (dazu auch RVG prof. 04, 55). Erweiterter Anwendungsbereich Nr. 1000 VV RVG erstreckt sich auf alle Angelegenheiten, bei denen sich die Parteien einigen können. Erfasst sind alle Rechtsverhältnisse, die zur "Disposition" der Beteiligten stehen. Dementsprechend sind nicht disponible Rechtsverhältnisse ausgenommen. Der Anwalt muss daher prüfen, ob die Rechtsverhältnisse im Einzelnen disponibel sind oder nicht. Familienrecht (Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen) Hier gilt Folgendes:
Strafsachen Auch in Strafsachen muss differenziert werden:
Öffentliches Recht Soweit die Streitbeteiligten über die Ansprüche verfügen können, kann die Einigungsgebühr auch bei öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen anfallen, Anmerkung Abs. 4 zu Nr. 1000 VV RVG. Diese Regelung entspricht § 23 Abs. 3 BRAGO. Ist wie beim Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts eine Einigung zwischen dem Bürger und der Behörde nicht möglich, greift Nr. 1002 VV RVG über die Erledigungsgebühr. Sie ist eine besondere Form der Einigungsgebühr. Sie entspricht der Höhe nach der Einigungsgebühr. Die Erledigungsgebühr entsteht,
§ 24 BRAGO sah dafür ebenfalls eine Erledigungsgebühr vor. Entsprechendes gilt, wenn sich eine Rechtssache bei einem geforderten Verwaltungsakt ganz oder teilweise durch Erlass des Verwaltungsakts erledigt. Neu ist, dass eine Einigungsgebühr auch in sozialrechtlichen Angelegenheiten entstehen kann, bei denen sich die Gebühren nicht nach dem Wert bestimmen (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 RVG i.V. mit § 183 SGG). Bisher sah § 116 Abs. 4 BRAGO vor, dass sich nach Abschluss eines Vergleichs die Höchstbeträge der Rahmengebühren betragsmäßig um 50 Prozent erhöhten. Besondere Gebühren nach den §§ 23, 24 BRAGO waren nicht vorgesehen. Im Ergebnis führte das beim Vergleich mit einem Verfahren vor dem Sozialgericht zur Mittelgebühr von 520 EUR statt 355 EUR; also zur Anhebung um 165 EUR. Die neue Einigungsgebühr im Umfang von 1,5 erreicht bei Sozialgerichtsverfahren künftig bereits ab einem Streitwert von mehr als 2.000 EUR einen darüber liegenden Betrag: 1,5 Einigungsgebühr bei 2.001 EUR: 241,50 EUR. Voraussetzungen Die Einigungsgebühr entsteht unter folgenden Voraussetzungen: Vertragliche Einigung Im Unterschied zu § 23 Abs. 1 BRAGO ist für die Einigungsgebühr der Abschluss eines Vergleichs nach § 779 BGB nicht mehr erforderlich. Es reicht aus, "wenn durch Vertrag der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird", Anmerkung Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV RVG. Beschränkt sich der Vertrag aber ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht oder war die anwaltliche Mitwirkung bei den Vertragsverhandlungen für den Vertragsabschluss nicht ursächlich, fällt keine Einigungsgebühr an. Damit will das RVG verhindern, dass bereits die Erfüllung eines geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf eine weitere Anspruchsverfolgung eine Einigungsgebühr auslöst. Es muss sich um einen gegenseitigen Vertrag handeln, wobei dieser auch mit einem Dritten geschlossen werden kann.
Formerfordernisse Es ist keine besondere Form für die Einigungsvereinbarung vorgeschrieben. Die Einigung kann also auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Sieht das materielle Recht dagegen bestimmte Formvorschriften vor, ist eine wirksame Einigung nur bei Einhaltung des Formzwangs möglich. Eine unwirksame Einigung löst keine Einigungsgebühr aus. Solche Formvorschriften ergeben sich z.B. aus § 311b BGB für Grundstücksgeschäfte, aus § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB für den Zugewinnausgleich, aus § 1587o Abs. 2 S. 1 BGB für den Versorgungsausgleich oder aus § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB für Verfügungen über einen Nachlassanteil. Weil die gerichtliche Protokollierung nach § 127a BGB jegliche Formvorschrift ersetzt, kann im Termin eine wirksame Einigung für solche formgebundenen Einigungen mit der Protokollierung erfolgen. Allerdings sieht § 127a BGB dazu vor, dass es sich um die Protokollierung eines Vergleichs nach § 779 BGB handelt. Für eine Einigungsgebühr durch Gerichtsprotokollierung reicht eine unter diesem Niveau liegende Einigung daher nicht aus. In-Kraft-Treten der Einigung Fraglich ist, ob die Einigung sofort wirksam sein muss. Hier gilt Folgendes:
Wegfall des Vertrags Fraglich ist auch, ob die Einigungsgebühr vom Bestand des Vertrags abhängig ist. Hier ist Folgendes zu beachten:
Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis An die Voraussetzung "Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis" sind keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Das Behaupten unterschiedlicher Rechtsansichten dürfte ausreichen. Es muss aber bei beiden Parteien eine Ungewissheit oder die Bereitschaft zum Streiten vorliegen. Es genügt, wenn nur Teile eines Rechtsverhältnisses im Streit sind. Auf die Rechtsprechung zu § 23 BRAGO kann weitgehend zurückgegriffen werden. Auch an den Begriff des Rechtsverhältnisses sind keine besonderen Anforderungen zu stellen. Der Begriff ist sehr weit gefasst. Einbezogen sind alle Rechtsverhältnisse des materiellen Rechts, soweit die Parteien darüber verfügen können. Hierzu zählen schuldrechtliche, sachenrechtliche, familien-, erbrechtliche Rechtsverhältnisse, aber auch vertragliche Nebenpflichten und vorvertragliche Pflichten sowie gesetzliche Rechtsverhältnisse z.B. aus unerlaubter Handlung oder aus Bereicherungsrecht. Ob eine Forderung unklagbar ist, z.B. eine Naturalobligation wie die Spielschuld, ist unerheblich. Soweit es in der Verfügungsmacht der Parteien liegt, können auch Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts in Frage kommen. Gegenseitiges Nachgeben? Ein gegenseitiges Nachgeben i.S. von § 779 BGB wie für die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO ist künftig nicht mehr Voraussetzung. Jedoch stellt die Gesetzesbegründung klar, dass ohne jegliches Nachgeben, also durch vollständiges Anerkenntnis oder vollständigen Verzicht, keine Einigungsgebühr entsteht. Ein Minimum an Nachgeben ist erforderlich. Wenn auch nur geringste Zugeständnisse von einer Partei gemacht werden, ist das als Nachgeben anzusehen. Entscheidend ist die subjektive Sicht der Parteien.
Mitwirkung des Anwalts Mitwirkung beim Abschluss des Vertrags bedeutet jede Tätigkeit, die der Anwalt bezüglich der Einigung entfaltet. Nach Anmerkung Abs. 2 zu Nr. 1000 VV RVG ist klar, dass er die Einigungsgebühr abrechnen kann, wenn er nicht unmittelbar bei Vertragsschluss dabei ist, seine Mitwirkung aber in der Beratung oder Beteiligung an den Verhandlungen bestand. Stellt der Mandant die Mitwirkung des Anwalts in Abrede, trägt der Mandant die Beweislast dafür, dass der Anwalt nicht ursächlich an der Einigung mitgewirkt hat. Auch weitere Anwälte können die Einigungsgebühr fordern, wenn ihre Mitwirkung mitursächlich für den Einigungsvertrag war, z.B. Korrespondenzanwälte oder Terminsvertreter. Die Bemühungen des Anwalts müssen auf den Abschluss der Einigung gerichtet sein, um ursächlich zu sein. Eine wesentliche Beeinflussung der Parteien ist nicht erforderlich. Nur geringfügige Abweichungen vom Vorschlag des Anwalts sind unschädlich. Rät der Anwalt jedoch vom Einigungsvertrag ab und schließt sein Mandant den Vertrag dennoch, fällt die Einigungsgebühr nicht an. Dasselbe gilt für den allgemeinen Rat zur gütlichen Einigung oder bei erfolglosen Bemühungen des Anwalts. Einigungsgebühr nur einmal auch bei mehreren Einigungen Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG erhält der Anwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal. Nur in Gerichtsverfahren kann er Gebühren in jedem Rechtszug fordern. Deshalb entsteht die Einigungsgebühr wie schon die Vergleichsgebühr für jede Angelegenheit grundsätzlich nur ein Mal. Werden mehrere Einigungen im Laufe eines Verfahrens getroffen, erhält der Anwalt die Einigungsgebühr nur ein Mal aus dem Gesamtwert aller Gegenstände, über die sich die Parteien geeinigt haben, § 22 Abs. 1 RVG. Das gilt auch, wenn die Parteien zunächst eine Einigung herbeigeführt haben, anschließend über deren Wirksamkeit streiten und diesen Streit durch eine weitere Einigung beilegen. Auch hier entsteht die Einigungsgebühr nur ein Mal, da es sich noch um dieselbe Angelegenheit handelt. Sollten mehrere Angelegenheiten streitig sein, entsteht die Einigungsgebühr bei gesonderten Einigungen für die verschiedenen Angelegenheiten mehrfach. Gebührenhöhe Auf Folgendes müssen Sie bei der Abrechnung der Einigungsgebühr achten:
Selbstständiges Beweisverfahren Eine Verbesserung bringt das RVG für die Einigungsgebühr über Gegenstände, die im selbstständigen Beweisverfahren anhängig sind. Denn anders als bei der BRAGO führt die Anhängigkeit hier nicht zur Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0, Nr. 1003 VV RVG. In diesem Fall bleibt es bei der Grundregel Nr. 1000 VV RVG mit dem Gebührensatz von 1,5. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Quelle: RVG professionell - Ausgabe 12/2004, Seite 199 |
Quelle: Ausgabe 12 / 2004 | Seite 199 | ID 106678