01.11.2005 | Streitwertfestsetzung
BVerfG gegen Streitwertreduzierung bei PKH-Ehesache
Auch bei Bewilligung von ratenfreier PKH für beide Parteien in Ehesachen ist nicht stets der Mindeststreitwert von 2.000 EUR anzusetzen (BVerfG 23.8.05, 1 BvR 46/05, AnwBl. 05, 651, Abruf-Nr. 052937). |
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer, ein Anwalt, wendet sich gegen die Streitwertfestsetzung in einer Ehesache, bei der beiden Parteien PKH ohne Ratenzahlung gewährt worden war. Das AG setzte den Streitwert für die Ehesache auf den Mindestsatz von 2.000 EUR fest. Gegen die Streitwertfestsetzung erhob der Anwalt im eigenen Namen Beschwerde. Der Ehemann verfügte über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.440 EUR, die Ehefrau über 814,45 EUR, was einen Streitwert von 6.763,35 EUR ergäbe. Das AG hatte der Beschwerde nicht abgeholfen. Auch das OLG wies die Beschwerde zurück. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Anwalt erfolgreich die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Die Streitwertfestsetzung beschneide seine freie Berufsausübung, weil derartige Mandate nicht mehr kostendeckend zu bearbeiten seien.
Entscheidungsgründe
Die vom AG und OLG vorgenommene Auslegung der einschlägigen Vorschriften des GKG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten, zu denen Ehesachen und damit auch die Scheidungsverfahren zählen, ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach gerichtlichen Ermessen zu bestimmen. Dabei ist in Ehesachen für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen. Der Streitwert darf in Ehesachen nicht unter 2.000 EUR angenommen werden (§ 12 Abs. 2 GKG a.F., jetzt § 48 Abs. 3 GKG n.F.).
Die Rechtsprechung der OLG ist insoweit uneinheitlich. Nach einem Teil der Gerichte ist in Ehesachen bei beiderseitiger Bewilligung von PKH „stets“ oder „im Regelfall“ der Mindeststreitwert von 2.000 EUR festzusetzen. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung lehnt dies jedoch ab. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung dafür zu fordern. Gesetzliche Vergütungsregelungen sind daher am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Nichts anderes gilt auch für gerichtliche Entscheidungen, die auf gesetzlichen Vergütungsregelungen beruhen.
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