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  • · Fachbeitrag · Terminsgebühr

    Terminsgebühr bei Klagerücknahme

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Probleme bei der Terminsgebühr und ihrer Höhe treten in der Praxis häufig im Fall der Klagerücknahme auf. Dabei sind die folgenden Fallkonstellationen und ihre unterschiedliche Abrechnung zu beachten. |

    1. Vorbemerkung

    Nach Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem gerichtlichen Termin, der zur Verhandlung, Erörterung oder Beweisaufnahme anberaumt worden ist. Im Unterschied zu der nach der BRAGO geltenden Verhandlungs- und Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 u. 4 BRAGO) kommt es nicht (mehr) darauf an, ob im Termin Anträge gestellt worden sind, ob streitig verhandelt oder ob die Sache erörtert worden ist. Allein die Teilnahme löst bereits die Terminsgebühr aus. Voraussetzung ist lediglich, dass der Termin zu einem der vorgenannten Zwecke anberaumt worden war und begonnen hat, also die Sache aufgerufen worden ist.

    2. Klagerücknahme vor und ohne Stattfinden eines Termins

    Wird die Klage zurückgenommen, bevor es zu einem gerichtlichen Termin gekommen ist, und wird der Termin daraufhin nicht mehr durchgeführt, kann die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3, 1. Var. VV RVG nicht entstehen. Es kommt nur eine Terminsgebühr nach der 2. oder 3. Variante in Betracht, also durch eine vorherige Besprechung zur Erledigung des Verfahrens oder durch Teilnahme an einem Sachverständigentermin im Rahmen eines nach § 358a ZPO vorbereitend eingeholten Sachverständigengutachtens.

    • Beispiel 1: Besprechung vor Klagerücknahme

    Nach Klageerhebung (Wert: 1.200 EUR) beraumt das Gericht einen Termin an. Daraufhin führen die Anwälte eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens. Der Anwalt des Beklagten hat so gute Argumente, dass der Anwalt des Klägers seine Klage zurücknimmt. Obwohl es nicht mehr zu einem gerichtlichen Termin gekommen ist, haben beide Anwälte nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV RVG die Terminsgebühr verdient, da sie eine Besprechung zur Erledigung des gerichtlichen Verfahrens geführt haben. Abzurechnen ist daher wie folgt:

    1.

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 1.200,00 EUR)

     

    110,50 EUR

    2.

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 1.200,00 EUR)

     

    102,00 EUR

    3.

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

     

    20,00 EUR

     

    Zwischensumme

    232,50 EUR

     

    4.

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

     

    44,18 EUR

    Gesamt

     

    276,68 EUR

     

     

    • Beispiel 2: Gerichtliches Verfahren, Teilnahme an Sachverständigentermin

    In einem Mieterhöhungsprozess (Wert: 1.200 EUR) erlässt das Gericht nach § 358a ZPO vorbereitend einen Beweisbeschluss. Der Sachverständige beraumt daraufhin einen Ortstermin in der Wohnung an, an dem beide Anwälte teilnehmen. Das Gutachten kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Mieterhöhung völlig unbegründet sei. Die Klage wird daraufhin zurückgenommen.

    Lösung: Obwohl es nicht zu einem gerichtlichen Termin gekommen ist, haben beide Anwälte nach Vorb. 3 Abs. 3, 2. Var. VV RVG die Terminsgebühr verdient, da sie an einem von einem gerichtlichen Sachverständigen anberaumten Termin teilgenommen haben. Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel.

    Hatte das Gericht zwar vorbereitend ein Sachverständigengutachten nach § 358a ZPO eingeholt, ohne dass es zu einem vom Sachverständigen angeordneten Termin gekommen ist - etwa bei bloßer schriftlicher Gutachtenerstellung - und wird dann die Klage zurückgenommen, ohne dass es noch zu einem gerichtlichen Termin gekommen ist, fällt keine Terminsgebühr an. Die Ausnahmeregelungen der Anm. 1 zu Nr. 3104 VV RVG sind auf diesen Sachverhalt nicht analog anwendbar (OLG Koblenz AGS 08, 69).

    3. Klagerücknahme im Termin

    Wird die Klagerücknahme im Termin erklärt, fällt immer eine Terminsgebühr an. Die Gebühr richtet sich nach dem vollen Wert der vor Klagerücknahme anhängigen Gegenstände (KG RVGreport 06, 149). Maßgebend ist insoweit der Wert zu Beginn der Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt war der Klageantrag noch gestellt. Die spätere Rücknahme ist unerheblich.

     

    • Beispiel 3: Klagerücknahme im Termin

    Im gerichtlichen Verhandlungstermin nimmt der Anwalt des Klägers die Klage über 5.000 EUR nach Aufruf der Sache zurück. Die Terminsgebühr ist entstanden, und zwar aus dem vollen Wert der Klageforderung. Abzurechnen ist für beide Anwälte wie folgt.

    1.

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000,00 EUR)

     

    391,30 EUR

    2.

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 5.000,00 EUR)

     

    361,20 EUR

    3.

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

     

    20,00 EUR

     

    Zwischensumme

    772,50 EUR

     

    4.

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

     

    146,78 EUR

    Gesamt

     

    919,28 EUR

     

    Die Terminsgebühr in voller Höhe entsteht erst Recht, wenn die Klage nur teilweise zurückgenommen wird. Abzustellen ist für den Gegenstandswert der Terminsgebühr auf den Beginn der Verhandlung. Eine spätere Teilklagerücknahme kann an dem Wert nichts mehr ändern.

     

    • Beispiel 4: Teilklagerücknahme im Termin

    Im gerichtlichen Verhandlungstermin nimmt der Anwalt des Klägers die Klage über 5.000 EUR i.H. von 2.000 EUR zurück.

    Die Terminsgebühr ist wiederum aus dem vollen Wert entstanden. Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 3.

    4. Rücknahme im Termin bei Nichterscheinen des Gegners

    Die volle Terminsgebühr fällt für den Anwalt des Klägers auch an, wenn die Klage in einem Gerichtstermin zurückgenommen wird, in dem die Beklagtenseite nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist. Die Ermäßigung nach Nr. 3105 VV RVG greift nicht. Sie setzt voraus, dass „lediglich der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird“. Die Klagerücknahme ist aber „mehr“ und löst daher die volle Terminsgebühr aus (LAG Baden Württemberg RVGreport 10, 386). Es liegt insoweit auch nicht lediglich ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3105 VV RVG vor, abgesehen davon, dass in der Regel zuvor mit dem Gericht erörtert wird.

    • Beispiel 5: Klagerücknahme im Termin bei Säumnis des Gegners

    Im Termin (Wert: 5.000 EUR) erscheint der Beklagte nach Aufruf der Sache nicht. Der Kläger nimmt die Klage zurück.

    Die Terminsgebühr ist entstanden (siehe Beispiel 3), und zwar in voller Höhe, da ein Ermäßigungstatbestand nicht greift. Abzurechnen ist wie in Beispiel 3.

    5. Klagerücknahme vor irrtümlich stattfindendem Termin

    War die Klage vor dem Termin bereits zurückgenommen worden, wird dieser in Unkenntnis der Klagerücknahme aber dennoch durchgeführt, ist die Rechtsprechung uneinheitlich.

     

    Nach LG Saarbrücken (AGS 11, 480) entsteht die Terminsgebühr, wenn die Klage vor dem Termin bereits zurückgenommen war, dies bei Aufruf der Sache dem Gericht und dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten jedoch nicht bekannt war, und der Anwalt des Beklagten an dem trotz Klagerücknahme noch durchgeführten Termin teilnimmt. Nach Auffassung des Gerichts entsteht die Terminsgebühr in diesem Fall aus dem vollen Streitwert der Hauptsache und nicht lediglich aus dem Kostenwert.

    • Beispiel 6: Termin in Unkenntnis der Klagerücknahme

    Am Morgen des Terminstags hatte der Klägeranwalt die Klage über 3.000 EUR durch ein an das Gericht gerichtetes Telefax zurückgenommen. Weder dem Gericht noch dem Beklagtenanwalt ist die Rücknahme bekannt, sodass die Sache aufgerufen wird. Erst im Termin wird auf Nachfrage in der Kanzlei die Klagerücknahme bekannt, die dann auch von der Geschäftsstelle vorgelegt wird.

    Nach Auffassung des LG Saarbrücken ist die Terminsgebühr aus dem vollen Wert der Klageforderung entstanden. Abzurechnen ist wie folgt.

    1.

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 3.000,00 EUR)

     

    245,70 EUR

    2.

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 3.000,00 EUR)

     

    226,20 EUR

    3.

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

     

    20,00 EUR

     

    Zwischensumme

    491,90 EUR

     

    4.

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

     

    93,46 EUR

    Gesamt

     

    585,36 EUR

     

    Nach Auffassung des OLG Stuttgart (RVGreport 09, 184) soll zwar ebenfalls eine Terminsgebühr anfallen, wenn die Klage vor dem Terminsbeginn zurückgenommen worden ist, und das Gericht den Termin aus Unkenntnis der Klagerücknahme durchführt. Allerdings soll dann nicht der Hauptsachestreitwert gelten, sondern lediglich der Kostenwert.

     

    Gleicher Auffassung ist das KG (RVGreport 06, 149). Selbst bei Unkenntnis des Gerichts und des Beklagtenvertreters von der Klagerücknahme soll die Terminsgebühr nur nach dem Kostenwert entstehen.

     

    Nach Auffassung des OLG Stuttgart und des KG wäre danach im Beispiel 6 nur die Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert angefallen. Die Terminsgebühr würde sich aus dem Wert der bis dahin angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten auf (316,18 EUR + 316,18 EUR + 89,00 EUR) 721,36 EUR berechnen, sodass wie folgt abzurechnen wäre:

    • Berechnung des Beispiels 6 nach KG und OLG Stuttgart

    1.

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 3.000,00 EUR)

     

    245,70 EUR

    2.

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 721,36 EUR)

     

    78,00 EUR

    3.

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

     

    20,00 EUR

     

    Zwischensumme

    343,70 EUR

     

    4.

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

     

    65,30 EUR

    Gesamt

     

    409,00 EUR

     

    Dass eine Terminsgebühr entsteht, wenn der Termin trotz Klagerücknahme durchgeführt wird, ist eindeutig, da ein Termin durchgeführt worden ist. Ob dieser notwendig war, ist unerheblich. Darauf stellt das RVG nicht ab. So entsteht unstreitig eine Terminsgebühr, wenn nach übereinstimmender Hauptsacheerledigung über die Kosten verhandelt wird, obwohl darüber ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 91a Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 4 ZPO).

     

    Gegen den Ansatz des vollen Werts spricht, dass die Wirksamkeit einer Klagerücknahme mit ihrem Eingang bei Gericht eintritt (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO) und die Rechtshängigkeit beseitigt. Anders als für die Begründung der Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO) kommt es bei einer Rücknahme auf eine Zustellung an den Gegner nicht an. Andererseits ist für das Entstehen der Anwaltsgebühren nicht auf die Rechtshängigkeit abzustellen, sondern auf den Auftrag. Wenn der Anwalt - mangels Kenntnis der Klagerücknahme - den Auftrag hat, zur Hauptsache zu verhandeln und das tatsächlich auch tut, wird er nach dem Wert der Hauptsache tätig. Daher erscheint die Auffassung des LG Saarbrücken vorzugswürdig.

    6. Bloßes Erscheinen zum abgesagten Termin

    Nach Auffassung des OLG Köln (16.10.08, 17 W 252/08) soll eine Terminsgebühr auch anfallen, wenn der gegnerische Prozessbevollmächtigte, der von der Rücknahme der Klage nichts weiß, zur Terminsstunde verhandlungsbereit erscheint. Da nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV RVG die Durchführung eines Termins nicht Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen einer Terminsgebühr ist, sei es unerheblich wenn der Termin nicht mehr durchgeführt werde. Maßgebend soll dann der volle Wert der Hauptsache sein.

     

    Diese Auffassung dürfte allerdings mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren sein, weil im Gegensatz zu Straf- und Bußgeldsachen (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2; 5 Abs. 3 S. 2 VV RVG) das Erscheinen zu einem Termin nicht ausreicht, sondern eine Vertretung im Termin - also eine Teilnahme am Termin - erforderlich ist. Das wiederum setzt aber voraus, dass die Sache aufgerufen wird. Auch eine Terminsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. VV RVG entsteht nicht, da eine Besprechung in diesem Sinne nicht mehr stattfindet und sie auch nach Wegfall der Rechtshängigkeit sinnlos wäre.

     

    PRAXISHINWEIS | Wie die vorstehenden Entscheidungen zeigen, kann eine späte Klagerücknahme zu vermeidbaren Mehrkosten in Form einer Terminsgebühr führen.

    • Soweit eine Klagerücknahme in Betracht kommt, sollte diese also rechtzeitig vor einem Termin erklärt werden, sodass dem Gericht genügend Zeit verbleibt, den Termin abzusetzen und den Beklagten darüber zu unterrichten.

    • Wird die Klage kurzfristig vor dem Termin zurückgenommen, sollte der Anwalt des Klägers den Anwalt des Beklagten unmittelbar von der Klagerücknahme unterrichten, damit dieser nicht in Unkenntnis der Rücknahme noch zum Termin erscheint und Anträge zur Hauptsache stellt, sodass weitere Gebühren ausgelöst werden, die letztlich vom Kläger zu erstatten sind (§ 269 Abs. 3 ZPO).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zur Terminsgebühr im PKH-Bewilligungsverfahren, BGH RVG prof. 12, 77, Abruf-Nr. 120921
    • Zur Terminsgebühr bei bloßer Terminsnachricht im Strafverfahren, OLG Celle RVG prof. 11, 187, Abruf-Nr. 113378
    Quelle: Ausgabe 10 / 2012 | Seite 172 | ID 35265080